Eine Frau aus der Gruppe der Arbeiter war aber entweder besonders mutig, oder aber in Panik geraten, auf jeden Fall schlug sie mit ihrer Hand auf die Notfall-Taste, noch bevor einer der Kommandosoldaten sie daran hindern konnte. Im nächsten Moment wurde ihr Kopf brutal herumgeschleudert, da sie mit dem Griff einer Waffe geschlagen wurde, woraufhin sie ohnmächtig zu Boden sank. Dass sie noch lebte, verdankte sie einzig Drakon, der befohlen hatte, die Arbeiter nur dann zu töten, wenn es wirklich unvermeidbar war.
Rote Lampen begannen zu blinken, Alarmsirenen dröhnten los und ließen jeden in der Orbitaleinrichtung wissen, dass etwas nicht stimmte. »Los! Los!«, brüllte Morgan ihre Kommandosoldaten an, die sofort zu rennen begannen und ihren schleichenden Schritt aufgaben.
Malins Sektion sprengte den rückwärtigen Ausgang auf und eröffnete sofort das Feuer auf einen Wachmann, der ihnen entgegengelaufen kam. Die zahlreichen Treffer rissen ihn hin und her, bis er gegen die Wand geworfen wurde und langsam zu Boden sank.
Aus einem der Kasernenräume kamen Soldaten gestürmt, aber auch die gerieten in das mörderische Sperrfeuer von Malins Leuten. Mindestens einer von ihnen versuchte durch den Notausgang zu entkommen, machte dort aber die fatale Bekanntschaft mit einer Sprengladung, die Drakons Eindringlinge da platziert hatten.
Irgendwer hatte begriffen, dass Tarnanzüge zum Einsatz gekommen waren, und im nächsten Augenblick wurde ein feiner Nebel in die Räume und Korridore aller wichtigen Bereiche gesprüht. Aber die Kommandosoldaten hatten bereits alle maßgeblichen Stellen auf der zivilen Seite der Einrichtung unter ihre Kontrolle gebracht, und bevor sich der Nebel so weit hatte verbreiten können, dass er Wirkung zu zeigte, waren Morgans Einheiten längst in das militärische Kommandozentrum vorgedrungen und hatten alle dort Dienst tuenden Soldaten getötet.
Morgan ging mit unerbittlicher Geschwindigkeit vor, wobei sie zwei Soldaten nahe dem Eingang zu Duns Quartier so schnell tötete, dass beide noch nicht zu Boden gesunken waren, als sie bereits die Tür erreicht hatte. Ein Kommandosoldat brachte eine Sprengladung an, dann gingen sie alle zu beiden Seiten in Deckung. Die Ladung explodierte, riss die Tür aus ihren Angeln und zerstörte zugleich alle Verteidigungsmechanismen, die möglicherweise im Türrahmen untergebracht gewesen waren.
Drakon sah mit an, wie Malin sich beeilte, um Morgans Position zu erreichen, während die mit ihren Leuten in Duns Quartier vorrückte. Malin hatte es ebenfalls eilig. Aber wieso? Wollte er Duns Tod? Oder wollte er sie retten, um sie verhören zu können, ehe Morgan bei ihr war und sie tötete?
Auch die innere Tür wurde mit einer Sprengladung aus dem Weg geräumt, dann hatte Morgan das letzte Hindernis überwunden und ließ ihre Waffe nach Zielen suchen.
In der Zwischenzeit hatten Malin und die ihn begleitenden Soldaten den hinteren Bereich des Quartiers erreicht und sprengten sich von dort kommend den Weg frei.
Morgan feuerte eine Salve auf Duns Bett ab, dann folgte je ein Schuss auf jede Schranktür, die sie gleich darauf von den Kommandosoldaten aufreißen ließ. »Niemand hier«, ertönte ein Ruf.
Das von Morgans Anzug übertragene Bild wackelte kräftig hin und her, als sie sich in Duns Schlafzimmer um die eigene Achse drehte und dann vor dem Teil einer Wandverkleidung anhielt, der neuer aussah als die Flächen links und rechts davon. »Dort!« Zwei Schüsse konnten das Hindernis nicht durchdringen, aber eine letzte Sprengladung riss ein Loch in die getarnte Panzertür.
Morgan, die ein Stück weit daneben gegen die Wand gedrückt dagestanden hatte, war noch im Begriff sich umzudrehen, als Dun auftauchte und ihre Waffe auf Morgan richtete. Drakon konnte die Szenen aus etlichen Blickwinkeln beobachten, aber nichts unternehmen. Für Sekunden schien es so, als würde die Zeit unendlich langsam vergehen, während Morgan versuchte, ihre Waffe hochzunehmen und zu zielen. Gleichzeitig begann Dun den Abzug durchzudrücken. Morgans Kommandosoldaten sahen sich mit dem Dilemma konfrontiert, dass Morgan selbst ihnen die Schusslinie versperrte.
Als Malin mit seinen Leuten in den Raum geplatzt kam, war dessen Waffe bereits auf Morgans Rücken gerichtet.
»Nein!«, schrie Drakon außer sich, als Malin abdrückte.
»Wieso?« Drakons Blick war auf Malin gerichtet, der in Habtachtstellung vor ihm stand.
»Dun musste gestoppt werden, bevor sie irgendeinen Mechanismus aktivieren konnte«, antwortete Malin, dessen Tonfall so ausdruckslos war wie sein Gesicht.
»Das war Morgans vorrangige Aufgabe, und das wussten Sie.«
»Meine Einschätzung dieser Situation war, dass sie Unterstützung benötigte.«
»Glauben Sie, diese Entschuldigung ist hieb- und stichfest?« Drakon brüllte ihn fast an.
»Sir, Sie haben uns selbst dazu aufgefordert, dass wir uns von unserer Einschätzung einer Situation leiten lassen sollen …«
»Verdammt, Malin, wäre der Schuss nur um den Bruchteil eines Millimeters versetzt gewesen, hätten Sie Morgan den Kopf weggeschossen, aber nicht Dun getroffen! Warum zum Teufel sind Sie ein solches Risiko eingegangen? Oder war das Absicht? Sie wussten, wenn Dun erst mal auf Morgan feuert, bleibt ihr keine Zeit für einen zweiten Schuss, weil sie dann bereits von den Kommandosoldaten durchsiebt wird. War das die perfekte Gelegenheit, um Ihren Streitigkeiten mit Morgan ein Ende zu setzen, indem Sie ihr ›versehentlich‹ bei einem Feuergefecht den Kopf wegblasen?« Drakon war jetzt noch lauter geworden. »Wenn Sie so sehr auf ihren Tod aus waren, warum haben Sie das nicht von Dun erledigen lassen? Oder hatten Sie Angst, sie könnte ihr Ziel verfehlen?«
Malin war bleich, aber er antwortete mit fester Stimme: »Ich … General Drakon …«
»Ja oder nein? Haben Sie versucht, Morgan zu töten?«
»Nein!« Seine Stimme wurde auf einmal brüchig. »Nein«, wiederholte er leiser. »Sie … ich wusste, dass Morgan Dun töten wollte. Ich dachte nur … sie … sie braucht Hilfe …«
Drakon kehrte zu seinem Platz zurück und setzte sich hin, während er Malin wütend ansah. »Verdammt, Bran. Sie waren besorgt, dass Morgan etwas zustoßen könnte? Das ist Ihr Argument?«
»Ja, Sir.«
»Würde ich Sie nicht kennen und hätte ich nicht schon tausendmal erlebt, wie professionell und zuverlässig Sie sind, dann würde ich Ihnen kein Wort glauben. Es fällt mir immer noch schwer, Ihnen zu glauben.« Er atmete wutschnaubend aus. »Ihr Schuss hätte sie mühelos töten können, aber wenn Sie nicht geschossen hätten, wäre Morgan jetzt wahrscheinlich tot. Ich hoffe, Sie erwarten von ihr keinen Dank dafür.«
»Colonel Morgan hat in dieser Hinsicht bereits deutlich zu verstehen gegeben, was sie denkt«, erwiderte Malin.
»O ja. Sie können von verdammt viel Glück reden, dass ich mich zugeschaltet hatte und den Widerruf aktivieren konnte, um ihren Tarnanzug erstarren zu lassen. Ansonsten hätte sie Sie sofort getötet. Wieso, Bran?«
»Ich habe nicht versucht, Morgan zu töten, Sir. Sie können mich in einen Verhörraum setzen, der mit Lügendetektoren vollgestopft ist, und ich werde Ihnen die gleiche Antwort so oft geben, wie Sie sie hören wollen. Es ist die Wahrheit.«
Drakon sah dem Mann in die Augen. »Wenn ich Sie in so einen Raum setze und Sie frage, warum Sie sich so beeilt haben, Morgan einzuholen, was würden Sie denn dann antworten?«
Malin zögerte kurz. »Um … um zu verhindern, dass sie getötet wird, Sir.«
»Sie beide hassen sich.«
»Ja, Sir.«
»Und? Läuft da irgendwas Krankes zwischen Ihnen und Morgan?«
Wieder wurde Malin bleich und schüttelte fast angewidert den Kopf. »Zwischen mir und Morgan läuft nichts von dieser Art!«