Выбрать главу

Ein Leben lang antrainierte Reflexe ließen den Mann hochschrecken, sein Blick erfasste Icenis Gesicht und verharrte dort. »Senior-Manager Mentasa, Systemintegration, zugeteilt der Ausstattungsmannschaft für die Mobile Einheit B-78.« Er versuchte sich hinzusetzen, aber Iceni drückte ihn sanft zurück auf das Bett.

»Ruhen Sie sich aus«, sagte Iceni. »Was können Sie mir darüber erzählen, was sich auf diesem Schiff abgespielt hat?«

Der Mann blinzelte ein paar Mal, als könne er seine Gedanken nicht ordnen und als würde er nicht verstehen, warum sich Iceni so untypisch verhielt. Dann nickte er bedächtig. »Wir waren bei der Arbeit … die üblichen Schichten. Unser Befehlshaber war … Sub-CEO Tanshivan. Er war von … von welchem Versorgungsschiff? Das Versorgungsschiff … mit einer Lieferung von höchster Priorität.« Wieder blinzelte Mentasa. »Der Sub-CEO … ging hin, um die Lieferung in Empfang zu nehmen. Wir standen in Verbindung mit ihm. Plötzlich quollen Scharen von Menschen durch die Luke herein. Wirklich Scharen. Und Waffen. Der Sub-CEO rief: ›Die wollen uns umbringen!‹ Keine Ahnung, woher er das wusste, auf jeden Fall rief er das. ›Versiegelt die Zitadellen!‹, befahl er. Und dann … dann … starb er. Ich wollte sagen … sie schossen. Und wir … Die Verbindung brach ab.«

»Es gab keine Vorwarnung, dass die Schlangen hierher unterwegs waren? Gab es keine Veranlassung zu der Vermutung, dass sie herkommen würden?«

»Nein … es … es gab Demon- … Demonstrationen auf dem Planeten. Davon hatten wir gehört. Große Unruhen … dann wurden die Nachrichtenübertragungen unterbrochen. Nicht unsere Angelegenheit. Keine Ahnung, was das zu bedeuten hatte. Ich war noch nie hier … Im System Kane, wollte ich sagen. Ein paar Tage später tauchten sie auf …«

»Und Sie versiegelten die Zitadellen?«

»Ja.« Manager Mentasa blinzelte, um Tränen zurückzuhalten. »Nicht alle drinnen … nur unsere Schicht … Aber wir mussten die Zitadelle versiegeln. Elende Schlangen … haben alle anderen umgebracht. Dann wollten sie uns dazu bringen … dass wir ihnen aufmachen. So dumm … töteten ihre Geisel … idiotische, verdammte Schlangen.«

Rogero nickte bestätigend. »Ihr Plan beruhte auf dem Überraschungselement. Die Warnung, die der Sub-CEO noch übermitteln konnte, machte das zunichte. Trotzdem haben die Schlangen ihren Plan rigoros durchgezogen und alle Mitarbeiter der Ausstattungsmannschaft getötet, die ihnen über den Weg liefen. Erst als ihnen klar wurde, dass die Zitadellen versiegelt worden waren und von außen mit den mitgebrachten Werkzeugen nicht geöffnet werden konnten, wurde den Schlangen bewusst, dass sie ein paar Leute am Leben hätten lassen sollen, um die übrigen Crewmitglieder zu erpressen, damit sie die Zitadellen öffneten.«

»Ja, Sir«, sagte Mentasa und sah Rogero an. »Tut mir leid, dass wir Ihnen nicht geöffnet haben, aber … wir kannten nur die Dame, und wir wussten … diese CEO würde uns retten.«

Iceni schüttelte wütend den Kopf, wusste aber gar nicht so recht, auf wen sie eigentlich wütend war. »Ich bin keine CEO, ich bin Präsidentin Iceni.«

»Tut mir leid, Madam … Präsidentin? Ich weiß nicht, was eine Präsidentin ist.«

»Etwas Besseres als eine CEO«, warf Rogero ein.

»Aha, ja, Sir. Wir sahen das Schiff kommen … den Frachter. Wir hatten genügend funktionierende Kameras, um zu sehen, wie er um den Planeten herumkam. Wir wussten sofort, dass da noch mehr Schlangen an Bord waren. Und dann … dann kamen Sie hinterher. Da wussten wir, dass … dass die Sterne uns retten würden.« Abrupt unterbrach sich Mentasa und riss erschrocken die Augen auf.

Iceni lächelte ihn sanft an. »Ganz ruhig«, sagte sie. »Ich habe keine Angst vor Ihrem Glauben, und die Regeln der Syndikatwelten gelten überall da nicht mehr, wo ich die Kontrolle übernommen habe. Wenn Sie über solche Dinge reden wollen, steht Ihnen das frei.«

»Glauben Sie an die Sterne? An die Vorfahren?«

Dass ihr diese Frage gestellt werden würde, damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet. Eine ehrliche Antwort kam ihr nur stotternd über die Lippen. »Ich … ähm ja.«

»Weil wir den Frachter kommen sahen«, fuhr der Mann mit festerer, entschlossenerer Stimme fort. »Noch eine Stunde mehr, und sie wären hier eingetroffen, und dann wären wir jetzt alle tot. Eine Stunde mehr. Vielleicht auch nur eine halbe Stunde oder sogar noch weniger. Aber dann kamen Sie her. Die Sterne wollten uns nicht sterben lassen.«

Iceni sah Mentasa schweigend an. Wenn das so wäre, warum haben die Sterne dann Ihre Kameraden sterben lassen? Die, die es nicht in die Zitadellen geschafft haben? Nennen Sie mir einen Grund, warum der eine lebt und der andere stirbt? Warum können die Sterne das nicht erklären? Es wäre viel leichter, dem Glauben meines Vaters zu folgen, wenn die Sterne es erklären würden. »Woher kommen Sie?«

»Seit gut fünfzehn Jahren arbeite ich in Taroa. Meine Familie ist dort.« Die Skepsis war in seinen Gesichtsausdruck zurückgekehrt. CEOs neigten dazu, die Arbeiter zu rekrutieren, die sie gebrauchen konnten, und ihm musste klar sein, dass Iceni ihn brauchte, um dieses Schlachtschiff funktionsfähig zu bekommen.

»Sie und die anderen Überlebenden der Ausstattungsmannschaft werden das Angebot erhalten, an Bord zu bleiben und uns zu begleiten«, erklärte sie ihm. »Oder Sie versuchen Ihr Glück hier in Kane. Wenn Sie mit uns mitkommen, werde ich Ihnen gestatten, nach Taroa weiterzureisen, falls Sie das wollen. Aber wir werden Ihnen auch einen guten Lohn bieten, wenn Sie bleiben wollen, und zudem werden Ihre Familien vor den Schlangen sicher sein.« Weiß dieser Mann, was bei Taroa los ist? Ganz sicher nicht, aber es gibt auch keinen Grund, jetzt etwas dazu anzumerken. »Wenn Sie sich weitestgehend erholt haben, werden wir Sie nach Ihrer Entscheidung fragen.«

»Vielen Dank, Madam … Präsidentin. Die Sterne werden für diesen Tag gut über Sie urteilen.«

Iceni wandte sich ab und entfernte sich in Richtung Ausgang. Wenn die Sterne oder sonst jemand über mein Leben und alles urteilen sollten, was ich in meinem Leben je getan habe, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass dabei etwas Gutes für mich herauskommen wird.

Kaum hatte sie den Raum verlassen, entdeckte sie die Ärztin der C-448, die von der Untersuchung der Crewmitglieder in den Zitadellen zurückkehrte. »Wie geht es den Leuten? Jedem von ihnen, meine ich.«

Die Ärztin zuckte mit den Schultern. Sie war eine ältere Frau, die kurz vor der Pensionierung stehen musste. Es schien, als würden all die Leben auf ihr lasten, die sie im jahrzehntelangen Dienst für die Syndikatwelten nicht hatte retten können. »Sie sind alle unterernährt und leiden unter schwerem körperlichem Stress«, sagte sie. »Ganz am Anfang meiner Karriere verbrachte ich sechs Monate meiner Ausbildung als Assistentin in einem Arbeitslager, also gibt es hier für mich nichts zu sehen, was ich nicht längst kenne.«

Ein Arbeitslager. Das Allzweckmittel der Syndikatwelten, um jemanden zu bestrafen, ohne ihn gleich hinrichten zu lassen. Aber allzu oft waren Arbeitslager eigentlich nichts anderes gewesen als eine in die Länge gezogene Exekution. Sie hatte Leute gekannt, die in Arbeitslager geschickt worden waren. Ein paar von ihnen waren nach Verbüßung ihrer Strafe wieder heimgekehrt, aber ein großer Teil hatte gar nicht erst lange genug überlebt.