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Das Weltall ist einfach viel zu groß.

»Vektorenveränderungen in der anderen Flotte.«

Die Ankündigung des Steuer-Spezialisten riss Iceni aus dem leichten Dämmerschlaf, in den sie unbemerkt gesunken war. Sie kniff die Augen ein paar Mal zu, um die Müdigkeit zu vertreiben, und versuchte die Bewegungen auf ihrem Display zu erkennen.

»Sie gehen auf einen Abfangkurs zu uns«, sagte Marphissa. »Wir müssen zwar erst noch sehen, wohin ihre Flugbahn sie führen wird, aber ich möchte wetten, sie werden geradewegs auf uns zufliegen.«

»Aber warum machen sie das?«, wunderte sich Iceni. Früher war das alles viel einfacher gewesen. Da waren die Gegner Schiffe der Allianz-Flotte gewesen, und wenn die sich einem näherten, dann stand ein Gefecht bevor. Waren es Schiffe der Syndikatwelten, wollten sie sich einem anschließen. Aber heute konnten Allianz-Schiffe freundliche Absichten verfolgen, während Syndikat-Schiffe wahrscheinlich feindselig eingestellt waren. Sie wusste ja nicht einmal, wessen Befehl diese Flotte unterstand, von der Frage ganz zu schweigen, ob sie sich in diesem Augenblick auf einen Kampf vorbereiteten. »Kommodor Marphissa, wenn wir innerhalb der nächsten fünf Minuten nichts von diesen Schiffen hören, werden Sie sie davon in Kenntnis setzen, dass wir sie zerstören werden, sobald sie in Waffenreichweite gelangen.«

»Die Kane-Flotte folgt jetzt mit 0,1 Licht einem Kurs, der unseren Kurs kreuzen wird«, meldete der Steuer-Spezialist. »Zeit bis zum Kontakt zwei Stunden einundzwanzig Minuten.«

»Und noch immer kein Schlachtschiff«, murmelte Iceni.

»Vielleicht haben sie es ja gar nicht«, hielt Marphissa dagegen.

»Und warum wollen sie uns dann von diesem Gasriesen fernhalten?«

Die Warnung wurde gesendet, aber eine Antwort darauf traf nicht ein. Iceni saß da und sah zu, wie der Abstand kontinuierlich schrumpfte. Mit jeder Sekunde, die eine Reaktion der anderen Flotte länger auf sich warten ließ, wurde Iceni umso gereizter. Selbst wenn sie mir erzählen, dass sie sich uns anschließen wollte, werde ich vermutlich trotzdem ihre Zerstörung befehlen.

»Eingehende Nachricht«, meldete der Komm-Spezialist und stutzte. »Sie kommt nicht von der Flotte.«

»Zeigen Sie sie mir«, wies Iceni ihn an.

Ein Fenster öffnete sich, zu sehen war ein Junior-Offizier, der eindeutig auf der Brücke eines Schlachtschiffs stand. Während der Sub-CEO der mobilen Streitkräfte nur normale Stresslevel zu erkennen gegeben hatte, war es um diesen Executive eindeutig schlechter bestellt. Seine Uniform schien er schon seit Tagen oder vielleicht Wochen zu tragen, das Gesicht war auf eine Weise schmal, als müsste er sich seit geraumer Zeit von spärlichen Rationen ernähren, und seine Augen zeigten einen fast fiebrigen Ausdruck. »Hier spricht Sub-Executive Kontos, kommissarischer Befehlshaber der Einheit B-78 der mobilen Streitkräfte. An … an … Präsidentin Iceni.« Er unterbrach sich, um seine Lippen zu benetzen und sich ausgiebig zu räuspern, so als bereite ihm das Sprechen sehr viel Mühe.

»Ein Sub-Executive, der ein Schlachtschiff befehligt?«, wunderte sich Marphissa. »Hat es so was schon mal gegeben?«

»Bei Gefechten, wenn fast die ganze Crew tot war«, erwiderte Iceni.

Kontos setzte wieder zum Reden an: »Wir haben uns in den primären Zitadellen verbarrikadiert. Wir sind die … Überlebenden der Ausstattungsmannschaft. Ich und … eine Hand voll Manager. Wir haben die Kontrolle über die Brücke, den Maschinenraum und die Primärwaffen-Zentrale.« Kontos gab sich sichtlich Mühe, ordentlich Bericht zu erstatten, aber hin und wieder geriet er doch ins Stolpern. »Wir … wir haben unsere Positionen halten können … wegen der internen Panzerung und der … Verteidigungsanlagen gegen … Meuterer.«

»Gegen wen halten Sie Ihre Positionen?«, murmelte Iceni verärgert.

»Der ISD«, sagte Kontos, als würde er auf ihre Frage antworten. »Wir … wissen nicht, wie viele es sind. Sie haben einige Positionen überrannt. Mein letzter Befehl lautete, dass wir uns in wichtigen Bereichen … einschließen und auf Hilfe warten sollen. Seitdem haben wir nichts mehr gehört … nur die Forderungen des ISD, dass wir uns ergeben sollen. Externe Kommunikation ist unterbrochen, aber wir haben einen Umweg gefunden … gerade noch rechtzeitig, um Ihre Nachricht zu hören.«

»Die Schlangen haben das System übernommen«, sagte Marphissa in frostigem Tonfall.

»Das erklärt alles, nicht wahr?«, entgegnete Iceni. »Die Schlangen haben auf den Kriegsschiffen alle Offiziere und wer weiß wie viele Besatzungsmitglieder getötet. Ich verstehe nur nicht, warum sie nicht CEO Janusa den Befehl erteilt haben, ihnen zu helfen.«

»Möglicherweise wussten sie trotz des Avatars, wer Sie wirklich sind und dass Sie nur mit ihnen spielen. Wären wir zum zweiten Planeten geflogen und hätten dort für die Vorräte angedockt, wären wir womöglich von den Schlangen geentert worden.«

»O verdammt! Sie dürften recht haben. Dort hätten sie auch Zugriff auf genügend Personal für so einen Einsatz.«

»Wir bitten um Unterstützung«, sagte Sub-Executive Kontos. Seine Stimme versagte beim letzten Wort, und ihm war anzusehen, dass er sich sehr zusammenreißen musste, um Haltung zu bewahren. »Wir wissen, sie schaffen Geräte heran, um die Panzerungen zu durchbrechen und in die Zitadellen zu gelangen. Wir bitten … um Unterstützung.«

Die Nachricht begann von vorn, dann brach sie abrupt ab.

»Die Schlangen haben den Umweg entdeckt und unterbrochen«, kommentierte Marphissa den Bildausfall.

»Sub-CEO …« Der Ablauf-Spezialist unterbrach sich. »Kommodor, wir verfolgen einen Frachter, der sich mit hoher Geschwindigkeit dem Gasriesen nähert. Auf ihn passte das Profil einer Nachschubmission, deshalb haben wir nicht weiter auf ihn geachtet. Aber es könnte sein, dass dieses Schiff die Geräte für die Schlangen transportiert, von denen der Sub-Executive sprach.«

»Und zweifellos transportiert er auch noch mehr Schlangen. Können wir vor ihm das Schlachtschiff erreichen?«, wollte Marphissa wissen.

Iceni nickte bedächtig. Wir stürmen mit maximaler Geschwindigkeit los, machen eine Vollbremsung und jagen den Transporter in die Luft, danach schaffen wir unsere Bodenstreitkräfte auf das Schlachtschiff, von dem wir nicht einmal genau wissen, wo es sich befindet und ob wir es nicht doch vor dem Frachter erreichen könnten. Alles ganz einfach, nur unglaublich schwer in die Tat umzusetzen.

»Es könnte auch eine Falle sein«, gab Marphissa zu bedenken. »Auf diese Weise lockt man uns in die Nähe des Schlachtschiffs, und wenn dessen Waffen einsatzbereit sind, könnte es uns so schwere Schäden zufügen, dass ihre Flotte uns den Rest geben kann.«

»Möglicherweise«, stimmte Iceni ihr zu. »Aber in dem Fall wäre dieser Sub-Executive der beste Schauspieler, den ich je erlebt habe. Um Längen besser als ›CEO Reynard‹ oder ›Sub-CEO Petrov‹. Wollten Sie nur die Möglichkeit einer Falle erwähnt wissen, oder glauben Sie, es ist eine Falle?«

Marphissa sah einen Moment lang auf ihr Display, ehe sie antwortete: »Es geht mir nur um die Möglichkeit. Wäre es tatsächlich eine Falle, hätten sie uns die Nachricht von Sub-Executive Kontos viel früher schicken können, um zu beobachten, wie wir darauf reagieren. Ich glaube, die Schlangen hatten vor, die Überlebenden der Ausstattungsmannschaft auszuhungern. Das würde am Schiff zu viel geringeren Schäden führen, als wenn man sich in die gepanzerten Zitadellen vorarbeiten muss. Als wir aufgetaucht sind, wussten die Schlangen, dass sie nicht länger warten können, sondern die Panzerung sofort durchbrechen müssen. Aber weil wir uns so schnell dem Gasriesen genähert haben, ist ihnen nicht mal dafür genug Zeit geblieben.«