Anschließend rief sie Colonel Rogero. »Sind Ihre Soldaten mit den Quartieren auf der B-78 zufrieden, Colonel?«
»Ja, Madam Präsidentin.« Obwohl er seine Gefechtsrüstung nicht trug, ging von dem Mann eine Aura aus, als sei er jederzeit zu allem bereit, was bei Iceni einen wohligen Nervenkitzel auslöste. »Allerdings gibt es hier so viel Platz und so wenig Besatzungsmitglieder, dass es fast schon ein bisschen unheimlich ist.«
»Ist alles an Ort und Stelle?«
»Wir sind auf alles gefasst«, bestätigte Rogero.
Das war ein vereinbarter Code, der besagte, dass sich Rogeros Leute notfalls gegen die Crew wenden würden, wenn das erforderlich werden sollte, um Midway zu erreichen. Das war schon ironisch, wenn sie überlegte, welche Zweifel sie gegenüber Rogero hegte. Aber sie musste darauf zählen, dass er eingreifen würde, sollte Kontos oder ein anderer an Bord des Schlachtschiffs auf die Idee kommen, doch lieber ein anderes Ziel als Midway anfliegen zu wollen.
Wenn sie ehrlich war, dann traf sie selbst ein Teil der Schuld für die Verzögerungen bei der Fertigstellung des Schlachtschiffs. Einige Techniker hatten heimlich Überbrückungen an Stellen eingebaut, an denen sie nach den Vorschriften des Syndikats streng verboten waren. Nur jemand, der Zutritt zu den drei Zitadellen hatte, konnte diese Überbrückungen installiert haben. Falls jetzt aber wieder jemand versuchen sollte, sich in diesen speziell gesicherten Bereichen einzuigeln, konnte Iceni die Überbrückungen aktivieren und umgehend in die drei Zitadellen vordringen.
Natürlich bestand immer das Risiko, dass ein Techniker das ausplauderte, auch wenn jedem von ihnen klar war, was Iceni mit ihm anstellen würde, wenn er den Mund aufmachte. Aber die Angst vor diesen Folgen und die Aussicht auf eine Belohnung für ihre Verschwiegenheit stellten so gut wie sicher, dass diese Leute den Mund hielten. Iceni hatte vor langer Zeit herausgefunden, dass man nicht nur Drohungen wahrmachen, sondern auch versprochene Belohnungen gewähren sollte. Sie hatte einmal unter einem Mann gedient, der das nicht so sah und seinen Untergebenen immer wieder Belohnungen in Aussicht stellte, diese Versprechen aber nie einlöste. Für ihn war das anscheinend ganz normal. In der Nacht, als sich ein Auftragsmörder an diesen Mann heranschlich, fanden seine Wachen, denen er wie allen anderen regelmäßig die angekündigten Belohnungen vorenthalten hatte, dass dies der ideale Moment war, um einfach eine Weile wegzuschauen.
Iceni kümmerte sich um die, die unter ihr dienten. Es war in ihrem eigenen Interesse. Dennoch konnten selbst Arbeiter, die immer gut behandelt wurden, auf einmal auf die Idee kommen, Verrat an ihren Vorgesetzten zu üben. Dank des heldenhaften Einsatzes von Kontos und der anderen überlebenden Mitglieder der Ausstattungsmannschaft hatte sie die Kontrolle über dieses Schlachtschiff erlangen können. Doch niemand würde ihr diese Kontrolle wieder entreißen, auch wenn er noch so heldenhaft auftrat.
Aber bis zum Sprungpunkt nach Midway war es bei 0,03 Licht noch ein weiter Weg.
»Etwas geschieht bei Lono«, berichtete Colonel Malin.
»Etwas Gefährliches?«, fragte Drakon.
»Möglicherweise. Ein Handelsschiff, das von dort gekommen ist, meldete, dass es drei Schwere Kreuzer und eine Reihe kleinerer Eskortschiffe gesehen hat.«
Lono. Nur einen Sprung weit von Midway entfernt. Genügend Feuerkraft, um den einzelnen Schweren Kreuzer in Stücke zu schießen, der hier im System zurückgelassen worden war. »Haben Sie etwas über den Jäger in Erfahrung bringen können, den Präsidentin Iceni nach Lono geschickt hatte?«
»Ja, Sir. Nach dem zu urteilen, was das Handelsschiff mitbekommen hat, ist vor einer Weile ein Jäger durch den Sprungpunkt von Midway ins System geflogen, der dann sofort Kurs auf den Sprungpunkt nach Milu genommen hat.«
So viel zu diesem Thema. Da hatte offenbar jemand entschieden, den Heimweg anzutreten, und dabei den Jäger gleich mitgenommen. »Was können wir nach Lono schicken, um eine Bestätigung für das zu erhalten, was dieser Frachter berichtet hat?«
»Wir können nur ein anderes Handelsschiff hinschicken, General.«
Das würde viel Zeit kosten, weil ein Frachter zu langsam war. »Wir brauchen Späher, Colonel Malin. Wie können wir Späher in den umliegenden Sternensystemen postieren, die da Ausschau halten, ob uns von irgendwoher Ärger droht?«
»Das ist eine Sache für die mobilen Streitkräfte, General.«
»Mit mobilen Streitkräften sind wir derzeit deutlich unterversorgt«, gab Drakon zurück.
Malin straffte die Schultern, da sein Komm-Signal ertönte, und er sah auf seinen Reader. »Ein Jäger ist am Sprungpunkt von Kane kommend aufgetaucht. Er sendet eine Nachricht, die für Sie bestimmt ist. Streng vertraulich.«
»Stellen Sie sie zu mir durch.« Ungeduldig wartete Drakon darauf, dass die Nachricht im Eingangsfenster auftauchte, dann markierte er sie und ließ sie abspielen.
Iceni lächelte ihn triumphierend an. »Ich kann mit Freuden berichten, dass ich eine von den Schlangen kontrollierte Flotte besiegt und die Kontrolle über das Schlachtschiff erlangt habe, das hier ausgerüstet werden sollte. Sobald das Schlachtschiff flugtauglich ist, werden wir den Rückflug nach Midway antreten.« An diese Nachricht waren mehrere Dateien angehängt, die Details zu den Ereignissen enthielten.
Drakon überflog diese Dateien. »Präsidentin Iceni hat keine ihrer Einheiten verloren, sondern noch ein paar dazubekommen. Und das Schlachtschiff.«
»Wann wird sie zurück sein?«, wollte Malin wissen.
»Das hat sie nicht gesagt. Rufen Sie den Jäger, und sagen Sie ihm, er soll Kurs auf den Sprungpunkt nach Lono nehmen. Er soll nach Lono reisen, nach der Ankunft nur einen Blick auf das System werfen und dann gleich wieder herkommen.« Die Syndikat-Flotte bei Lono konnte längst nach Midway unterwegs sein. In diesem Fall würde sie hier eintreffen, bevor der Jäger Lono erreichte, und nur noch feststellen konnte, dass dort keine Gefahr lauerte. Das ließ sich aber nicht ändern. »Wie schätzen Sie die Chancen unseres Schweren Kreuzers gegen eine Flotte mit drei Schweren Kreuzern ein?«
Malin schüttelte den Kopf. »Wenn das zutrifft, was ich über die Befehlshaberin des Schweren Kreuzers C-818 erfahren habe, würde sie eher die Flucht ergreifen, anstatt zu kämpfen.«
»Und wegen meiner Abmachung mit Präsidentin Iceni kann ich diese Frau nicht ablösen lassen. Aber die Befehlshaberin könnte in einen Unfall verwickelt werden, und dann wäre ich gezwungen, einen Ersatz zu suchen. Morgan würde das erledigen können.«
»Sir, ich möchte Ihnen von einer solchen Vorgehensweise abraten. Die Befehlshaberin der C-818 ist mit ihrer Einheit im Orbit geblieben. Sie weiß, dass das für sie persönlich die vernünftigste Vorgehensweise ist. Solange sie sich auf diesem Kriegsschiff über dem Planeten aufhält, wird es schwierig werden, überhaupt an sie heranzukommen. Und es würde sich als noch schwieriger gestalten, eine Beteiligung an dem Unfall zu leugnen, von dem sie ereilt werden sollte.«
»Verdammt! Dann können wir nur hoffen, dass wir aus Lono erst dann Besuch bekommen, wenn Präsidentin Iceni bereits zurück ist.«
Vierzehn
»Hier spricht Executive Zweiter Ebene Fon, diensttuender Befehlshabender Offizier an Bord der CL-187, für Präsidentin Iceni.«
Iceni stützte den Kopf auf einer Hand auf, während sie sich die Mitteilung ansah. Der Leichte Kreuzer CL-187 war gut viereinhalb Lichtstunden entfernt und näherte sich dem zweiten Planeten, womit diese Nachricht nicht gerade als aktuell bezeichnet werden konnte. Andererseits war das immer noch die jüngste Information aus diesem Teil des Kane-Sternensystems. Ihre eigene Flotte kroch in Begleitung des Schlachtschiffs auf den Sprungpunkt nach Midway zu, war aber immer noch fast dreißig Lichtminuten davon entfernt, was bei der gegenwärtigen Geschwindigkeit einer Reisezeit von rund sechzehn Stunden entsprach.