»Und was ist mit dem zweiten Mal? Von dem Präsidentin Iceni behauptet, dass sie diese Abmachung mit Black Jack getroffen hat?«
»Das habe ich auch gefunden, General.« Stirnrunzelnd betrachtete Malin seinen Reader. »Admiral Geary hat nicht versprochen, dass er die Handlungen von Präsidentin Iceni unterstützt. Versprochen hat er, dieses Sternensystem beim Schutz vor der Enigma-Rasse zu unterstützen. Und er hat auch zugesagt, Iceni nicht öffentlich zu widersprechen, wenn sie behauptet, der von ihm zugesicherte Schutz reiche erheblich weiter. Tatsache ist aber, dass er einen solchen Schutz nicht versprochen hat.«
»Hah!« Waren das nun gute oder schlechte Neuigkeiten? »Dann besitzt Präsidentin Iceni also gar nicht so viel Macht, wie sie behauptet, weil Black Jack ihr Handeln überhaupt nicht unterstützt.«
»Das ist richtig, Sir. Das bedeutet folglich, dass dieses Sternensystem in größerer Gefahr schwebt als angenommen, weil wir nicht darauf zählen können, dass die Allianz-Flotte uns aktiv unterstützt, wenn es zu einem Angriff des Syndikats kommen sollte. Zugleich heißt das aber auch, dass Präsidentin Iceni viel stärker auf Ihren Rückhalt angewiesen ist, als sie zugeben würde.«
»Was haben Sie noch entdeckt?«
»Mir ist noch etwas Eigenartiges aufgefallen«, antwortete Malin und zog die Brauen zusammen. »Ich hatte bereits infrage gestellt, was ich glaubte, gesehen zu haben, weil es eigentlich keinen Sinn ergab. Und doch wurde ich mir nach einigem Nachdenken sicher, dass es zutrifft: In den Mitteilungen, die die Allianz-Flotte bei ihrem ersten Besuch im System gesendet hat, trug Geary die Abzeichen eines Flottenadmirals der Allianz.«
»Hat er sich auch so bezeichnet? Wir haben doch die Aufzeichnungen seiner Nachrichten, die er an unser Sternensystem und an die Enigmas gerichtet hatte.«
»Ja, General. Flottenadmiral Geary. Aber in den Mitteilungen an Präsidentin Iceni bei seinem letzten Besuch bin ich mir sicher, dass er die Abzeichen eines Admirals trug.«
Es dauerte einen Moment, ehe Drakon das verarbeitet hatte. »Ein gewöhnlicher Admiral? Ein niedrigerer Dienstgrad als der, den er beim ersten Mal innehatte? Malin, so was ergibt doch keinen Sinn. Verdammt, das ist ja völlig unmöglich. Wer sollte Black Jack degradiert haben? Ihm gehört doch schließlich die Allianz.«
Malin zuckte mit den Schultern. »Ich habe versucht, eine Erklärung dafür zu finden.«
»Warum sollte er einen niedrigeren Dienstgrad vortäuschen als den, den er tatsächlich innehat? Soll das irgendein Trick sein?« Es war das Einzige, was zumindest annähernd das Beobachtete zu erklären vermochte.
»Vielleicht hatte es ja etwas mit der Mission ins Enigma-Territorium zu tun«, überlegte Malin. »Möglicherweise ein Versuch, die Reaktionen der Enigmas zu beeinflussen.«
»Wer um alles in der Welt weiß denn genug über die Enigmas, um vorhersagen zu können, auf was sie wie reagieren?« Drakon schüttelte verständnislos den Kopf, während er versuchte, diese Information richtig einzuordnen. Doch seine Gedanken drehten sich die ganze Zeit nur im Kreis. »Haben Sie noch andere Unstimmigkeiten festgestellt?«
»Es ist mir weiter nichts aufgefallen.«
»Wie hat Präsidentin Iceni auf die Sache mit dem Dienstgrad reagiert? Konnten Sie da irgendetwas finden?«
»Nein, Sir. Möglicherweise ist es ihr gar nicht aufgefallen, weil sie sich seit Jahren nicht mehr mit den Kommandostrukturen der Allianz befassen musste.«
Warum sollte ein Mann, der mehr oder weniger die gesamte Allianz kontrollierte, eine Degradierung hinnehmen? Es konnte nur ein Trick sein, aber wer hatte auf diesen Trick reinfallen sollen? Vielleicht die Enigmas. Oder … »Vielleicht ist das ja gegen uns gerichtet. Black Jack muss gewusst haben, dass wir früher oder später auf diesen Widerspruch aufmerksam werden. Will er uns glauben machen, seine Position sei geschwächt? Aber warum? O verdammt! Wenn wir Black Jack für schwächer halten, als er es in Wahrheit ist, dann könnten wir uns leichter dazu verleiten lassen, ihn zu provozieren. Damit würden wir ihm das Argument liefern, dass er das tun kann, was er gern tun möchte. Wir alle wissen, dass er die Kontrolle über dieses Sternensystem erlangen will.«
»Eine Methode, um uns zum Narren zu halten, damit wir unsere wahren Absichten ihm gegenüber zu erkennen geben?«, fragte Malin. »Das wäre eine denkbare Erklärung. Oder aber Black Jack versucht, uns im Ungewissen zu halten. Ich bin kein Experte für Gefechte zwischen mobilen Streitkräften, aber nach den Berichten zu urteilen, unternimmt Black Jack jedes Mal etwas Unerwartetes. Es scheint, als würde er eine bestimmte Taktik verfolgen, aber in Wahrheit bereitet er schon eine ganz andere Vorgehensweise vor.«
»Dann soll es also jetzt so aussehen, als hätte die Allianz ihn vom Flottenadmiral zum Admiral degradiert.« Drakon tippte leicht mit der Faust auf die Tischplatte. »Es ist eine Strategie. Wir müssen die Absicht dieser Strategie herausfinden, trotzdem möchte ich schon jetzt darauf wetten, dass es ihm darum geht, uns zu einem falschen Schritt zu verleiten.«
»Es könnte aber auch gegen die Regierung der Syndikatwelten auf Prime gerichtet sein«, gab Malin zu bedenken. »Ein Versuch, um sie zu einer Wiederaufnahme der Feindseligkeiten zu verführen oder einfach nur ein Verhalten herauszufordern, das gegen den Wortlaut des Friedensvertrags verstößt. Das würde Black Jack den gewünschten Vorwand liefern, um die Syndikat-Regierung endgültig und vollständig zu vernichten, damit nicht mal mehr ein Fundament der Syndikatwelten übrig bleibt, mit dem er sich herumschlagen muss.«
»Und damit bleiben noch mehr geschwächte Sternensysteme zurück, die er noch leichter seinem persönlichen Imperium einverleiben kann«, fügte Drakon nickend an. »Das könnte die Antwort sein. Und natürlich wären wir dann das erste System, das sich Black Jack aneignen will. Sie sind nicht zufällig auf weitere Abmachungen zwischen ihm und Präsidentin Iceni gestoßen? Irgendwelche Hinweise darauf, dass sie uns Black Jacks Kontrolle ausliefern will?«
»Nein, Sir. Ich bin mir auch sicher, dass keine derartige Vereinbarung existiert. Ich bin mir sicher, dass Präsidentin Iceni der Allianz genauso wenig vertraut wie Sie.«
»Und was ist mit dem Vertrauen, das sie gegenüber Black Jack gezeigt hat?«
Malin überlegte kurz. »Mein Eindruck ist, dass sie in ihm einen sehr mächtigen Rivalen sieht, Sir. So wie sie es auch bei Ihnen macht.«
»Sie stellt mich auf eine Stufe mit Black Jack?« Es hatte fast schon etwas Witziges, in einem Atemzug mit einem so starken und einflussreichen Mann genannt zu werden. »Was ist mit irgendwelchen Plänen, mich aus dem Weg zu räumen? Ich nehme an, wenn Sie in der Hinsicht fündig geworden wären, hätten Sie das gleich als Erstes angesprochen.«
»Ich habe keinerlei Pläne gefunden«, bestätigte Malin. »Sie führt zwar Akten über Sie und Ihr Handeln, aber das scheint nur für den Fall zu dienen, dass sie glaubt, einschreiten zu müssen.«
Konnte er Iceni tatsächlich vertrauen – jetzt, da er wusste, dass sie zwar genau genommen nicht gelogen, aber doch maßlos übertrieben hatte, was ihre Vereinbarungen mit Black Jack anging? Außerdem hatte sie ihm wichtige Informationen über den Mann vorenthalten, auch wenn es Malins Ansicht zufolge sein konnte, dass es ihr überhaupt nicht aufgefallen war. »Ihr Eindruck von Präsidentin Iceni ist also der, dass sie derzeit keine Bedrohung für mich darstellt.« Er formulierte es bewusst als Aussage.
»Ja, Sir«, bekräftigte Malin. »Ich bin weiterhin der Ansicht, dass jedes Vorgehen ihrerseits gegen sie ein Fehler wäre.«