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Iceni rieb sich das Kinn und versuchte, der Anordnung dieser Streitmacht eine Bedeutung beizumessen. »Können wir feststellen, ob die Syndikatwelten dieses System noch immer kontrollieren oder ob es von jemandem übernommen wurde?«

Bei Midway war, bedingt durch das Hypernet-Portal und seine generelle strategische Bedeutung, die Präsenz des ISD deutlich größer gewesen als in weniger wichtigen Sternensystemen. Manche Systeme, wie unter anderem Kane, die eine brauchbare Heimat für Menschen boten, aber ansonsten nichts Nennenswertes zu bieten hatten, waren dagegen Hinterwäldlersysteme, die seit der Entdeckung des Hypernets von den Syndikatwelten noch weniger beachtet worden waren als zuvor. Zwar hatte das für Kane bedeutet, dass in dieses System nur noch geringe Investitionen flossen, andererseits befanden sich aber auch deutlich weniger Einrichtungen des ISD und damit auch weniger Schlangen vor Ort. Hätte sich Kane noch vor Kurzem gegen die Syndikat-Regierung gestellt, wäre es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis mobile Streitkräfte hier eintrafen, um entweder eine bedingungslose Unterwerfung festzustellen oder um den Planeten bis zur Kapitulation zu bombardieren, was in jedem Fall kostengünstiger war als die Stationierung einer umfassenden ISD-Präsenz hier im System.

Aber wem unterstehen die hiesigen mobilen Streitkräfte jetzt? Vertreten sie immer noch die Haltung der Syndikatwelten? Da sie das nicht wusste, konnte Iceni sich nur schwer entscheiden, an wen sie sich mit ihrer Nachricht wenden sollte.

»Alle Kommunikationen, die wir verfolgen können, lassen die Abläufe und Formulierungen der Syndikatwelten erkennen«, meldete der Komm-Spezialist.

»Was genauso gut bedeuten kann, dass sie an den gewohnten Dingen bloß noch nichts geändert haben«, überlegte Iceni. Ich kann mich nur auf mein Gefühl verlassen. Mein Instinkt sagt mir, dass hier immer noch die Syndikatwelten das Sagen haben. Vielleicht reden die Behörden auf Kane den Syndikatwelten nur noch nach dem Mund, aber es kommt mir nicht so vor, als hätten sie sich schon formal von der Herrschaft des Syndikats losgesagt.

Sie betätigte ihre eigenen Komm-Kontrollen und setzte vor der Aufzeichnung und dem Versand der Mitteilung ein echt erscheinendes Avatar einer Frau an ihre Stelle, die ihr nicht ähnlich sah. »Hier spricht CEO Janusa im Namen und auf Befehl der Syndikatwelten auf Prime. Wir kommen soeben von Midway, wo wir die Kontrolle des Syndikats über das Sternensystem wiederhergestellt haben. Wir sind auf dem Weg zu Ihrer Einrichtung der mobilen Streitkräfte, um unsere Vorräte aufzustocken und Reparaturen durchzuführen. Für das Volk. Janusa, Ende.«

Kommodor Marphissa grinste flüchtig. »Ich würde sagen, eine echte CEO zu sein, ist der beste Weg, um sich als angebliche CEO der Syndikatwelten auszugeben.«

»Eine echte ehemalige CEO«, korrigierte Iceni sie lächelnd. »Dazu kommt eine gewisse Grundeinstellung beim Reden, die einem in Fleisch und Blut übergeht. Hier wird man keine Unterlagen über eine CEO Janusa haben, aber Kane erhält nur wenig Besuch von anderen Systemen im Syndikat, deswegen hinken sie immer weit hinter dem aktuellen Stand her. Wenn jemand fragt, wer ich bin, werde ich sagen, dass die neue Regierung auf Prime mich erst vor Kurzem befördert hat.«

»Glauben Sie, man wird uns zu der Einrichtung der mobilen Streitkräfte passieren lassen?«

»Wenn sie das ohne Widerspruch zulassen, kann es durchaus bedeuten, dass unsere Informationen falsch waren oder dass dieses Schlachtschiff das System längst verlassen hat. Aber wenn sie widersprechen oder versuchen, unser Eintreffen hinauszuzögern, dann wird das ein deutlicher Hinweis darauf sein, dass sich unsere Beute genau dort befindet. Wir werden nicht auf ihre Antwort warten, Kommodor. Befehlen Sie der Flotte einen Vektor zur Einrichtung der mobilen Streitkräfte.«

»Mit welcher Geschwindigkeit … CEO Janusa?«

Iceni dachte nur einen Moment lang darüber nach. »Mit 0,1 Licht. Ich bin eine neue, forsche CEO. Ich kann keine Zeit damit vergeuden, im Schneckentempo durch ein bedeutungsloses System zu trödeln. Ich habe anderswo Wichtigeres zu tun, und es soll jeder sehen, dass ich wichtig bin und eine wichtige Mission zu erfüllen habe.«

»Ich werde stets daran denken, wie wichtig Sie sind, CEO Janusa«, erwiderte Marphissa.

»So haben Sie sich gegenüber CEOs immer verhalten, nicht wahr?«, fragte Icen, die mit einem Mal ernst geworden war. »Weil wir ja alle so wichtig sind.«

Marphissa war mutig genug, ehrlich zu antworten. »Nicht alle CEOs waren gleich, aber alle mussten so behandelt werden.«

»ZWMLMB«, ergänzte Iceni zynisch.

»Richtig«, pflichtete Marphissa ihr bei. »Zuwiderhandlungen werden mit lebensbeendenden Maßnahmen bestraft. Ich habe mich entschieden, zu Ihnen zu stehen, so wie es alle Befehlshaber dieser Kriegsschiffe gemacht haben, weil wir daran glauben, dass Sie auf eine bedeutsame Weise anders sind als andere CEOs.«

»Sie haben zu mir gestanden, weil Sie eine Gelegenheit sahen, einen wichtigeren Posten zu bekommen.«

»Das war nicht der Hauptgrund, und in einigen Fällen spielte der Gedanke gar keine Rolle«, stellte Kommodor Marphissa klar und musste grinsen. »Ich habe doch tatsächlich soeben einer CEO widersprochen.«

»Das war bislang keine Angewohnheit, nicht wahr?« Iceni musterte die andere Frau aufmerksam. »Was wollen Sie, Kommodor? Sie und die anderen?«

»Wir wollen, dass Ihnen genauso wichtig ist, was aus uns wird, wie es Ihnen wichtig ist, was aus Ihnen selbst wird.«

»Sie begnügen sich nicht mit kleinen Dingen, stimmt’s?« Iceni schaute wieder auf ihr Display. »Ich trage Verantwortung für diejenigen, die für mich arbeiten. Gehen Sie allein deshalb aber nicht gleich davon aus, dass ich damit auch so etwas wie … wie eine Menschenfreundin bin.«

»Ich würde es nicht wagen, Ihnen so etwas zu unterstellen, Madam Präsidentin.«

»Gut.« Sie ließ ihren Blick auf dem bewohnten, fünf Lichtstunden entfernten Planeten ruhen. Ihre Nachricht würde also erst nach fünf Stunden dort eintreffen, und selbst wenn man sofort eine Erwiderung übermittelte, würden bis zum Eintreffen jeglicher Antwort mindestens zehn Stunden vergehen. Sie musste daran denken, dass sie wegen der Ungewissheit über die hiesige Situation letzte Nacht kaum geschlafen hatte. »Ich werde mich eine Weile ausruhen. Teilen Sie Colonel Rogero mit, dass wir in schätzungsweise vierzig Stunden auf seine Bodenstreitkräfte werden zurückgreifen müssen. Und benachrichtigen Sie mich, wenn sich die Situation in irgendeiner Weise entscheidend verändern sollte.«

»Ja, Madam Präsidentin«, sagte Marphissa wieder ganz im dienstlichen Tonfall. »Was ist mit dem Bereitschaftsstatus der Kriegsschiffe? Sollen sie weiterhin auf Stufe eins bleiben?«

»Nein.« Es hatte Zeiten gegeben, als Iceni CEOs unterstellt gewesen war, die von ihren Crews über Tage hinweg ständige maximale Gefechtsbereitschaft forderten, nur um »auf alles gefasst zu sein«. Im Ergebnis waren diese Mannschaften dadurch völlig erschöpft und übermüdet gewesen, wenn es letztlich zu einer Begegnung mit dem Feind kam, sodass die angeordnete Gefechtsbereitschaft nicht mehr von Vorteil war. Diesen Fehler würde sie nicht machen. »Fahren Sie die Bereitschaft auf den Normalzustand runter. Lassen Sie die Befehlshaber aller Einheiten wissen, dass ich mich auf ausgeruhte Mannschaften verlassen können will, wenn wir uns dem Gasriesen nähern.« Das hatte ebenfalls nichts mit Menschenfreundin zu tun, es war allein wohlüberlegte Planung.

Dennoch hatte die Welle der Erleichterung, die ihr von den Junioroffizieren und den Spezialisten auf der Brücke entgegenschlug, fast schon etwas Greifbares, so immens war sie. Iceni musste sich ein Lächeln verkneifen und dachte zurück an die Zeit, als sie sich schier unendlich lange an einer Station auf der Brücke hatte aufhalten müssen, obwohl der Feind noch etliche Lichtstunden entfernt gewesen war. Jeder hier wusste, dass ihr Ziel ein Schlachtschiff war, aber das gesamte Brückenpersonal strahlte Zuversicht und gute Laune aus. Iceni konnte das nicht nachvollziehen.