»Ich … vielen Dank, Madam Präsidentin.«
Iceni lächelte sie flüchtig an. »Danken Sie mir lieber erst, wenn Sie auch wissen, was ich in dieser Position alles von Ihnen erwarte.«
Morgan betrat Drakons Büro und machte einen verdächtig gut gelaunten Eindruck. Ehe die Tür hinter ihr zufallen konnte, folgte ihr Malin in den Raum. Das versetzte ihrer Laune zwar einen leichten Dämpfer, aber dann drehte sie sich zu Drakon um und grinste ihn breit an. »Sie müssen nur ein Wort sagen, dann ist sie tot.«
Drakon lehnte sich auf seinem Platz nach hinten und ließ sich Zeit mit seiner Antwort. »Sie reden von Präsidentin Iceni?«
»Richtig, Sir. Ich habe jemanden in ihrer unmittelbaren Nähe, der jederzeit zuschlagen kann. Und das Schöne ist, dass wir das sogar glaubhaft abstreiten können.«
Anstatt etwas darauf zu erwidern, wanderte Drakons Blick weiter zu Malin.
»Sie müssen sich zwei Fragen stellen, General«, sagte der. »Erstens: Vertrauen Sie der Agentin, die von sich behauptet, bereit zu sein, in Ihrem Auftrag zu handeln und …«
»Diese Agentin hat allen Grund, den Befehl auszuführen!«, unterbrach Morgan ihn.
»… und zweitens: Wollen Sie Icenis Tod? Welchen Nutzen wird es Ihnen bringen, und was würden Sie dabei verlieren?«
Angewidert schüttelte Morgan den Kopf. »Welchen Nutzen ihm das bringen wird? Jeder außer Ihnen kennt die Antwort auf diese Frage!«
Drakon hob eine Hand, um dem Hin und Her ein Ende zu setzen, dabei schaute er wieder zu Morgan: »Wie zuverlässig ist diese Agentin?«
»Ich habe die Fühler ausgestreckt, die Agentin hat reagiert, und wir haben den üblichen Tanz um den heißen Brei veranstaltet, um festzustellen, ob unsere Interessen deckungsgleich sind. Die Agentin kommt unmittelbar an Iceni heran«, betonte Morgan. »Und wenn die Agentin alles richtig arrangieren kann, dann muss sie nicht mal in diesem Sternensystem zuschlagen.«
»Die Agentin ist neu«, wandte Malin ein. »Wir haben nicht viele Informationen, auf die wir uns berufen können.«
»Wie haben Sie …?« Morgan schaute ihn finster an. »Wenn wir darauf warten, dass absolut alles perfekt ist, werden wir niemals etwas tun. Aber Iceni wird das machen. General, Sie wissen so gut wie ich, dass wir nicht unendlich lange dasitzen können, um auf eine Gelegenheit zu warten, die eine hundertprozentige Erfolgsgarantie verspricht.«
»Das ist richtig«, stimmte Drakon ihr zu. »Aber die eigentlich entscheidende Frage ist doch die, ob ich das überhaupt will. Und falls ich es will, ob jetzt der richtige Zeitpunkt dafür wäre. Ich habe Ihnen beiden und niemandem sonst gesagt, wohin Iceni unterwegs ist und was sie vorhat. Sie wissen, wie wichtig ein erfolgreicher Abschluss dieser Mission ist.«
»Diese Sub-CEO kennt ihren Auftrag«, beharrte Morgan. »Sie kann das auch ohne Iceni erledigen.«
»Das ist nicht sicher, und Iceni hat Sie nicht ins Fadenkreuz genommen, General«, sagte Malin.
»Soweit wir das wissen«, fuhr Morgan ihn an.
»Ich habe größeres Vertrauen in Ihre Fähigkeiten, als Sie meinen«, erklärte Malin ihr mit einem kühlen Lächeln auf den Lippen. »Wenn jemand versuchen würde, an General Drakon heranzukommen, hätten Sie das längst bemerkt.«
Dieses Kompliment machte Morgan einen Moment lang sprachlos, aber sie bekam sich schnell wieder in den Griff. »Ich bin nicht vollkommen. General Drakon weiß nur zu gut, dass er niemandem absolut vertrauen kann«, fügte sie mit einem Blick hinzu, der keinen Zweifel daran ließ, dass das auf Malin gemünzt war.
»Und warum sollte er dann dieser Agentin vertrauen? Das ist ein alter ISD-Trick, General. Geben Sie jemandem die Gelegenheit, etwas Bestimmtes zu tun, und sobald er darauf anspringt, haben Sie ihn am Kragen gepackt. Woher sollen wir wissen, dass Präsidentin Iceni nicht bloß dasitzt und abwartet, wann Sie den Befehl geben werden? Wenn Sie das tun, und das Ganze ist eine Falle, dann laufen Sie ins offene Messer.«
Morgans Augen funkelten vor Wut. »Wollen Sie andeuten, ich würde mit Iceni gemeinsame Sache machen?«
»Einen solchen Vorwurf würde ich nicht so indirekt formulieren, sondern unmissverständlich aussprechen, wenn ich einen Beleg dafür hätte.«
»General, ich weiß, wie die Agentin handeln wird!«
Drakon schloss die Augen, um in Ruhe nachzudenken. Fakt ist, ich will sie nicht umbringen. Jedenfalls nicht, solange ich nicht dazu gezwungen bin. Sie leistet gute Arbeit bei der Führung ihrer Hälfte der Dinge, und sie hat zumindest nicht offensichtlich versucht, meine Autorität zu untergraben. Was sie still und heimlich tut, ist natürlich eine ganz andere Frage. »Nein«, sagte er schließlich. »Ich halte das nicht für den richtigen Zeitpunkt. Das ist nicht die Art von Lösung, die ich anstrebe, solange sie nicht zwingend erforderlich wird. Außerdem will ich erst mehr über diese Agentin wissen, bevor ich dieser Person eine so folgenschwere Aufgabe übertrage.«
Malin versuchte, sich eine triumphierende Miene zu verkneifen, während Morgan sich ihre Verärgerung nicht anmerken lassen wollte. »Aber die Option ist noch nicht vom Tisch?«, wollte Morgan wissen.
»Es kann nichts schaden, jemanden an einer Stelle zu haben, von der aus er zuschlagen kann, wenn die Situation es erfordert. Diese Möglichkeit könnte irgendwann sehr wichtig werden.« Die Identität dieses Individuums könnte auch wichtig werden, wenn Drakon irgendwann einmal gezwungen sein würde, jemanden zu opfern, um Iceni weiterhin davon zu überzeugen, dass er mit ihr zusammenarbeitete. »Aber die Entscheidung, ob und wann es notwendig ist, treffe nur ich.«
Ihr Quartier auf dem Schweren Kreuzer war alles andere als großzügig bemessen oder gar luxuriös. Iceni betrachtete den beengten Raum und fühlte sich an ihre Zeiten als Junior Executive erinnert, als sie in noch kleineren und spartanischeren Räumlichkeiten untergebracht gewesen war. Du bist verwöhnt, Gwen, hielt sie sich vor Augen.
Nachdem sie sich davon überzeugt hatte, dass alle Verteidigungs- und Überwachungsanlagen in ihrer Kleidung einwandfrei arbeiteten, rief sie Sub-CEO Marphissa zu sich. »Ich muss mit Ihnen reden.«
Marphissa beeilte sich erfreulicherweise. »Ja, Madam Präsidentin?«
»Schließen Sie die Luke und setzen Sie sich.« Iceni wartete und sah die andere Frau eindringlich an, während ihre Ausrüstung selbsttätig den physiologischen Status der Sub-CEO nach Hinweisen auf Nervosität, Angst und Täuschungsversuchen erforschte. Die tragbare Ausrüstung war zwar nicht so effizient wie das, was eine Verhörzelle zu bieten hatte, doch sie lieferte nützliche Ergänzungen und Erläuterungen zu den normalen Beobachtungen. »Haben Sie von General Drakon gehört?«
Die Anzeichen für ihre Nervosität verstärkten sich unübersehbar, aber während Marphissa antwortete, war nicht feststellbar, dass sie eine Lüge erzählte. »Nicht, seit wir den Orbit verlassen haben.«
»Dann haben Sie zuvor von ihm gehört?«
»Nicht von ihm selbst. Nur als weitergeleitete Anweisungen von demjenigen, der mit mir in Verbindung steht. Ich habe bereits den Code bekommen, den man mir übermitteln wird, wenn man mir befiehlt, Sie bei der ersten guten Gelegenheit zu töten. Bei den erweiterten Anweisungen findet sich ein zweiter Code, der für mich der Befehl wäre, Sie erst zu töten, wenn wir dieses Sternensystem verlassen haben.«
»Verstehe.«
»Das würde bedeuten«, fuhr Marphissa zögerlich fort, »dass unser momentaner Flug zum Sprungpunkt in Wahrheit mit einem Sprung in ein anderes Sternensystem verbunden sein wird.«
Iceni gab einen unverbindlichen Laut von sich. »Aber weitere Codesätze haben Sie bislang nicht erhalten?«
»Nein.«
Wollte Drakon sie nun umbringen oder nicht? Marphissa als Doppelagentin einzusetzen, war ihr als eine gute Idee vorgekommen, Drakons Absichten auf den Grund zu gehen. Aber vielleicht wartete er auch einfach nur auf eine bessere Gelegenheit. Die Ergänzung um einen Zusatzcode, der bewirken sollte, sie außerhalb dieses Sternensystems zu töten, war besonders beunruhigend, wenn sie sich eines von Drakons Argumenten ins Gedächtnis rief, das zur Sprache gekommen war, als sie sich über diese Mission unterhalten hatten. Wenigstens sorgte der Einsatz von Marphissa dafür, dass Iceni vorab informiert werden würde, sollte ein Attentat angeordnet werden, solange sie sich auf dem Kriegsschiff aufhielt.