Verdammt. Entweder waren die Schlangen an Bord der C-625 besonders wachsam und bereit zum sofortigen Zuschlagen gewesen, oder aber die Befehlshaberin und die Executives hatten zu lange gebraucht, um sich zu entscheiden. Iceni tippte die Befehlstaste, um auf die Nachricht zu antworten. »An die ISD-Executive Jillan und an das gesamte Personal an Bord der C-625 sowie an die übrigen mobilen Streitkräfte in der Zentraleinrichtung der mobilen Streitkräfte: Hier spricht CEO Iceni. CEO Hardrad und CEO Kolani sind tot. Sämtliches ISD-Personal in diesem Sternensystem ist ebenfalls tot. Ich habe die alleinige Kontrolle über die verbliebenen mobilen Streitkräfte, und mein Verbündeter CEO Drakon hat die vollständige Kontrolle über die Oberfläche des bewohnten Planeten. Dieses Sternensystem ist jetzt unabhängig von den Syndikatwelten, sodass der ISD hier keine Autorität mehr besitzt. Ich fordere Sie zur Kapitulation auf. Wenn Sie dieser Forderung nachkommen, werde ich garantieren, dass sämtliches ISD-Personal an Bord der C-625 und der begleitenden Einheiten unbehelligt dieses Sternensystem verlassen darf. Ich erwarte eine umgehende Antwort. Für das Volk. Iceni, Ende.«
Akiri fragte zwar nichts, aber sie war sich sicher, dass er und Marphissa sich unabhängig voneinander diese Nachricht angehört hatten, um zu wissen, wie ihre Vorgesetzten vorzugehen gedachten.
Iceni wandte sich ihnen zu und sagte in einem Tonfall, der den Eindruck erwecken sollte, als wüsste sie nicht, dass die beiden sehr wahrscheinlich längst eingeweiht waren: »Die Schlangen kontrollieren die C-625.«
»Sollen wir einen Abfangkurs berechnen?«, fragte Marphissa.
Sofort schüttelte Akiri den Kopf. »So weit, wie sie noch von uns entfernt sind, können sie uns bequem ausweichen, und dann bekommen wir sie nie zu fassen.«
»Irgendwelche anderen Optionen?«, fragte Iceni.
Akiri hielt kurz inne, dann sah er zu Marphissa, die gleich darauf mit einer hilflosen Geste reagierte. »Wir können sie nicht zu fassen bekommen«, stimmte sie zu. »Es sei denn, sie beschließen, sich einen Kampf mit uns zu liefern. Aber das ist sehr unwahrscheinlich. Das ISD-Personal an Bord der C-625 besitzt keinerlei Gefechtserfahrung. Die wissen nicht mal, wie man diesen Kreuzer richtig steuert.«
»Sie könnten die Steuerung und die Feuerbefehle von den automatischen Systemen des Schiffs erledigen lassen«, meinte Akiri. »Ihnen muss klar sein, dass ein solcher Angriff einem Selbstmord gleichkommt, aber wir können nicht davon ausgehen, dass ihnen auch klar ist, wie sinnlos so etwas wäre.«
Iceni nickte bedächtig. »Ein gutes Argument. Ich habe sie zur Kapitulation aufgefordert, aber darauf werden sie nicht eingehen. Sie werden Kurs auf das Hypernet-Portal nehmen.« Sowohl Marphissa als auch Akiri schauten sie überrascht an. »Die Schlangen, die die Kontrolle über die C-625 erlangt haben, sind nicht so wie CEO Kolani. Sie trugen keine Verantwortung für die Kontrolle dieses ganzen Sternensystems. Ihre Verantwortung ist die Kontrolle über die C-625, und die haben sie ja. Sie können nach Prime zur Zentralregierung zurückkehren und von ihrem persönlichen Triumph berichten, wie auch vom Scheitern ihrer Vorgesetzten. Und genau das werden sie tun.«
Akiri gab Daten in die Steuersysteme ein. »Wenn sie Kurs auf das Hypernet-Portal nehmen, können wir sie trotzdem nicht aufhalten. Dafür ist ihr Vorsprung viel zu groß. Der zivile Transporter zu dem Portal, der als Kurier zur Verfügung steht, kann gegen den Kreuzer auch nichts ausrichten. Sie könnten die Verteidigungseinheiten rund um das Hypernet-Portal anweisen, sich der C-625 in den Weg zu stellen, wenn sie nahe genug ist. Aber dann besteht die Gefahr, dass man das Feuer auf sie eröffnet und dabei das Portal beschädigt.«
Nachdem sie sich die Situation kurz durch den Kopf hatte gehen lassen, zuckte Iceni mit den Schultern. »Das ist es nicht wert, dafür das Risiko einzugehen, dass das Portal Schaden erleidet. Sagen Sie dem Handelsschiff, es soll sich von der C-625 fernhalten, falls sie tatsächlich Kurs auf das Portal nimmt. Wir haben nichts davon, wenn wir das Schiff verlieren.«
»Können wir wirklich davon ausgehen«, warf Marphissa ein, »dass die Schlangen an Bord der C-625 nicht auch noch versuchen werden, den Planeten zu bombardieren? Ein einzelner Schwerer Kreuzer hat zwar nicht allzu viele Projektile an Bord, aber es genügt immer noch, um auf dem Planeten einigen Schaden anzurichten.«
Iceni dachte wieder nach, dann schüttelte sie den Kopf. »Nein. Schlangen folgen strenger Disziplin, die sie dazu anhält, exakt das zu tun, was von ihnen verlangt wird, aber kein bisschen mehr. Sie haben keinen Befehl erhalten, Städte auf dem Planeten zu bombardieren. Es könnte genau das Verkehrte sein, weite Teile dieser Welt zu verwüsten. Und da sie niemanden haben, der ihnen sagt, dass sie ein Bombardement beginnen sollen, werden sie vorsichtshalber gar nichts tun und stattdessen nach Prime zurückkehren, um diese Entscheidung ihren Vorgesetzten zu überlassen.«
Die Art, wie Marphissa die Mundwinkel verzog, verriet Iceni, dass sie genau wusste, dass sich dieses Konzept der strikten Disziplin nicht auf die Schlangen beschränkte. Allerdings war sie auch klug genug, den Mund zu halten.
»Geben Sie mir Bescheid, sobald C-625 die Einrichtung der mobilen Streitkräfte verlässt«, befahl Iceni und widmete ihr Interesse einer bestimmten Mailbox, die sich als unverändert leer entpuppte. Ihre Quelle in Drakons Nähe wusste nichts zu berichten, oder aber es war ihr angesichts der sich überstürzenden Ereignisse nicht möglich, sich durch die zahlreichen, komplexen Schritte zu arbeiten, die notwendig waren, um etwas an die Mailbox zu schicken, ohne dass sich nachvollziehen ließ, wer der Absender war. Oder aber ihre Quelle war enttarnt und von Drakon sprichwörtlich trockengelegt worden. Keine Nachrichten konnte bedeuten, dass es nichts zu befürchten gab, aber das genaue Gegenteil davon konnte ebenso gut der Fall sein.
Sie nahm Kontakt zu Drakon auf.
Drakons Rückmeldung benötigte aufreizend lange, aber dann meldete er sich endlich bei ihr. Er trug immer noch seinen Gefechtspanzer. Wollte er ihr damit irgendeine Botschaft übermitteln?
»Schön, dass es Sie auch noch gibt«, sagte er.
»Nett von Ihnen, das so zu formulieren. Es freut mich, dass Sie noch Zeit für mich finden, wo Sie doch so sehr damit beschäftigt sind, überall Ihre Kontrolle über den Planeten zu demonstrieren.«
Drakon lächelte flüchtig. »Es gab Angelegenheiten, um die wir uns kümmern mussten. Ich habe gehört, Sie haben ebenfalls gesiegt. Was ist mit Kolani?«
»Tot.«
»Das macht alles etwas einfacher.«
»Ja«, pflichtete sie ihm bei. »Da Hardrad auch tot ist, haben wir die Zahl der CEOs in diesem Sternensystem halbieren können.«
Seine Miene nahm einen härteren Ausdruck an. »Wollen Sie damit andeuten, dass es ein nochmaliges Halbieren geben sollte?«
»Das ist nicht mein Wunsch.«
»Mir ist durchaus bewusst, dass Sie mich jetzt nicht mehr brauchen, nachdem der Planet von den Schlangen befreit worden ist. Sie haben die Vereinbarung mit Black Jack getroffen, und Sie kontrollieren die mobilen Streitkräfte. Ich kann Ihnen nichts tun, aber Sie können mir den ganzen Tag lang Steine auf den Kopf werfen. Tun wir bitte nicht so, als würde es sich anders verhalten.«
Sekundenlang musterte sie Drakons Gesicht, ehe sie entgegnete: »Jeder von uns hatte seine eigenen Gründe für diese Rebellion gegen die Syndikatwelten.«
»Wir hatten keine andere Wahl, nachdem der Befehl für Hardrad eingegangen war, er solle unsere Loyalität überprüfen. Wir mussten zusammenarbeiten, sonst wäre es in diesem Sternensystem genauso zu einem Bürgerkrieg gekommen wie in so vielen anderen Systemen. Wir konnten nur von Glück reden, dass wir mit unserer Planung so weit fortgeschritten waren.«