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Drakon musste nicht nach dem achten Stern fragen, der auch noch in Sprungreichweite lag, denn Pele war vor langer Zeit der fremdartigen Enigma-Rasse überlassen worden. Jedes Syndikat-Schiff, das seitdem Kurs auf das System genommen hatte, galt inzwischen offiziell als verschollen.

»Nicht, dass uns darüber etwas bekannt wäre«, antwortete sie. »Die Kriegsschiffe, die wir nach Taroa, Kahiki und Lono schicken, werden uns Bericht erstatten, wie die Lage in diesen drei Systemen ist und was man dort über andere Systeme weiß. Sobald sie zurückgekehrt sind, schicke ich sie zu den übrigen benachbarten Sternensystemen.«

»Ein guter Plan«, urteilte Drakon.

Iceni sah ihn an und dachte über ihren nächsten Zug nach. Auch wenn sie gemeinsam der Rebellion den Weg geebnet hatten, wusste keiner von ihnen viel Persönliches über den jeweils anderen. Die Abstimmung hatte aufgrund der widrigen Umstände so knapp wie möglich ausfallen müssen, wobei sie bei jeder Kommunikation und den seltenen persönlichen Treffen im Rahmen ihrer von der Syndikat-Regierung auferlegten Pflichten den Anschein hatten erwecken müssen, dass alles rein dienstlich war. Jede andere Verhaltensweise hätte ihre heimliche Zusammenarbeit erkennbar und die stets wachsamen Schlangen auf ihre Pläne aufmerksam machen können. Die offiziellen Aufzeichnungen kannten sie selbst nur zu gut, doch alles Inoffizielle war zweideutig gewesen. Sie kannte Drakons Gesicht, aber was in seinem Kopf vor sich gehen mochte, das war ein ganz anderes Thema. Und zweifellos erging es ihm mit ihr ganz genauso.

Daraufhin entschied sie, auf ein besonders heikles Thema zu sprechen zu kommen. Sie beugte sich vor und sagte zu Drakon: »Nachdem Sie meinen Vorschlägen für die mobilen Streitkräfte zugestimmt haben, würde ich gern etwas mehr darüber erfahren, was Ihre Leute derzeit machen. Wenn ich das richtig verstanden habe, werden die Familien der Schlangen in ihren Häusern von den Soldaten bewacht.«

»Das ist richtig.« Drakon sah sie ungerührt an. »Die Schlangen sind aus allen Komplexen entfernt worden, übrig sind nur ihre Angehörigen.«

»Was haben Sie mit ihnen vor, General?«

Drakon schwieg ein paar Sekunden lang, dann atmete er frustriert aus. »Darüber denke ich momentan noch nach.«

Colonel Morgan zu seiner Linken ließ keinen Zweifel an ihrer Missbilligung, obwohl sie weder mit der Wimper zuckte noch einen Ton von sich gab.

Schließlich setzte Togo dem Schweigen ein Ende. »Diese Familien werden hier im Sternensystem nirgendwo willkommen und damit auch nirgends ihres Lebens sicher sein.«

Einmal mehr war Drakons unterschwellige Verärgerung zu spüren. »Und was schlagen Sie vor?«

»Nun, es ist auf jeden Fall zu spät, um die Angelegenheit von den Bürgern für uns erledigen zu lassen …«

»Ich lasse Angelegenheiten nicht von einem anderen erledigen, nur damit ich mich nicht darum kümmern muss«, herrschte Drakon den Assistenten an.

Iceni ließ sich äußerlich keine Regung anmerken, während sie Drakon beobachtete. »Hierbleiben können sie nicht, und keiner von uns beiden ist bereit, einen Massenmord an Familien zu begehen. Damit bleibt nur ein Ausweg. Wir setzen sie in ein Schiff und schicken sie woandershin. Zum Beispiel nach Prime.«

Nun meldete sich Morgan zu Wort: »Dafür sollen wir ein Schiff vergeuden? Das Schiff sehen wir doch niemals wieder!«

»Das ist anzunehmen«, sagte Togo. »Dieser Weg ist für uns mit Kosten verbunden.«

»Die werden sich alle rächen wollen«, beharrte Morgan. »Wenn man ein Schlangennest vernichtet, dann tötet man alle Schlangen, sonst werden sich die Jungen und andere Überlebende eines Tages an einen heranschleichen, um Vergeltung zu üben.«

»Diesen Weg werden wir nicht in Erwägung ziehen«, widersprach Drakon.

Iceni nickte. »Das sehe ich auch so.«

»General …«, setzte Morgan erneut an.

»Das wäre dann alles!«, unterbrach Drakon sie energisch.

Als Morgan sich zurücklehnte, war ihr Gesicht ausdruckslos. Colonel Malin beugte sich leicht zu Iceni vor. »Ich glaube, der Vorschlag mit dem Schiff ist unsere beste Option, vor allem wenn wir die Angehörigen der Schlangen vor ihrer Abreise noch mit unserer militärischen Stärke beeindrucken. Die C-625 wird die Nachricht von den Verhältnissen hier im System mitnehmen. Wenn wir warten, bis der Kreuzer sich tatsächlich auf den Weg gemacht hat, könnten wir bei den Familien den Eindruck erwecken, dass unsere mobilen Streitkräfte bereits Verstärkung erhalten haben und dass wir viel stärker und schlagkräftiger als die anderen sind. Wenn sie diese Informationen mitbringen, wird man sie auf Prime glauben.«

»Gezielte Fehlinformationen?«, fragte Iceni. »Unter dem Deckmantel einer humanitären Hilfsaktion? Mir gefällt Ihre Denkweise, Colonel.«

Togo machte eine zustimmende Geste. »Ein Handelsschiff wäre ein vertretbarer Preis dafür, die Regierung des Syndikats in die Irre zu führen.«

Unausgesprochen blieb eine Tatsache, die ihnen allen bewusst war. Da sich so viele Sternensysteme gleichzeitig lossagten, musste die Regierung auf Prime Prioritäten setzen, und auf der Liste der Systeme, die es zurückzuerobern galt, stand Midway mit dem Hypernet-Portal und den Sprungpunkten zu so vielen anderen Systemen sowie mit der Verbindung zum von der Enigma-Rasse besetzten Territorium sehr weit oben. Die Frage war nicht, ob Prime eine Streitmacht herschicken würde, um das System wieder einnehmen, es war vielmehr nur eine Frage der Zeit.

»Klingt so, als wären wir uns dann einig. Arbeiten Sie mit dem Stab von CEO Iceni zusammen den Plan aus«, wies Drakon Malin an.

»Präsidentin Iceni«, korrigierte sie ihn lächelnd.

»Präsidentin?«, wiederholte Drakon und musste selbst ebenfalls lächeln. »Was genau bedeutet das?«

»Was immer ich will, dass es bedeutet.«

»Gut«, sagte er und machte einen erfreuten Eindruck. »Hauptsache, wir lassen aus der Zeit des Syndikats so viel wie möglich hinter uns.«

Colonel Malin stützte sich auf dem Tisch ab, dann sah er zwischen Iceni und Drakon hin und her. »Das bringt uns zu einem Thema, über das wir jetzt reden sollten, bevor wir in Zugzwang geraten. Wir haben alle die Menschenmengen gesehen. Momentan sind die Leute alle in Feierlaune. Die von uns ergriffenen Maßnahmen haben die Ordnung gewahrt. Aber morgen werden diese Leute verkatert aufwachen, in die Sonne blinzeln und sich die Frage stellen, was sich denn nun eigentlich verändert hat.«

Morgan demonstrierte erneut Missfallen, und auch jetzt musste sie dafür weder eine Miene verziehen noch einen Laut von sich geben.

»Was schlagen Sie vor?«, wollte Iceni wissen.

Mit einer ausholenden Geste deutete er auf die Menschenmengen, die draußen auf den Straßen unterwegs waren. »Wir alle wissen, wie schlecht es uns unter der Regierung der Syndikatwelten ergangen ist. Nur diejenigen, die ganz oben waren, konnten davon profitieren. Die breite Masse der Bürger kannte das Gefühl nicht, Kontrolle über das eigene Leben zu haben. Der Wunsch nach Sicherheit war der vorrangige Grund, warum man sich der Regierung unterworfen hat. Aber selbst das ging nur so weit, wie es unbedingt nötig war. Muss ich die geschätzten Zahlen für Verluste durch Korruption und Verschwendung zitieren? Muss ich darauf hinweisen, wie ineffizient und unproduktiv viele unserer Fabriken sind? Wenn dieses Sternensystem profitabel werden soll, dann müssen wir die Bürger davon überzeugen, dass sie an diesem Profit teilhaben werden.«

Iceni lächelte ihn höflich, aber frostig an. »Ich habe nicht vor, dem Mob die Macht zu überlassen.« Daraufhin ließ Colonel Morgan Zustimmung erkennen, aber auch diesmal wieder dermaßen unterschwellig, dass es fast nicht zu bemerken war.

»Wir müssen die Kontrolle behalten«, stimmte Malin ihr zu. »Aber unter uns befinden sich noch etliche Ebenen. Ganz unten sind die Wachoffiziere, die Ratsmitglieder und die Bürgermeister. Wir könnten ihnen anbieten, diese Posten durch echte Wahlen besetzen zu lassen.«