»Feuer! Feuer!« Die Rufe ertönten draußen in der Ferne, doch immer mehr Menschen wiederholten sie. Gewehre wurden abgefeuert — Notsignale.
Die drei Ruhestörer vernahmen es auch. Einer von ihnen trampelte auf Hooch herum, als sie zur Tür eilten, so eilig hatten sie es. An der Gittertür blieben sie stehen, rüttelten daran und schrien den Wächter an: »Laßt uns raus! Löscht den Brand erst, nachdem Ihr uns rausgelassen habt! Laßt uns nicht hier drin sterben!«
Hooch bemerkte den Mann kaum, der auf ihn getrampelt war, seine Schmerzen waren zu groß. Statt dessen lag er einfach da und benutzte erneut seinen Funken, nur daß er diesmal damit das Metall im Schloß der Zellentür erhitzte. Nun konnte er sehr genau zielen, wodurch sein Funke sehr viel heißer wurde.
Der Wächter kam herein und schob den Schlüssel ins Schloß, drehte ihn um und öffnete die Tür. »Ihr Jungs könnt herauskommen«, sagte er. »Der Sergeant hat es befohlen, wir brauchen euch beim Löschen.«
Hooch plagte sich auf, doch der Wächter schob ihn mit ausgestrecktem Arm wieder in die Zelle zurück. Hooch war nicht überrascht. Doch er ließ den Funken noch heißer werden, so heiß, daß das Eisen im Schloß zu schmelzen begann. Es glühte sogar etwas. Der Wächter schlug die Zellentür zu und wollte den Schlüssel umdrehen. Inzwischen war der aber so heiß geworden, daß er sich die Hand daran verbrannte. Er fluchte und versuchte, mit seinem Hemd den Schlüssel anzufassen, doch da hatte Hooch die Tür auch schon aufgetreten und schlug den Wächter zu Boden. Er trat ihm ins Gesicht und gegen den Kopf, was ihm wahrscheinlich das Genick brach, doch das betrachtete Hooch nicht als Mord. Für ihn war es nur Gerechtigkeit, denn der Wächter war bereit gewesen, ihn bei lebendigem Leib in der Zelle verbrennen zu lassen.
Hooch verließ das Gefängnis. Niemand beachtete ihn. Er konnte das Haus zwar nicht erkennen, sah aber den Rauch, der zum Himmel aufstieg. Hooch hoffte, daß das ganze Gebäude abbrennen würde.
Er selbst hatte eine Grenze kennengelernt, die er nicht überschreiten konnte. In diesem Punkt glich er Andrew Jackson mehr, als er für möglich gehalten hätte. Natürlich hatte er gehofft, mit dem Leben davonzukommen. Er konnte das Fort nicht durch das Tor verlassen, weil dort die Eimerträger eine Reihe bis zum Fluß bilden würden, so daß man ihn entdecken würde, doch es war nicht schwer, den Palisadenzaun zu erklimmen. Besonders wachsam waren die Soldaten im Augenblick nicht. Niemand bemerkte ihn. Er schritt die zehn Ellen bis zum Waldrand hinüber, dann bahnte er sich seinen Weg durch den Wald bis ans Ufer, ganz langsam, weil seine gebrochene Rippe schmerzte und er vom Aussenden der Funken etwas erschöpft war.
An der Lichtung der Anlegestelle trat er wieder aus dem Wald. Dort lag sein Flachboot, noch immer mit den Fässern beladen. Und seine Schiffsjungen standen drumherum, sahen zu, wie die Eimerträger dreißig Ellen flußabwärts Wasser schöpften. Hooch war keineswegs überrascht, daß seine Schiffsjungen nicht mithalfen. Ihr Gemeinsinn war nicht sonderlich ausgeprägt.
Hooch trat zur Anlegestelle und bedeutete seinen Schiffsjungen, daß sie ihm folgen sollten. Er sprang auf das Flachboot hinunter; dabei stolperte er ein wenig, weil er schwach war und Schmerzen hatte. Er drehte sich um, um den Jungen zu erzählen, was geschehen war, warum sie ablegen mußten, doch sie waren ihm nicht gefolgt. Sie standen einfach nur am Ufer und sahen ihn an. Wieder winkte er ihnen zu, doch sie rührten sich nicht von der Stelle.
Nun, dann würde er eben ohne sie abfahren. Gerade schritt er auf das Tau zu, um abzulegen und das Floß mit der Schifferstange abzustoßen, als er merkte, daß nicht alle Schiffsjungen an Land waren. Nein, einer fehlte. Und er wußte genau, wo der fehlende Schiffsjunge war. Direkt hier auf dem Flachboot, unmittelbar hinter ihm, mit den Händen nach ihm greifend…
Mike Fink war kein Messerstecher. Gewiß, wenn es sein mußte, würde er einen Mann auch abstechen, aber lieber war es ihm, mit bloßen Händen zu töten. Er pflegte irgend etwas über das Töten mit dem Messer zu sagen, irgendein Vergleich zwischen Huren und Besenstielen. Daher wußte Hooch jedenfalls, daß es kein Messer sein würde. Daß es nicht schnell gehen würde. Harrison mußte gewußt haben, daß Hooch die Flucht versuchen würde, deshalb hatte er Mike Fink gekauft, und nun würde Fink ihn umbringen.
Aber langsam, unheimlich langsam. Hooch hatte Zeit, dafür zu sorgen, daß er nicht allein sterben mußte.
Und als sich nun die Finger um seinen Hals schlössen und fest zudrückten, viel fester, als selbst Hooch es sich jemals hätte vorstellen können, so fest, daß er schon glaubte, es würde ihm den Kopf abreißen, zwang er sich dazu, seinen Funken zu aktivieren, das Faß zu finden, die Stelle genau, wo es sich auf dem Flachboot befand, um dieses Faß heiß werden zu lassen, so heiß wie möglich, immer heißer, immer heißer…
Und er wartete auf die Explosion, wartete und wartete, doch sie kam nicht. Er hatte das Gefühl, als hätte Fink die Finger von vorn über die Kehle bis an seine Halswirbelsäule gepreßt, und er spürte, wie die Muskeln einfach nachgaben, wie er um sich trat, wie seine Lungen sich abmühten, um die Luft einzusaugen, die einfach nicht mehr kommen wollte, doch er hielt den Funken bis zum letzten Augenblick, wartete darauf, daß das Pulverfaß explodierte. Und dann starb er.
Mike Fink drückte noch eine ganze Minute zu, nachdem er tot war, vielleicht, weil er einfach nur gern einen toten Mann von seinen Händen herabbaumeln spürte. Das konnte man bei Mike Fink nie so genau sagen. Manche Menschen meinten, daß er ein durchaus netter Mann sein konnte, wenn er entsprechend gelaunt war. Das jedenfalls dachte Mike von sich selbst. Er mochte es, nett zu sein und Freunde zu haben und richtig gesellig zu trinken. Aber zu töten liebte er nun einmal auch.
Doch schließlich konnte man einen Leichnam nicht unendlich lange festhalten. Und so schob er Hoochs reglosen Körper ins Wasser.
»Rauch«, sagte einer der Schiffsjungen und gestikulierte.
Tatsächlich, mitten zwischen den Fässern stieg Rauch auf.
»Das Pulverfaß!« rief einer von ihnen.
Die Schiffsjungen rannten sofort vor der drohenden Explosion davon, aber Mike Fink lachte nur. Er trat zu den Fässern hinüber und begann sie zu entladen, stemmte sie auf die Pier, entlud sie so lange, bis er zur Mitte gelangt war, wo sich ein Faß befand, aus dem eine Lunte hervortrat. Dieses Faß nahm er jedoch nicht in die Hände. Er kippte es mit dem Fuß um und rollte es zu der freien Stelle am Rand des Boots hinüber.
Inzwischen waren die Schiffsjungen zurückgekehrt, um zu sehen, was hier geschah, da es doch nicht den Anschein hatte, als würde Mike Fink in die Luft fliegen. »Das Beil«, rief Mike, und einer der Jungen warf ihm das Beil zu, das er in einer Scheide am Gürtel trug. Es bedurfte einiger kräftiger Hiebe, doch schließlich sprang der Deckel des Fasses auf, worauf eine gewaltige Dampfschwade emporstieg. Das Wasser im Faß war so heiß, daß es immer noch kochte.
»Soll das heißen, daß es doch kein Schießpulver war?« fragte einer der Jungen. Nicht eben gewitzt, aber die Flußarbeiter waren auch nicht gerade für ihren hervorragenden Verstand bekannt.
»Oh, es war durchaus noch Schießpulver darin, als er das Faß hier hingestellt hat«, sagte Mike. »In Suskwahenny. Aber du glaubst doch wohl nicht, daß Mike Fink den ganzen Hio River auf einem Flachboot hinauf fährt, auf dem ein Pulverfaß mit einer heraushängenden Lunte steht, oder?«
Dann sprang Mike vom Schiff auf die Pier und rief so laut er konnte, ja so laut, daß die Eimerträger innehielten, um zuzuhören: »Mein Name ist Mike Fink, Jungs, und ich bin der niederträchtigste Sohn eines Alligatoren, der jemals einem Büffel den Kopf abgebissen hat! Ich esse Männerohren zum Frühstück und Bärenohren zum Abendessen, und wenn ich durstig bin, kann ich genug trinken, um die Niagarafälle auszutrocknen. Wenn ich pisse, steigen die Leute auf ihre Flachboote und treiben fünfzig Meilen flußabwärts, und wenn ich furze, füllen die Franzosen die Luft auf Flaschen ab und verkaufen sie als Parfüm. Ich bin Mike Fink, und das hier ist mein Flachboot. Und wenn ihr erbärmlichen kleinen Wichte jemals dieses Feuer löscht, gibt es für jeden von euch ein Glas Whisky gratis!«