Und dann führte Mike Fink die Schiffsjungen hinüber zum Fort, und sie bekämpften das Feuer so lange, bis der Regen kam und es löschte.
An diesem Abend, als die Soldaten alle tranken und sangen, saß Mike Fink völlig nüchtern da und fühlte sich recht gut, nun selbst im Branntweingeschäft zu sein. Nur einer der Schiffsjungen war jetzt bei ihm, der jüngste, der bewundernd zu Fink aufsah. Er saß und spielte mit der Lunte, die einmal in das Pulverfaß geführt hatte.
»Diese Lunte hat nicht gebrannt«, sagte der Schiffsjunge.
»Nein, ich schätze nicht«, meinte Mike Fink.
»Wieso hat das Wasser dann gekocht?«
»Ich schätze, Hooch hatte wohl noch ein paar Karten im Ärmel. Vermutlich hatte er auch etwas mit dem Feuer im Fort zu tun.«
»Du hast es gewußt, nicht wahr?«
Fink schüttelte den Kopf. »Nein. Ich habe einfach nur Glück gehabt. Ich habe einfach ein Gespür für die Dinge, so, wie ich ein Gespür für dieses Pulverfaß hatte, und dann tue ich einfach, was mein Gefühl mir eingibt.«
»Meinst du so etwas wie eine magische Fähigkeit?«
Zur Antwort stand Fink auf und zog die Hosen herunter. Auf seiner linken Hinterbacke war eine matte Tätowierung zu erkennen, mit sechs Seiten und ziemlich gefährlich anmutend. »Das hat meine Mama in mich hineinpieksen lassen, als ich einen Monat alt war. Sie meinte, das würde mich schützen, damit ich eines natürlichen Todes sterbe.« Dann zeigte er dem Jungen die andere Hinterbacke. »Und dieses hier ist dafür, daß ich mein Glück mache, hat sie gesagt. Ich wußte nicht, wie die Dinger funktionieren, und sie ist gestorben, ohne es mir zu sagen, aber es sieht so aus, als würden sie dafür sorgen, daß ich einfach Glück habe. Daß ich irgendwie weiß, was ich tun muß.« Er grinste. »Immerhin habe ich jetzt ein Flachboot und eine Ladung Whisky, nicht wahr?«
»Wird der Gouverneur dir wirklich einen Orden dafür verleihen, daß du Hooch umgebracht hast?«
»Na ja, jedenfalls dafür, daß ich ihn eingefangen habe, sieht ganz so aus.«
»Ich schätze, der Gouverneur war wahrscheinlich nicht allzu traurig, daß der alte Hooch tot war.«
»Nein«, meinte Fink. »Nein, ich glaube nicht. Ich und der Gouverneur, wir sind jetzt gute Freunde. Er meint, er hat da etwas, was er erledigen muß und glaubt, daß nur ein Mann wie ich das schafft.«
Der Schiffsjunge blickte ihn treuherzig an. »Kann ich dir dabei helfen? Kann ich mit dir kommen?«
»Warst du schon mal in einen Kampf verwickelt?«
»In viele!«
»Hast du schon mal ein Ohr abgebissen?«
»Nein, aber ich habe einem Mann mal das Auge ausgestochen.«
»Augen sind leicht. Augen sind weich.«
»Und ich habe einem Mann fünf Zähne ausgeschlagen.«
Darüber dachte Fink einige Sekunden nach. Dann grinste er und nickte. »Klar kannst du mit mir kommen, Junge. Bis ich fertig bin, wird es im Umkreis von hundert Meilen von diesem Fluß nicht einen Mann, nicht eine Frau und nicht ein Kind geben, die meinen Namen nicht kennen. Zweifelst du daran, Junge?«
Der Junge zweifelte nicht daran.
Am Morgen legten Mike Fink und seine Mannschaft ab und fuhren in Richtung des Südufer des Hio, mit einem Wagen beladen, einigen Maultieren und acht Fässern Whisky. Ausgerüstet, um mit den Roten etwas Handel zu treiben.
Am Nachmittag beerdigte Gouverneur William Harrison die verkohlten Überreste seiner zweiten Frau und ihres kleinen Jungen, die beide das Pech gehabt hatten, gemeinsam im Kinderzimmer zu sein, als das Feuer ausgebrochen war.
Ein Feuer in seinem eigenen Haus, von keiner Menschenhand entzündet, das ihm das raubte, was ihm das Liebste war, und keine Macht auf Erden konnte es ihm wieder zurückgeben.
7. Gefangenschaft
Alvin Junior fühlte sich nie klein, es sei denn, daß er auf dem Rücken eines großen Pferdes saß. Nicht, daß er ein schlechter Reiter gewesen wäre — er kam mit Pferden ganz gut zurecht, sie warfen ihn nicht ab und er gab ihnen nie die Gerte. Nur hatte man die Steigbügel ganz hochschnallen und neue Löcher ins Leder stanzen müssen, damit er überhaupt reiten konnte. Al sehnte sich nach dem Tag, da er die Größe eines Erwachsenen haben würde. Andere mochten ihm zwar erzählen, daß er für sein Alter recht groß war, doch für Alvin bedeutete das gar nichts. Wenn man zehn Jahre alt war, dann war ›groß für sein Alter‹ immer noch alles andere als groß.
»Das gefällt mir nicht, meine Jungen ausgerechnet während dieser Rotenunruhen fortzuschicken«, sagte Faith Miller.
Mutter machte sich immer Sorgen, aber sie hatte auch guten Grund dazu. Sein ganzes Leben lang war Al irgendwie tolpatschig gewesen, hatte er ständig Unfälle gehabt. Zum Schluß wurde alles zwar wieder gut, aber häufig war es nur sehr knapp ausgegangen. Am schlimmsten war es vor wenigen Monaten gewesen, als der neue Mühlstein ihm aufs Bein gefallen war, wodurch er sich einen sehr häßlichen Bruch zugezogen hatte. Es hatte so ausgesehen, als würde er sterben. Und das, obwohl er wußte, daß er die Kraft besaß, sich selbst zu heilen.
Seitdem der leuchtende Mann in jener Nacht zu ihm ins Zimmer gekommen war, als er noch sechs Jahre alt gewesen war, hatte Al seine magische Fertigkeit nie benutzt, um sich selbst zu helfen. Gewiß, er konnte Steine für seinen Vater schneiden und hauen, weil das allen half. Dabei berührte er den Stein mit den Fingern, erspürte ihn, spürte die verborgenen Stellen im Stein auf, wo dieser brechen konnte, und rückte dann alles zurecht, sorgte dafür, daß es so lief, wie es sollte; dann kam der Stein genau richtig aus dem Fels, genau so, wie er es haben wollte. Doch niemals für sich selbst.
Und als er dann sein Bein gebrochen hatte und die ganze Haut abgeschürft gewesen war, da hatten alle gewußt, daß er sterben mußte. Und Al hätte seine Fähigkeit nie darauf verwandt, sich selbst zu heilen, ja, er hätte es nicht einmal versucht, wäre der alte Geschichtentauscher nicht dagewesen. Geschichtentauscher hatte gefragt, warum er sein Bein nicht selbst heilte. Und so hatte Al ihm erzählt, was er noch nie einer Menschenseele verraten hatte, die Sache mit dem leuchtenden Mann. Und Geschichtentauscher hatte ihm auch geglaubt und ihn nicht für verrückt gehalten. Er hatte Al dazu gebracht, sich noch einmal genau daran zu erinnern, was der leuchtende Mann gesagt hatte. Und da war Al wieder eingefallen, daß der leuchtende Mann nur zu ihm gesagt hatte: »Mach alle Dinge ganz.«
Mach alle Dinge ganz. Gehörte sein Bein denn nicht auch zu ›allen Dingen‹? Und so hatte er es so gut wieder gerichtet, wie er es eben konnte. Dazu hatte noch sehr viel mehr gehört, aber alles in allem hatte er seine eigene Kraft mit Hilfe seiner Familie dazu verwandt, sich selbst zu heilen. Deshalb war er überhaupt noch am Leben.
Doch in jenen Tagen hatte er dem Tod ins Auge geblickt, und er hatte sich nicht so sehr vor ihm gefürchtet, wie er geglaubt hatte. Er hatte gespürt, daß sein Körper nur eine Art Schuppen war, ein Unterschlupf für schlechtes Wetter, bis sein Haus fertig gebaut war. Wenn er starb, würde es gar nicht schlimm sein. Nur anders; und vielleicht auch besser.
Und als seine Mutter dann immer und immer wieder von den Roten angefangen hatte und wie lebensgefährlich es sei, hatte er nicht darauf geachtet. Nicht, weil er glaubte, daß sie im Unrecht sei, sondern weil es ihm nicht sonderlich wichtig war, ob er starb oder nicht.