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La Fayette stand an der Reling, bis die Schleuse gefüllt war und man es den Feuern der Dampfmaschine gestattete, zu verlöschen. Dann ertönte das Klappklappklapp der Kanalpferde, und das Boot glitt wieder durch das Wasser. La Fayette wandte sich von der Reling ab und ging ruhig die Treppen zu seiner Kabine hinauf. Bei Tagesanbruch würden sie in Port Buffalo sein. De Maurepas und Bonaparte würden gen Westen nach Detroit reisen. La Fayette würde ins Gouverneursgebäude in Niagara zurückkehren. Dort würde er sitzen, Befehle erteilen und zusehen, wie die Politik von Paris jede Zukunft der Franzosen in Kanada zunichte machte. La Fayette konnte nicht das geringste tun, um die Amerikaner, die Roten wie die Weißen, daran zu hindern, Kanada zu übertreffen und es abzuhängen. Aber er konnte einige wenige Dinge tun, die dabei halfen, Frankreich zu einem Staat zu machen, der ebenso kühn wie Amerika nach der Zukunft greifen würde.

In seinen Gemächern legte sich La Fayette aufs Bett und lächelte. Er konnte sich vorstellen, was Bonaparte heute nacht mit dem armen, hohlköpfigen Freddie getan hatte. Der junge Comte de Maurepas war zweifellos seinem Charme erlegen. La Fayette hätte Ähnliches passieren können, doch hatte man ihn vorgewarnt, wozu Bonaparte fähig war, wie er die Leute dazu brachte, ihm ihr Leben anzuvertrauen. Für einen General war es ein sehr brauchbares Talent, solange er es nur auf seine Soldaten anwandte, damit diese gern für ihn starben. Doch Bonaparte setzte es gegen jedermann ein, solange er glaubte, daß er damit davonkommen konnte. Deshalb hatte La Fayettes guter Freund Robespierre ihm auch ein bestimmtes, juwelenbesetztes Amulett geschickt. Der Gegenzauber gegen Bonapartes Charme. Und auch ein Fläschchen Pulver — das endgültige Mittel gegen Bonaparte, falls er sich auf keine andere Weise beherrschen lassen sollte.

Keine Sorge, Robespierre, mein guter Freund, dachte La Fayette, Bonaparte wird schon am Leben bleiben. Er glaubt, daß er Kanada zu seinen eigenen Zwecken manipuliert, aber ich werde ihn manipulieren, um den Zielen der Demokratie zu dienen. Bonaparte ahnt es zwar noch nicht, aber wenn nach Frankreich zurückkehrt, wird er bereit sein, das Kommando einer Revolutionsarmee zu übernehmen, um mit seinen Fähigkeiten die Tyrannei der herrschenden Klasse zu beenden, anstatt sie dazu zu benutzen, das allerunwürdigste Haupt des König Charles mit weiteren bedeutungslosen Kronen zu schmücken.

Denn La Fayettes Talent bestand nicht darin, die Gedanken anderer Menschen zu lesen, wie de Maurepas argwöhnte, aber es kam dem schon sehr nahe. La Fayette wußte schon bei der allerersten Begegnung, was andere Männer und Frauen am meisten begehrten. Und wenn man das wußte, ließ sich alles andere erraten. La Fayette kannte Napoleon bereits besser als Napoleon sich selbst. Er wußte, daß Napoleon Bonaparte die Welt regieren wollte. Und vielleicht würde er das sogar erreichen. Doch hier in Kanada würde La Fayette erst einmal Napoleon Bonaparte regieren. Er schlief ein, das Amulett in der Hand, das ihm Sicherheit gewährte.

4. Lolla-Wossiky

Als Lolla-Wossiky Ta-Kumsaw am Tor von Fort Carthage zurückließ, wußte er, was sein Bruder dachte. Ta-Kumsaw glaubte, daß er mit seinem Faß davongehen würde, um zu trinken und zu trinken und zu trinken.

Doch Ta-Kumsaw wußte es nicht wirklich. Der weiße Mörder Harrison wußte es auch nicht. Niemand wußte etwas über Lolla-Wossiky. Dieses Faß würde ihm wahrscheinlich zwei Monate reichen. Mal hier ein kleines bißchen, mal da ein kleines bißchen. Vorsichtig, vorsichtig, nie einen Tropfen verschütten, immer nur ein wenig trinken, und das Faß dann dicht verschließen. Vielleicht reichte es sogar drei Monate lang.

Bisher hatte er sich immer in der Nähe des Forts des weißen Mörders Harrison aufhalten müssen, um etwas von dem Branntwein abzubekommen, der aus dem dunkelbraunen Krug strömte. Jetzt aber hatte er alles, was sein Herz begehrte, um seine Reise antreten zu können, seine große Reise in den Norden, wo er seinem Traumtier begegnen wollte.

Niemand wußte, daß Lolla-Wossiky ein Traumtier besaß. Der weiße Mann wußte es nicht, weil der weiße Mann keine Traumtiere hatte, denn der weiße Mann schlief die ganze Zeit und wachte nie auf. Der rote Mann wußte es nicht, weil der rote Mann Lolla-Wossiky ansah und dachte, er sei ein Whisky-Roter, der bald sterben würde, einer, der kein Traumtier hatte und nie mehr aufwachte.

Lolla-Wossiky hingegen wußte es. Er wußte um das Licht oben im Norden, er hatte es vor fünf Jahren kommen sehen. Er wußte, daß es sein Traumtier war, das nach ihm rief, doch er hatte nie losgehen können. Fünf-, sechs-, zwölfmal war er nach Norden aufgebrochen, doch dann war der Branntwein in seinem Blut versickert und das Geräusch war zurückgekehrt, dieses schreckliche, schwarze Geräusch, das ihm ständig so weh tat. Wenn das schwarze Geräusch kam, war es, als bohrten sich hundert winzige Messer in seinen Kopf, bis er das Land nicht mehr spüren, ja, nicht einmal das Licht eines Traumtiers wahrnehmen konnte und zurückkehren mußte, um den Branntwein zu suchen und das Geräusch zu betäuben, damit er überhaupt denken konnte.

Das letzte Mal war es besonders schlimm gewesen. Lange, lange Zeit war kein Branntwein mehr eingetroffen, und zum Schluß hatte selbst der weiße Mörder Harrison zwei Monate lang nicht mehr sehr viel davon für ihn übrig gehabt, vielleicht einen Becher in der Woche, nie genug, um mehr als ein paar Stunden vorzuhalten, vielleicht auch mal einen Tag lang. Zwei lange Monate das ständige schwarze Geräusch.

Das schwarze Geräusch machte, daß Lolla-Wossiky nicht richtig gehen konnte. Alles zappelte, der Boden wogte auf und ab, wie konnte man gerade gehen, wenn das Land wie Wasser aussah? Also dachten alle, daß Lolla-Wossiky betrunken wäre, daß er taumelte wie ein Whisky-Roter, daß er die ganze Zeit zu Boden stürzte. Wo bekommt der Kerl nur den Branntwein her? fragten sie sich alle. Keiner hat mehr Branntwein, aber Lolla-Wossiky betrinkt sich immer noch, wie macht er das bloß? Nicht einer hatte Augen, um zu sehen, daß Lolla-Wossiky gar nicht betrunken war. Hörten sie denn nicht, wie er sprach, ganz klar sprach, überhaupt nicht wie ein Betrunkener? Rochen sie denn nicht, daß er gar nicht nach Branntwein stank? Niemand erriet es, niemand dachte darüber nach. Sie wußten nur, Lolla-Wossiky braucht immer Branntwein. Nie kam jemand darauf, daß Lolla-Wossiky vielleicht unter Schmerzen litt, die so schlimm waren, daß er hoffte, er würde sterben.

Und wenn er dann die Augen schloß, um die Welt daran zu hindern, zu wogen wie der Fluß, meinten alle, daß er am Schlafen sei, und dann sagten sie alle möglichen Dinge. Ach, Dinge sagten sie, die eigentlich kein Roter hören sollte. Das hatte Lolla-Wossiky sehr schnell herausbekommen, und wenn das schwarze Geräusch so schlimm wurde, daß er sich am liebsten auf den Grund des Flusses gelegt hätte, um das Geräusch für immer abzuhalten, torkelte er statt dessen zum Büro des weißen Mörders Harrison und stürzte an der Tür zu Boden, um zu lauschen. Das schwarze Geräusch war zwar sehr laut, aber es war kein Ohrengeräusch, so daß er trotzdem noch die Stimmen hören konnte, auch wenn das schwarze Geräusch in seinem Kopf brüllte. Er strengte sich sehr an, um jedes Wort unter der Tür hindurch zu hören. Er wußte alles, was der weiße Mörder Harrison zu allen sagte.