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»Dann geht schon«, sagte Ma. »Geht schon, meine Jungen.«

Doch sie waren kaum eine Rute weiter, bevor Pa ihnen nachgerannt kam und Measures Pferd am Zügel packte. »Jungen, denkt immer dran! Die Flüsse immer nur über die Brücken überqueren! Habt ihr mich gehört? Nur die Brücken benutzen! Von hier bis zum Hatrack River besitzt jeder Fluß eine Brücke.«

»Ich weiß, Pa«, sagte Measure. »Ich habe nämlich mitgeholfen, sie zu bauen.«

»Ihr sollt sie benutzen! Mehr sage ich gar nicht. Und wenn es regnen sollte, dann macht ihr halt und sucht euch ein Haus, wo ihr rasten könnt, habt ihr mich gehört? Ich will nicht, daß ihr im Regen draußen bleibt.«

Feierlich versprachen sie es und machten sich schließlich auf den Weg.

Etwa auf halber Strecke zwischen der Farm der Hatches und der Bjornsons hatte der letzte Sturm einen Baum entwurzelt und damit den halben Weg blockiert. Zu Pferd konnten sie zwar daran vorbeikommen, doch so etwas ließ man nicht einfach unbeachtet. Vielleicht kam irgendwann einmal jemand in einem Wagen vorbei, der es eilig hatte, möglicherweise in einer stürmischen Nacht. Und so stiegen sie ab, verzehrten das Mittagessen, das Ma ihnen mitgegeben hatte, und machten sich mit ihren Äxten an die Arbeit. Es war schwere, schweißtreibende Arbeit, aber es war auch gute Arbeit, und alles in allem dauerte es kaum mehr als eine Stunde.

Natürlich unterhielten sie sich dabei. Sie kamen auf die Geschichten von dem Massakern der Roten im Süden zu sprechen. Measure war ziemlich skeptisch. »Klar, ich habe diese Geschichten auch gehört, aber wenn sie so grausam waren, dann nur, weil die Leute sie mit der Zeit ausgeschmückt haben. Diejenigen, die tatsächlich dort unten gelebt haben und vertrieben wurden, erzählen immer nur, daß Ta-Kumsaw gekommen ist und ihre Schweine und Hühner vertrieben hat, das ist alles. Von denen hat nie jemand was über grausame Metzeleien berichtet.«

Al, der ja erst zehn Jahre alt war, war dennoch geneigt, die Geschichten zu glauben; je blutiger sie waren, um so lieber. »Vielleicht haben sie ja immer gleich ganze Familien getötet, so daß keine mehr davon berichten konnte.«

»Jetzt denk doch mal darüber nach, Al! Das leuchtet nicht ein. Ta-Kumsaw will doch, daß die Weißen von dort verschwinden, nicht wahr? Er will, daß sie sich zu Tode ängstigen, damit sie ihre Sache packen und gehen, nicht wahr? Dann müßte er doch wohl auch mindestens einen am Leben lassen, der von dem Massaker berichten kann. Und selbst wenn das nicht so wäre, hätte man doch wenigstens ein paar Leichen finden müssen, oder?«

»Woher kommen die Geschichten denn dann?«

»Brustwehr-Gottes meint, daß Harrison solche Lügen verbreitet, um die Leute gegen die Roten aufzuhetzen.«

»Na, was den Brand seines Hauses und seines Stakets angeht, hat er ja wohl kaum gelogen. Das konnten die Leute doch wohl genau sehen, daß die abgebrannt sind. Und daß seine Frau und sein kleiner Junge dabei umkamen, hat er auch nicht erfunden, oder?«

»Natürlich sind die niedergebrannt, Al. Aber vielleicht waren es ja gar keine Feuerpfeile Ta-Kumsaws, die den Brand entzündet haben. Hast du daran schon mal gedacht?«

»Der Gouverneur Harrison wird doch wohl kaum sein eigenes Haus niederbrennen und seine eigene Familie umbringen, nur damit er die Leute gegen die Roten aufhetzen kann«, meinte AI. »Das ist doch wohl Blödsinn.«

Und so spekulierten auch sie über die Rotenunruhen im südlichen Teil des Wobbish-Landes, wie es zur Zeit allgemein üblich war.

Plötzlich aber waren sie von einem Dutzend Roter umringt. So nahe an ihrem Elternhaus, in einer Gegend, die sie die letzten zehn Jahre immerhin vier- oder fünfmal im Jahr durchstreift hatten, waren sie einfach nicht achtsam genug gewesen.

Es dauerte ein paar Momente, bevor sie sich zu fürchten begannen. In Prophetstown gab es haufenweise Rote, sie kamen ziemlich regelmäßig, um in Brustwehrs Laden Handel zu treiben. Also sagte Alvin, bevor er sie überhaupt richtig angeschaut hatte: »Hallo!«

Sie erwiderten sein Hallo nicht. Ihre Gesichter waren bemalt.

»Das sind keine Hallo-Roten«, sagte Measure leise. »Die haben Musketen.«

Damit war sicher, daß sie nicht aus Prophetstown stammten. Der Prophet trug seinen Anhängern auf, niemals die Waffen des weißen Mannes zu benutzen. Ein wahrer Roter brauchte nicht mit dem Gewehr zu jagen, weil das Land seine Bedürfnisse kannte und weil das Wild nahe genug für ihn herankam, um sich mit Pfeil und Bogen erlegen zu lassen. Der einzige Grund, weshalb ein Roter ein Gewehr in die Hand zu nehmen brauchte, meinte der Prophet, war Mord. Und Mord war eine Sache der Weißen. Es war also klar, daß diese Roten hier nicht sonderlich viel auf die Worte des Propheten geben konnten.

Alvin, der gerade das Seil in der Hand hielt, mit dem sie den Baumstamm weggeschafft hatten, sah einem der Roten direkt ins Gesicht. Anscheinend mußte er seine Angst offenbart haben, denn die Augen des Roten begannen zu glitzern, und er lächelte.

Dann streckte er die Hand vor.

»Gib ihm das Seil«, sagte Measure.

»Das ist unser Seil«, widersprach Al. Doch allmählich begriff er, daß das jetzt wohl keine Rolle spielte. Also reichte er ihm beide Seile.

Der Rote nahm sie ganz freundlich entgegen. Er und seine Leute machten sich sogleich an die Arbeit, zogen den Jungen die Oberbekleidung aus und fesselten ihre Arme so straff auf dem Rücken, daß ihnen die Schultergelenke weh taten.

»Was sollen die mit unseren Kleidern?« fragte Al.

Zur Antwort schlug einer der Roten ihn hart ins Gesicht. Er mußte das Geräusch mögen, das dabei entstand, denn er wiederholte den Schlag. Der Schmerz trieb Al die Tränen in die Augen, doch er schrie nicht auf, teils weil er so überrascht war, teils weil es ihn wütend machte und er ihnen keine Befriedigung verschaffen wollte. Zu prügeln gefiel den anderen Roten, auch sie begannen nun, Measure ins Gesicht zu schlagen. Sie prügelten auf die Jungen ein, bis die halb benommen waren und ihre Wangen innen und außen bluteten.

Einer der Roten plapperte etwas, dann reichte man ihm Als Hemd. Er hackte mit seinem Messer darauf ein und rieb dann Als blutendes Gesicht damit ab. Offensichtlich genügte ihm das Blut nicht, denn nun nahm er sein Messer und schnitt Al damit in die Stirn. Blut spritzte sogleich hervor, und Al spürte einen tiefen Schmerz und schrie zum ersten Mal. Measure brüllte sie an, sie sollten von Al ablassen, aber es war hoffnungslos. Jedermann wußte, daß man des Todes war, wenn ein Roter erst einmal damit angefangen hatte, einen mit dem Messer zu bearbeiten.

Kaum hatte Al aufgeschrien, als die Roten anfingen zu lachen und juchzende Geräusche auszustoßen. Dieser Haufen wollte richtigen Ärger machen, und Al dachte wieder an all die Geschichten, von denen er gehört hatte. Die berühmteste war vielleicht die Geschichte von Dan Boone, einem Mann aus Pennsylvania, der eine Weile versucht hatte, in den Kronkolonien zu siedeln. Das war zu einer Zeit gewesen, als die Cherriky noch gegen den weißen Mann gekämpft hatten, und eines Tages wurde Dan Boones Junge entführt. Die Roten hatten kaum mehr als eine halbe Stunde Vorsprung vor Boone. Es war, als würden sie mit ihm spielen. Ab und an hielten sie an, um dem Jungen Hautstücke aus dem Leib zu schneiden oder ihm ein Auge auszustechen, irgend etwas, was schlimmen Schmerz verursachte und ihn aufschreien ließ. Boon hörte seinen Jungen schreien und folgte ihm, zusammen mit seinen Nachbarn, mit ihren Musketen bewaffnet und halb verrückt vor Zorn. Sie kamen an die Stelle, wo der Junge gemartert worden war, und die Roten waren verschwunden, im ganzen Wald war keine einzige Spur zu sehen, und dann hörten sie schon wieder einen Schrei. An diesem Tag legten sie zwanzig Meilen zurück, und schließlich, gegen Nachtanbruch, fanden sie den Jungen, von drei verschiedenen Bäumen herabhängend. Man erzählte sich, daß Boone das nie vergessen hatte, danach konnte er nie wieder einem Roten in die Augen sehen, ohne an diesen Zwanzigmeilentag zu denken.