»Ich kann hier nichts erkennen, das hier nicht hingehört«, beklagte sich eine fremde Stimme, wohl die eines Ingenieurs auf einem von Icenis Schweren Kreuzer. »Versuchen Sie was zu finden, was da fehl am Platz ist«, wies der Ingenieur die Soldaten an.
»Wie soll ich etwas finden, das fehl am Platz ist, wenn ich gar nicht weiß, was hier hingehört und was nicht?«, gab ein Soldat aufgebracht zurück.
»Halten Sie Ausschau nach etwas, das explodieren könnte.«
»Ich dachte, hier unten kann alles explodieren!«
»Kann es auch. Sie sollen etwas finden, das explodieren könnte, das aber da nicht zu finden sein sollte, damit nicht die Dinge explodieren, die zwar explodieren können, die aber trotzdem da hingehören.«
»Wie bitte?«
Rogero mischte sich ein. »Scannen Sie einfach, so viel und so schnell Sie können. Ingenieure, erzählen Sie mir, was die effizienteste Methode wäre, um die Brennstoffzellen hochgehen zu lassen. Das könnte uns helfen, die Suche etwas einzugrenzen.«
Es folgte eine Pause, während der ständig Bilder der Brennstoffzellen zu sehen waren, dann ertönte eine andere Stimme. »Wenn man sicherstellen will, dass alle Zellen hochgehen, dann muss man dafür sorgen, dass sie nicht nur aufgerissen werden, sondern dass es sie heftig genug erwischt, damit sie auch detonieren.«
»Und was wäre dafür nötig?«, fragte Rogero.
»Nun … ein Nuklearsprengkopf mit mindestens zehn Kilotonnen.«
»Nuklearwaffen könnten wir feststellen, aber hier unten ist nichts in der Art zu finden.«
»Dann … oh, Moment. Wonach wir suchen müssen, befindet sich gar nicht unmittelbar bei den Brennstoffzellen.«
Ein weiterer Ingenieur mischte sich ein: »Meinst du etwa eine Resonanzzündung?«
»Ja, das würde vollkommen reichen.«
»Das ist ja wohl offensichtlich«, meldete sich ein dritter Ingenieur zu Wort. »Wenn man die Berechnungen …«
»Wo – müssen – wir – suchen?«, ging Rogero dazwischen und schrie die Leute fast an.
»An der Primärzuleitung für die Brennstoffzellen. Wenn man die Zuleitung so einstellt, dass sämtliche Energie gleichzeitig und vollständig abgegeben wird, anstatt das gleichmäßig zu machen und exakt zu überwachen, dann kommt es zu einem Rückstoß in den Lagerraum der Brennstoffzellen, durch den die restlichen dort gelagerten Zellen zur Explosion gebracht werden. Dabei wird dann das gesamte Heck des Schlachtschiffs weggeblasen, sofern es nicht vorher zu einer Überladung der Hauptantriebseinheit kommt, bei der …«
»Begebt euch zu dieser Zuleitung«, forderte er seine Soldaten auf. »Sie da in der Maschinenkontrolle, ich benötige eine Softwareüberprüfung, ob die Schlangen irgendwelche Viren in den Regulierungssystemen für die Antriebseinheiten oder für den Energiekern hinterlassen haben.«
»Aber, Colonel«, wandte einer der Soldaten ein. »Die Schlangen haben gesagt, dass die Brennstoffzellen …«
»Wiederholen Sie den Satz und stellen Sie fest, wo der Fehler liegt! ›Die Schlangen haben gesagt.‹ Heißt das nicht, dass die Wahrheit zwangsläufig alles andere ist, nur nicht das, was sie gesagt haben?«
»Fünf Minuten, Madam Präsidentin.«
Iceni zuckte zusammen und richtete ihre Konzentration wieder auf die Brücke des Schweren Kreuzers. Drakon hatte offenbar richtig gelegen, was Rogeros Führungsqualitäten anging. »Es könnte sein, dass wir das Schlachtschiff doch noch retten können.«
»Was?«, fragte Marphissa erschrocken. »Ist irgendwas …?«
»Nicht so wichtig. Wo ist der Rest der gegnerischen Flotte?«
»Hier.« Die fragliche Flotte leuchtete auf Icenis Display heller auf, die Vektoren führten unweigerlich auf das Schlachtschiff zu. »In vierzehn Minuten können sie das Feuer auf das Schlachtschiff eröffnen. Ich habe die Shuttles gewarnt, damit sie sich auf die andere Seite des Schiffs zurückziehen, wo sie nicht beschossen werden können.«
»Gut.« Der Kurs der eigenen Formation beschrieb eine Kurve und hatte genauso beharrlich den Schweren Kreuzer zum Ziel.
»Vom beschädigten Kreuzer starten Rettungskapseln«, meldete der Ablauf-Spezialist. »Eine, zwei … und eine dritte.«
Marphissa zog verwundert die Brauen zusammen. »Nur drei? So viele Besatzungsmitglieder können wir unmöglich getötet haben.« Rote Gefahrensymbole leuchteten auf den Displays auf. »Was? Der Kreuzer feuert seine noch funktionstüchtigen Höllenspeere ab? Wir sind doch noch viel zu weit … verdammt! Die zielen auf ihre eigenen Rettungskapseln!«
»Wer ist in den Kapseln?«, wollte Iceni wissen. »Schlangen oder Crewmitglieder, die den Schlangen entkommen wollen?«
»Noch drei Rettungskapseln werden ausgestoßen.«
»Eine der Kapseln meldet sich«, rief der Komm-Spezialist. »Kommodor, sie sagen, sie gehören zur Crew und versuchen zu entkommen, um sich ergeben zu können. Die Schlangen kontrollieren die Brücke.«
Marphissa sah zu Iceni. »Ist das wirklich die Crew? Oder wollen die Schlangen entkommen? Auf wen sollen wir zielen?«
»Auf den Kreuzer. Wenn sich an Bord der Rettungskapseln doch Schlangen befinden sollten, können wir sie später immer noch erledigen.«
»Und wenn der Kreuzer tatsächlich von der restlichen Crew kontrolliert wird?«
»Dann haben diese Leute bedauerlicherweise mit ihrer Revolte etwas zu lange gewartet.« Iceni redete in frostigem Tonfall, um ihr Unbehagen zu überspielen. Ich muss jetzt entscheiden, und ich kann nur hoffen, dass ich richtig liege.
»Eine Minute bis zum Erreichen des Schweren Kreuzers.«
Marphissa betätigte eine Kontrolle. »Alle Waffen erfassen den Kreuzer. Diesmal wollen wir ihn erledigen«, wies sie tonlos an.
Die Flotte zuckte an dem Schweren Kreuzer vorbei, Höllenspeere und Kartätschen donnerten in das beschädigte Kriegsschiff, und als es bereits weit hinter Icenis Schiffen zurückgefallen war, sah sie auf ihrem Display ein Symbol aufleuchten. »Wir haben deren Energiekern zur Detonation gebracht. Waren die Rettungskapseln weit genug entfernt, um die Explosion zu überstehen?«
»Ja, allerdings haben sie ein paar Schäden davongetragen.«
»Damit werden sie erst mal leben müssen. Nein, schicken Sie den beschädigten Leichten Kreuzer und den beschädigten Jäger hin, um die Rettungskapseln einzusammeln«, ordnete Iceni an. »Das können die beiden erledigen. Der Rest kehrt zum Schlachtschiff zurück.«
Die andere Flotte steuerte noch immer auf das Schlachtschiff zu, aber in wenigen Augenblicken würde sie das Schicksal des Schweren Kreuzers sehen können. Während Iceni überlegte, wie viel Schaden die leichten Eskorten einem Schlachtschiff zufügen konnten, dessen Schilde nicht arbeiteten, betätigte sie die Komm-Taste. »An alle Einheiten in der Flotte, die sich momentan dem Schlachtschiff nähert, hier spricht Präsidentin Iceni. Seien Sie gewarnt, dass meine Streitkräfte die Kontrolle über das gesamte Schlachtschiff übernommen haben. Ein Teil der Waffensysteme ist einsatzbereit.« Es war nichts weiter als ein Bluff, da es den Soldaten wahrscheinlich nicht gelingen würde, auch nur eine der funktionstüchtigen Höllenspeerbatterien rechtzeitig abzufeuern, um eines der herannahenden Kriegsschiffe zu treffen. »Alle Schlangen an Bord sind tot. Ihr Flaggschiff wurde zerstört. Jede Einheit, die den Angriff abbricht, wird von mir verschont werden. Hören Sie auf, für die Syndikatwelten zu kämpfen. Diese Regierung ist gescheitert. Kämpfen Sie lieber für sich selbst. Für das Volk. Iceni, Ende.«
Dann wartete sie, dass die sich mit Lichtgeschwindigkeit verbreitende Nachricht die andere Flotte erreichte, die ihrerseits nur noch wenige Minuten vom Schlachtschiff entfernt war. Und sie wartete, dass das Licht jedweder Reaktion dieser Flotte zu ihr zurückkehrte.
Auf einmal sah sie, wie die Leichten Kreuzer aus der gegnerischen Formation ausscherten und Kurs auf den freien Raum nahmen.