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Sie schüttelte den Kopf. »Nein, General Drakon. Sie müssen sich keinem Verhör unterziehen, um mich von Ihren Worten zu überzeugen. Sie würden dieses Angebot ohnehin nicht machen, wenn Sie nicht genau wüssten, dass Sie einen solchen Test bestehen. Was ist der zweite Grund für Ihren Besuch?«

Er schluckte und biss sich auf die Lippe, dann sagte er: »Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen.«

»Sie möchten … was?«

»Mich entschuldigen«, wiederholte er. Auch diesmal schien es ihm Schwierigkeiten zu bereiten, das Wort auszusprechen.

Kein Wunder. Iceni hatte Mühe zu glauben, dass sie ihren Ohren trauen konnte. Entschuldigungen unter CEOs kamen so selten vor, dass sie sich nicht daran erinnern konnte, wann sich das letzte Mal jemand bei ihr entschuldigt hatte. Oder allein wann sie das letzte Mal mitbekommen hatte, dass sich jemand anderes bei einem entschuldigte. War »selten« überhaupt die richtige Bezeichnung für etwas, das sich nach ihrer eigenen Erfahrung eigentlich nie ereignete? »Haben Sie … haben Sie mir etwas getan?«

»Nicht absichtlich.« Er atmete tief durch und sah ihr wieder in die Augen. »Ich habe versäumt, Ihnen etwas zu sagen, das Ihnen hätte helfen können zu erkennen, dass dieser Jäger ein Problem darstellte. Als wir Colonel Dun außer Gefecht setzten, gelang es ihr noch, eine Nachricht an den vom ISD kontrollierten Kreuzer zu schicken, bevor der das Hypernet-Portal durchflog. Es ist uns nicht gelungen herauszufinden, was diese Nachricht enthielt, und wir dachten, es ist wohl nur ein Bericht über die aktuelle Situation. Vielleicht eine Mitteilung an ihre Vorgesetzten bei den Schlangen, dass sie die Attacke nicht überleben würde und man ihre Familie gehen lassen solle. Irgendetwas in dieser Art. Mir wurde dazu geraten, Sie davon in Kenntnis zu setzen. Aber ich hielt es nicht für wichtig.«

Iceni musterte ihn fragend. »Und nun glauben Sie zu wissen, was diese Nachricht enthielt?«

»Ich glaube, es war eine Mitteilung an den Kreuzer, dass Dun enttarnt worden war und dass jemand anders ihren Platz als verdeckte Schlange in unseren Reihen einnehmen müsse.«

»Oh.« Das klang überzeugend. »Dann haben die Schlangen auf dem Kreuzer ihre Komplizen auf dem Jäger angewiesen, die Offiziere und alle gegen die Syndikatwelten eingestellten Besatzungsmitglieder zu ermorden, um dann so zu tun, als würden sie sich von den Schlangen lossagen. Auf diese Weise konnten sie zu einem Teil unserer Pläne werden, und sie wurden entsprechend in alles einbezogen.« Sie nickte nachdenklich. »Ja, so könnte es abgelaufen sein.«

»Und auf diese Gedanken wären Sie womöglich früher gekommen«, fuhr Drakon schwer atmend fort, »wenn ich Ihnen von dieser Nachricht berichtet hätte. Deshalb … möchte ich mich … entschuldigen.«

»Aber wieso?«

»Ich hätte Sie über alles auf dem Laufenden halten sollen, anstatt zu entscheiden, was Sie erfahren müssen und was nicht. Ich möchte selbst nicht, dass ein anderer für mich entscheidet, was ich wissen muss oder auch nicht. Deshalb sollte ich mich Ihnen gegenüber so verhalten, wie ich selbst behandelt werden möchte.« Er schüttelte den Kopf und schien wütend zu sein, aber das war eindeutig nicht gegen sie gerichtet. »Ich werde versuchen, so etwas künftig zu vermeiden.«

Iceni sah ihn wortlos an. Drakon hatte sich tatsächlich soeben bei ihr entschuldigt, und zwar absolut ehrlich, nicht zähneknirschend oder halbherzig. Was sollte sie nun dazu sagen? Wenn Untergebene angekrochen kamen und sich entschuldigten, dann reichte die Palette der möglichen Antworten von »Sie sind gefeuert« über »Ich werde Sie erschießen lassen« bis hin zu »Wenn so was noch mal passiert, sind Sie gefeuert«, beziehungsweise »werde ich Sie erschießen lassen«. Nichts davon eignete sich für diese Situation. »Ich … ich verstehe.«

»Tatsächlich?« Drakon schien genauso unschlüssig zu sein, was die angemessene Antwort zu sein hatte.

»Ja, das … das war ein nachvollziehbarer … Irrtum. Ich … Ach, verdammt, warum haben wir keine geeigneten Begriffe für so was?«

»Weil wir die noch nie gebraucht haben«, sagte Drakon und klang amüsiert und verbittert zugleich.

»Vielleicht werden wir sie aber in Zukunft brauchen. Lassen Sie mich eines sagen: Ich bin mir nicht völlig sicher, dass ich diese Verbindung zwischen Duns Nachricht und dem Verhalten der HuK-6336 erkannt hätte. Nein, ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass es mir nicht aufgefallen wäre. Dennoch möchte ich über derartige Vorgänge Bescheid wissen, wenn sie sich zukünftig ergeben.«

»Das werden Sie auch.«

Es klang wie ein Versprechen. Falls dem so war, hatte sie jetzt die ideale Gelegenheit, Drakon auf die Probe zu stellen. »Gibt es sonst noch etwas?«

Er zögerte, und sie konnte ihm praktisch ansehen, wie sein Verstand rotierte. »Ich habe alle Befehlshaber der Bodenstreitkräfte durchleuchten lassen, ob sich irgendwo ein zweiter Colonel Dun versteckt hält, aber soweit ich das beurteilen kann, ist da alles in Ordnung.«

»Es freut mich, das zu hören.« Sie wartete.

»Ähm … Colonel Rogero. Über ihn wissen Sie ja Bescheid.«

»Ja.«

»Und ich weiß von vier überlebenden Schlangen und ihren Familien, die sich noch auf diesem Planeten aufhalten.«

Iceni starrte ihn verwundert an. »Würden Sie mir das bitte erklären?«

Das tat er, und als er fertig war, saß Iceni da und rieb sich das Kinn, um Zeit zu gewinnen, damit sie nachdenken konnte. Wieso hatte Togo das nicht herausgefunden, bevor sie es von Drakon erfahren musste? »Diese Schlangen stehen unter ständiger Beobachtung?«

»Rund um die Uhr.«

»Und wenn ich darauf bestehe, dass sie erschossen werden?«

Drakon reagierte mit einem zornigen Blick. »Ich habe ihnen versprochen, dass sie nicht getötet werden.«

»Verstehe.« Sie ließ sich verschiedene Alternativen durch den Kopf gehen, ehe sie den Mann wieder ansah. »Also gut, General. Sie sind für die verantwortlich. Wenn sie irgendwas tun oder mit irgendwem Kontakt aufnehmen, erwarte ich, dass Sie mich darüber informieren.«

»Das werde ich machen.«

»Haben Sie noch irgendwelche weiteren Überraschungen für mich auf Lager, General?«, fragte sie ihn schließlich.

Wieder folgte eine Pause, während er nachdenklich die Stirn in Falten legte. Würde er ihr von Malins Mordversuch an Morgan erzählen? Ihre Quelle hatte sie bereits mit allen Fakten versorgt, aber würde Drakon den Vorfall überhaupt erwähnen?

»Ja, eines noch. Es gab einen ernsten Zwischenfall in meinem Stab, aber das Problem ist jetzt gelöst.«

Das war mehr, als sie von ihm erwartet hätte. »Gut. Ich werde auch versuchen, Sie zukünftig auf dem Laufenden zu halten. Wären die Anschläge der letzten Nacht nur gegen Ihre Leute verübt worden, hätte das Ihren Verdacht sicher in meine Richtung gelenkt.«

Er verzog den Mund zu diesem typischen schiefen Lächeln. »Wenn Sie etwas gegen mich geplant hätten, dann wäre ich jetzt wahrscheinlich nicht mehr in der Lage, mich bei Ihnen zu beschweren.«

»Das haben Sie schön gesagt. Aber von nun an werden wir keine Geheimnisse mehr voreinander haben.«

»Natürlich nicht.« Drakon ahmte ihren Sarkasmus im Hinblick auf die Tatsache nach, dass man CEOs prinzipiell nicht über den Weg trauen durfte. Keiner von ihnen glaubte ernsthaft daran, dass es ab sofort nichts mehr gab, was der eine dem anderen verheimlichte.

Drakon verabschiedete sich und verließ das Büro, Iceni saß noch eine Weile da und starrte auf die Tür, die er hinter sich zugezogen hatte. Eine Entschuldigung und ein Versprechen, beides zumindest teilweise ehrlich gemeint. Verdammt, General, Sie gehen mit viel zu gutem Beispiel voran!