Die Tür ging auf, und Drakon trat ein, ihm folgten zwei Soldaten. Togo, der bereits an dem glänzenden Konferenztisch saß, raunte subvokal etwas in ein Mikrofon, was Iceni auf ihrem eigenen Empfänger deutlich hören konnte. »Bran Malin und Roh Morgan. General Drakon hat ihren Dienstgrad vom Sub-CEO in den eines Colonels verändert. Sie sind seine engsten und vertrauenswürdigsten Berater.«
Drakon nickte Iceni zu. »Alle Leibwächter sind draußen geblieben? Gut. Haben Sie etwas gegen die Anwesenheit meiner beiden Adjutanten einzuwenden?«
»Nicht, wenn Sie mit meinem Assistenten als Teilnehmer einverstanden sind«, erwiderte Iceni, kehrte zum Tisch zurück und setzte sich zu Togo. Verstohlen musterte sie Drakons Adjutanten. Im Gegensatz zu Togo, der sich körperlich in Bestform befand und mit seinen fünfzig Standardjahren sehr erfahren war, kamen ihr Malin und Morgan deutlich jünger vor; vielleicht Ende zwanzig, höchstens Anfang dreißig. Auf jeden Fall wirkten beide etwa gleich alt, ihre selbstbewusste Ausstrahlung war die von Leuten, die ihren Job zu erledigen verstanden, aber das nicht an die große Glocke hängten.
Die Tür schloss sich hinter Drakon, darüber erwachte eine Reihe von blinkenden grünen Lichtern zum Leben, die anzeigten, dass alle Sicherheitssysteme aktiviert worden waren, die ein Eindringen ebenso verhinderten wie ein heimliches Mithören. Er setzte sich Iceni gegenüber hin, seine Colonels nahmen links und rechts von ihm Platz.
»Das ist der aktuelle Stand der Dinge«, begann er ohne irgendwelche Vorrede. »Ich habe die Oberfläche unter Kontrolle, außerdem wurde mir die Kontrolle über sämtliche wichtigen Einrichtungen außerhalb des Planeten bestätigt. Meine Leute führen immer noch Durchsuchungen durch, um sicherzustellen, dass sich auf den Inseln nicht noch irgendwo Schlangen versteckt halten. Bis wir damit fertig sind und bis wir Gewissheit haben, dass die Bevölkerung sich beruhigt hat, kann ich nicht viele Leute erübrigen. Die Haupteinrichtung der mobilen Streitkräfte nahe dem Gasriesen untersteht meiner Kontrolle, aber da wagt sich niemand zu rühren, weil sie der Meinung sind, dass die mobilen Streitkräfte noch immer von den Schlangen kontrolliert werden.«
»Das passt zu den Nachrichten, die ich vom Schweren Kreuzer C-625 empfangen hatte«, gab Iceni zurück. »Es ist möglich, dass die dortigen Kriegsschiffe, also ein Leichter Kreuzer und drei Jäger, immer noch von ihren eigenen Offizieren befehligt werden. Aber die Schlangen werden jetzt wachsam sein, und es dürfte nicht leicht sein, sie zu überwältigen.«
»Werden sie die Einrichtung ausschalten?«
»Das glaube ich nicht«, sagte sie. »Sie ist für jeden, der dieses Sternensystem kontrolliert, sehr wertvoll, außerdem haben sie von keinem Vorgesetzten einen solchen Befehl erhalten. Meiner Meinung nach werden sie sich in Kürze auf den Weg zum Hypernet-Portal machen, um der Regierung auf Prime davon zu berichten, was sich hier abspielt.«
Drakon verzog unzufrieden den Mund. »Und Sie haben auch noch zwei Kreuzer verloren?«
Dieser Stich schmerzte. »Ich habe einen Kreuzer verloren, Kolanis Flaggschiff C-990. Sie hatte das Schiff sabotiert. Die C-818 hat schwere Schäden am Hauptantrieb davongetragen, aber es sind bereits Einheiten unterwegs, die das Schiff abschleppen sollen, damit es repariert werden kann. Wir werden also vier Schwere Kreuzer zur Verteidigung dieses Sternensystems haben.« Erst als sie diese Worte ausgesprochen hatte, wurde Iceni bewusst, wie armselig sich das doch anhörte.
Aber bevor sie oder sonst jemand reagieren konnte, merkte Colonel Malin an: »Das ist zwar nicht viel, doch wenn man es ins Verhältnis zu allem setzt, was hier draußen sonst noch verfügbar ist, dann ist es beim Kampf gegen die Regierung auf Prime schon eine beträchtliche Streitmacht.«
»Den letzten Kreuzer können Sie nicht irgendwie zu fassen bekommen, oder? Ich meine die C-625«, fragte Drakon.
»Die C-625 steht eineinhalb Lichtminuten von uns entfernt, General«, erwiderte sie. »Haben Sie eine Ahnung, wie viele Milliarden Kilometer das sind?«
»Ich bin genug Kilometer gelaufen, um zu wissen, wie lange ein einzelner Kilometer ist«, konterte Drakon in einem etwas schneidenderen Tonfall. »Das richtige Manöver ist nur eine Frage der Planung und der eigenen Fähigkeiten, den Gegner zu überlisten.«
Iceni lächelte ihn humorlos an. »Ich wünschte, Gefechte im All wären genauso simpel wie ein Bodenkampf.«
»Simpel?« Sieh mal an, sie hatte offenbar einen wunden Punkt angesprochen, da er ihr unverhohlen einen zornigen Blick zuwarf. »Ich bin davon überzeugt, dass im All alles immer ganz sauber und steril ist, schließlich können Sie da Ihren Gegner unter Beschuss nehmen, ohne jemals sein Gesicht zu erblicken, vom Blut und von den Leichen einfach mal abgesehen. Aber im Morast ist es anders … und schwieriger.«
Bilder vom Albtraum an Bord der C-990 zuckten vor Icenis geistigem Auge vorbei. Zu ihrem Erstaunen blieb ihre Stimme dennoch recht ruhig, als sie konterte: »Es ist gut möglich, dass Sie die Wirkung eines Kriegs in der Lautlosigkeit ganz erheblich unterschätzen.«
Etwas in ihrem Tonfall ließ Drakon aufmerksam werden. Er schraubte seinen Ärger spürbar zurück, während er Iceni eindringlich musterte. »Haben Sie da oben viele Leute verloren?«
»Nein, ausgenommen die auf der C-990.«
In neutralem Tonfall warf Togo ein: »An Bord der C-990 gab es keine Überlebenden. Alle sind bei internen Kämpfen ums Leben gekommen.«
»Interne Kämpfe?« Drakon nickte bedächtig. »Das muss sehr hässlich gewesen sein. Na gut. Wir haben also vier Schwere Kreuzer und einige leichtere Einheiten. Ich habe genügend Streitkräfte, um den Planeten zu kontrollieren, und das wird sich noch bessern, wenn ich erst einmal alle lokalen Truppen auf den neuesten Stand gebracht habe. Das kann ich jetzt ja alles machen, ohne befürchten zu müssen, ich könnte irgendwelche hundert Lichtjahre entfernten CEOs vor den Kopf stoßen.«
Iceni bekam sich wieder in den Griff und aktivierte eine Darstellung der um Midway gelegenen Region des Alls. »Laut unseren neuesten Informationen gibt es in einigen umliegenden Sternensystemen noch ein paar mobile Streitkräfte. Ich werde einzelne Jäger in diese Systeme schicken, damit sie diesen Kriegsschiffen eine Einladung aussprechen, sich uns anzuschließen. Nach dem neuesten Stand finden sich solche Einheiten in den Systemen Taroa, Kahiki und Lono.«
»Nichts bei Kane, Laka, Maui oder Iwa?«, ergänzte Drakon die restlichen vier Syndikat-Systeme, die von den Sprungpunkten bei Midway zu erreichen waren. Eben die von hier aus direkt ansteuerbare große Zahl an Sternen hatte dem System den Namen Midway gegeben.