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»Jesus Christus ist ein liebevoller und alles verzeihender Herr«, widersprach Reverend Thrower. »Nein, er wird nicht hier wohnen, wie ein weißer Mann in seinem Haus wohnt. Aber wenn gute Christen zum Gottesdienst wollen — um zu singen und das Wort des Herrn zu vernehmen —, dann versammeln wir uns an diesem Ort. Das ist eine Kirche. Das heißt, es wird einmal eine werden.«

»Jesus Christus spricht hier?« Lolla-Wossiky dachte, daß es interessant sein könnte, diesem wichtigen weißen Mann einmal von Angesicht zu Angesicht zu begegnen.

»Oh, nein, nicht persönlich. Ich spreche für ihn.«

Unten am Fluß des Hügels ertönte eine Frauenstimme. »Brustwehr! Brustwehr Weaver!«

Brustwehr-Gottes riß sich aus seinen Gedanken. »Das Abendessen ist fertig, und sie ruft schon. Kommt schon, Lolla-Wossiky. Betrunken oder nicht, wenn Ihr etwas zu essen wollt, könnt Ihr mitkommen und werdet etwas bekommen.«

»Ich hoffe, daß Ihr das tut«, sagte Reverend Thrower. »Und wenn wir mit dem Abendessen fertig sind, hoffe ich, Euch die Worte des Herrn Jesus näherbringen zu können.«

»Als allererstes«, sagte Lolla-Wossiky, »müßt Ihr versprechen, mich nicht einzusperren. Ich will nicht eingesperrt werden, ich muß mein Traumtier finden.«

»Wir werden Euch nicht einsperren. Ihr könnt mein Haus jederzeit verlassen.« Brustwehr-Gottes wandte sich an Reverend Thrower. »Da seht Ihr, was diese Roten von William Henry Harrison über die Weißen lernen. Branntwein und Gefängnis.«

»Was mich noch mehr bewegt, das ist sein heidnischer Glaube. Ein Traumtier! Sind Traumtiere für sie eine Art Götter?«

»Das Traumtier ist nicht Gott, es ist ein Tier, von dem sie träumen und das ihnen Dinge beibringt«, erklärte Brustwehr. »Sie ziehen immer auf eine lange Reise aus, bis sie den Traum erhalten, dann kommen sie wieder nach Hause. Das erklärt auch, was er hier zweihundert Meilen entfernt von den Hauptsiedlungen der Shaw-Nee am unteren My-Ammy zu suchen hat.«

»Traumtier ist wirklich«, sagte Lolla-Wossiky.

»Richtig«, meinte Brustwehr-Gottes. Aber Lolla-Wossiky merkte, daß er das nur sagte, um ihn nicht zu verletzen.

»Dieses arme Geschöpf bedarf ganz offensichtlich des Evangeliums Jesu«, meinte Thrower.

»Mir scheint, im Augenblick bedarf er wohl eher eines Abendessens. Mit vollem Bauch lernt sich das Evangelium am besten, meint Ihr nicht auch?«

Thrower gluckste. »Ich glaube zwar nicht, daß das irgendwo in der Bibel steht, Brustwehr-Gottes, aber ich möchte meinen, daß Ihr wohl recht habt.«

Brustwehr-Gottes stemmte die Hände in die Hüften und fragte Lolla-Wossiky wieder: »Kommt Ihr nun mit oder nicht?«

»Denke schon«, erwiderte Lolla-Wossiky.

Lolla-Wossikys Bauch war zwar voll, aber die Nahrung des weißen Mannes, weich und glatt und verkocht, grollte in seinem Inneren. Thrower redete und redete seltsame Worte. Die Geschichten waren zwar gut, doch Thrower sprach auch ständig über Erbsünde und Erlösung. Einmal, als Lolla-Wossiky glaubte, verstanden zu haben, sagte er: »Was für ein alberner Gott, läßt alle Menschen böse geboren werden, damit sie in Hölle kommen! Warum so verrückt! Alles seine Schuld!« Doch das erzürnte Thrower sehr, so daß er noch länger und noch schneller redete, bis Lolla-Wossiky seine eigenen Gedanken dazu lieber nicht mehr preisgab.

Das schwarze Geräusch kehrte zurück, lauter und lauter, je länger Thrower redete. Ließ die Wirkung des Whiskys nach? Das wäre aber sehr schnell gewesen. Und als Thrower einmal hinausging, um sich zu erleichtern, beruhigte sich das schwarze Geräusch wieder. Sehr seltsam — Lolla-Wossiky hatte noch nie bemerkt, daß jemand das schwarze Geräusch durch sein Kommen oder Gehen lauter oder leiser machen konnte.

Aber vielleicht lag das ja daran, daß er hier am Ort des Traumtiers war. Er wußte, daß es der Ort war, weil das weiße Licht ihn überall umgab, wenn er hinsah, und weil er nicht mehr sehen konnte, wohin er sonst hätte gehen sollen. Wundere dich nicht über Brücken, die das schwarze Geräusch leiser werden lassen, und über weiße Geistliche, die das schwarze Geräusch lauter machen. Wundere dich nicht über Brustwehr-Gottes mit seinem Erdgesicht, der einen roten Mann Nahrung gibt und keinen Branntwein verkauft.

Als Thrower draußen war, zeigte Brustwehr-Gottes ihm die Landkarte. »Das ist ein Bild von dem ganzen Land hier in der Gegend. Oben im Nordwesten ist der große See — die Kicky-Poo nennen ihn Fat Water. Und hier ist Fort Chicago, das ist ein Außenposten der Franzosen.«

»Franzosen. Einen Becher Whisky für einen weißen Skalp.«

»Ja, das ist im Augenblick der Preis«, meinte Brustwehr-Gottes. »Aber die Roten hier nehmen keine Skalps. Die betreiben ehrlichen Handel mit mir, und ich betreibe ehrlichen Handel mit ihnen. Und wir erschießen keine Roten, und sie töten dafür keine Weißen, um Beute zu machen. Versteht Ihr mich? Wenn Ihr durstig werdet, denkt über folgendes nach: Vor vier Jahren war hier draußen ein Whisky-Roter vom Stamme der Wee-Aw, der hat draußen im Wald einen kleinen Dänenjungen getötet. Aber glaubt Ihr, daß die Weißen ihn aufgespürt hätten? Wohl kaum; Ihr wißt genau, daß die Weißen keinen Roten in diesen Wäldern aufspüren können, schon gar nicht Farmer und Leute wie wir. Nein, es waren die Shaw-Nee und die Otty-Wa, die ihn zwei Stunden, nachdem man den Jungen vermißte, entdeckt hatten. Und meint Ihr etwa, daß die Weißen diesen Whisky-Roten bestraft hätten? O nein; sie haben diesen Wee-Aw auf den Boden gesetzt und ihn gefragt: ›Willst du dich als tapferer Krieger beweisen?‹ und als er ja sagte, haben sie sechs Stunden gebraucht, um ihn zu töten.«

»Sehr gütig«, meinte Lolla-Wossiky.

»Gütig? Das glaube ich kaum«, widersprach Brustwehr-Gottes.

»Wenn roter Mann weißen Jungen wegen Whisky tötet, lasse ich ihn nie zeigen, daß er tapferer Krieger ist. Er stirbt — pfui! Einfach so, schnell wie eine Klapperschlange, denn er ist kein Mann.«

»Ich muß schon sagen, daß ihr Roten eine seltsame Denkweise habt«, bemerkte Brustwehr. »Meint Ihr etwa, daß Ihr jemandem einen Gefallen tut, wenn Ihr ihn zu Tode foltert?«

»Nicht jemanden. Den Feind. Fängt man den Feind, und zeigt er vor dem Sterben, daß er ein tapferer Krieger ist, dann fliegt sein Geist zurück nach Hause. Erzählt seiner Mutter und seinen Schwestern, daß er tapfer gestorben ist, dann singen sie Lieder und klagen um ihn. Beweist er sich nicht als tapferer Krieger, dann fällt sein Geist flach auf den Boden und man tritt auf ihn, stampft ihn ein, er kehrt niemals mehr nach Hause, niemand erinnert sich an seinen Namen.«

»Es ist wirklich gut, daß Thrower gerade draußen ist, sonst würde er sich wohl in die Hosen machen, wenn er das gehört hätte.« Brustwehr blinzelte Lolla-Wossiky an. »Soll das heißen, daß sie diesen Wee-Aw, der den kleinen Jungen getötet hat, geehrt haben?«

»Sehr böse Sache, einen kleinen Jungen zu töten. Aber vielleicht weiß roter Mann über Whisky-Rote. Sehr durstig, ganz verrückt. Nicht wie Mann zu töten, um sein Haus zu nehmen oder seine Frau oder sein Land, wie weißer Mann es die ganze Zeit tut.«

»Ich muß schon sagen, je mehr ich über Rote erfahre, um so einleuchtender wird es. Ich schätze, ich sollte wohl jeden Abend noch länger in der Bibel lesen, sonst werde ich noch selbst zum Roten.«

Lolla-Wossiky lachte und lachte.

»Was ist daran so komisch?«

»Viele rote Männer werden zu Weißen und sterben dann. Aber nie wird ein weißer Mann zu einem Roten. Wenn ich diese Geschichte erzähle, werden alle lachen.«

»Ihr Roten habt einen Sinn für Humor, den ich einfach nicht verstehe.« Brustwehr klopfte mit der Hand auf die Landkarte. »Hier sind wir, unmittelbar flußabwärts von der Stelle, wo der Tippy-Canoe in den Wobbish fließt. Diese Punkte hier sind die Farmen der Weißen. Und die Kreise stellen die Dörfer der Roten dar. Das hier sind die Shaw-Nee, das hier die Winny-Baygo, versteht Ihr das?« Dann zeigte Brustwehr auf eine andere Stelle. »Hier unten ist Fort Carthage, das ist ein Viereck, weil es eine Stadt ist. Für uns habe ich auch ein Viereck eingetragen, obwohl wir eigentlich noch keine richtige Stadt sind. Wir nennen sie Vigor Church, wegen der Kirche, die wir gerade bauen.«