»Einige unserer Truppen befinden sich in einem höheren Alarmzustand, als ihn die Situation erforderlich macht, General«, erwiderte Malin zögerlich.
»Sie kennen den Grund dafür. Ich muss reagieren können, wenn wir erfahren, dass Präsidentin Iceni sich bereit macht, um gegen mich vorzugehen.«
»Sehr wahrscheinlich ist wiederum sie besorgt, dass der erhöhte Alarmzustand bedeuten könnte, Sie wollen Ihrerseits gegen sie vorgehen, Sir.«
»Wollen Sie mich davon überzeugen, den Alarmzustand aufzuheben? Das würde ihr aber erheblich mehr Spielraum verleihen.«
»Sie kennen meine Einschätzung, Sir«, sagte Malin. »Ich bin davon überzeugt, dass Präsidentin Iceni bereit ist, eine Partnerschaft mit Ihnen einzugehen, und dass sie nur gegen Sie vorgehen wird, wenn sie glaubt, dass Sie einen Schlag gegen sie vorbereiten.«
»Sie haben sich in Ihren Einschätzungen auch schon mal geirrt. Ich werde drüber nachdenken. Außerdem mache ich mir Sorgen, dass noch mehr von der Art einer Colonel Dun auftauchen könnten. Ich weiß, wir können Colonel Kai, Colonel Rogero und Colonel Gaiene vertrauen, aber bei den Angehörigen der lokalen Streitkräfte ist das eine andere Sache.«
»Colonel Morgan durchleuchtet sie alle, so wie Sie es angeordnet haben«, entgegnete Malin. »Sie ist gründlich und extrem misstrauisch. Es ist nicht anzunehmen, dass sie etwas übersieht.«
Dieser Auftrag sorgte für den Augenblick dafür, dass sie und Malin sich nicht zu oft über den Weg liefen. Drakon nickte zustimmend. »Wenn mir Morgans Bericht vorliegt, werde ich eine Entscheidung fällen. Haben wir eigentlich irgendetwas in Erfahrung bringen können, was diese Übermittlung enthielt, die Colonel Dun noch unmittelbar vor ihrem Tod absetzen konnte?«
»Nein, Sir. In Duns Ausrüstung fand sich nichts, was wir noch hätten retten können. Wir wissen, dass die Nachricht den Kreuzer zum Ziel hatte, den die ISD-Agenten übernommen haben, aber vor dem Durchfliegen des Hypernet-Portals wurde die Mitteilung nicht an noch jemanden auf dem Planeten weitergeleitet.«
Was hatte Dun bloß den Schlangen auf diesem Kriegsschiff mitgeteilt? Was war so wichtig, dass Dun es noch unbedingt hatte senden wollen, obwohl ihr das bevorstehende Ende bewusst gewesen sein musste? Der Gedanke daran weckte zugleich Erinnerungen an das Bild, wie Malin scheinbar auf Morgans Rücken zielte, und darüber wollte Drakon jetzt nun wirklich nicht nachdenken. »Geben Sie mir Bescheid, wenn sich irgendein Hinweis auf den Inhalt dieser Übermittlung findet.«
»Vielleicht hat Präsidentin Iceni ja eine Idee, was es mit dieser Nachricht auf sich hatte«, gab Malin zu bedenken. »Sie steht in ständiger Verbindung mit den mobilen Streitkräften und hat Erfahrung darin, sie zu befehligen.«
»Das wäre möglich«, räumte Drakon, lehnte sich zurück und rieb sich die Augen. »Ich habe keinen Sinn darin gesehen, ihr von der Nachricht zu berichten, solange ich keine Ahnung habe, was sie enthalten hat. Und den mobilen Streitkräften traue ich sowieso nicht bedingungslos. Vielleicht bereitet das ja Präsidentin Iceni irgendwelche Probleme. Macht sie sich Sorgen wegen der Loyalität ihrer Kriegsschiffe? Wenn mehr von ihnen dem Beispiel dieses Kreuzers folgen, dann könnte es für uns alle schlecht aussehen, und es würde zudem ihre Position mir gegenüber schwächen.«
»Ich werde sehen, was ich herausfinden kann«, sagte Malin.
»Was ist mit ihrem Assistenten? Diesem … Togo. Könnte er der Grund für ihre Unruhe sein?«
»Er steht sehr loyal zu ihr, und er ist sehr gefährlich, Sir. Extrem wertvoll für Präsidentin Iceni und zudem eine ihrer wirkungsvollsten Waffen.«
»Tatsächlich?« Togo war ihm von den Besprechungen eigentlich als völlig harmlos in Erinnerung, aber ein echter Profi legte natürlich auch Wert darauf, von anderen unterschätzt zu werden. »Ist er käuflich?«
»Das bezweifle ich, aber ich kann über Dritte unauffällig Nachforschungen in dieser Richtung anstellen lassen.«
Wenn Togo nicht käuflich war und er für Iceni eine so wichtige Person darstellte, würde Drakon ihn ebenfalls aus dem Weg räumen müssen, falls er gezwungen sein sollte, gegen Iceni vorzugehen. »Ist er jemand, mit dem Sie und Morgan nicht zurechtkommen würden, falls wir irgendwelche Schritte einleiten müssten?«
»Es würde mir nicht behagen, allein gegen ihn vorzugehen. Morgan könnte ihn wohl allein erledigen, aber es wäre selbst für sie eine Herausforderung. Allerdings muss ich dringend von einem solchen Zug abraten. Togo auszuschalten, wäre eine Kriegserklärung an Präsidentin Iceni. So etwas dürfte sie zu einem sofortigen Schlag gegen jeden veranlassen, der ihrer Meinung nach dafür verantwortlich sein könnte.«
»Läuft da was zwischen den beiden?«
»Nein, Sir. Eine rein professionelle Beziehung zwischen CEO und Untergebenem.«
»Sie wissen, was alles darunter fallen kann, Bran.« Nach Beendigung des Gesprächs dachte Drakon weiter über Iceni und Togo nach. Was kümmerte es ihn, ob sie Togo benutzte, um ihre körperlichen Bedürfnisse zu befriedigen? So was kam bei CEOs immer wieder vor. Aber ihm hatte diese Vorstellung nie behagt, weil so etwas seiner Ansicht nach nur zu Missstimmung führen konnte. Praktisch jede Frau, die er kennenlernte, arbeitete gleichzeitig auch für ihn, und bei denen, die das nicht taten, konnte nicht ausgeschlossen werden, dass sie als Attentäterinnen für irgendwen anders unterwegs waren. Es war schon viel zu lange her, und das verstärkte nur den Druck, den seine Arbeit ihm bereitete. Vielleicht macht das Gleiche ja auch Iceni zu schaffen. Vielleicht ist es bei ihr auch schon eine Weile her. Zu schade, dass sie und ich nicht … O ja, sicher. Zwei CEOs zusammen im Bett! Und wer entscheidet, wer oben liegt?
Obwohl er diesen Gedanken schnell wieder verwarf, kehrte er beharrlich in sein Bewusstsein zurück, bis Drakon es verärgert aufgab und beschloss, etwas für seine körperliche Fitness zu tun. Bevor er sein Büro verließ, hielt er jedoch inne und dachte kurz nach. Dann erledigte er noch eine Sache: »Colonel Malin, geben Sie an alle Befehlshaber der verschiedenen Einheiten unserer Bodenstreitkräfte weiter, dass sie unverzüglich auf Alarmstufe vier zurückkehren sollen.«
Damit sendete er Iceni ein unmissverständliches Friedensangebot. Jetzt blieb abzuwarten, wie sie darauf reagieren würde.
»General Drakon, wir haben von Präsidentin Icenis Büro die Zugangscodes erhalten, die es uns ermöglichen, uns bei den Einheiten der mobilen Streitkräfte im Sternensystem einzuklinken und deren Bereitschaftsstatus zu beobachten.«
Dann hatte sie also auf seine Geste reagiert. Beide hatten sie noch immer ihre Waffen, aber all diese Waffen waren in ihrer Einsatzbereitschaft heruntergefahren worden. Gerade wollte er sich ein wenig entspannen, da machten ihn Malins nächste Worte schon wieder nervös. »Sie sollten auch wissen, dass Colonel Morgan von ihrer jüngsten Inspektions- und Erkundungsreise zurückgekehrt ist«, fuhr Malin fort, dessen Gesichtsausdruck und Tonfall extrem neutral waren. »Ich glaube, Sie können in nächster Zeit mit ihr rechnen«, fügte er dann noch an, ehe er das Gespräch beendete.
Na, großartig. Und was hat Morgan nun wieder herausgefunden? Ist sie auf eine weitere Colonel Dun gestoßen? Falls ja, warum sollte sie dann aber bis zu ihrer Rückkehr damit warten, mir das zu sagen? Das wäre genau eines dieser Probleme, auf die Morgan üblicherweise sofort und meist mit einer tödlichen Waffe reagiert. Seufzend lehnte er sich zurück und wartete, dass sie zu ihm kam.
Wie von Malin vorausgesagt, musste er nicht lange warten.
Zwar riss Morgan nicht die Tür zu seinem Büro auf, was aber nur daran lag, dass sie wusste, mit einem derart dramatischen Auftritt bei Drakon keinen Eindruck schinden zu können. »Wie lange hat Rogero schon mit den Schlangen zusammengearbeitet?«