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Zum ersten Mal hörte Al davon, daß es zwischen Ta-Kumsaws Leuten und denen des Propheten Unterschiede gab.

»Woher habt Ihr dann gewußt, wo wir waren?« wollte Measure wissen. »Woher habt Ihr gewußt, wir Ihr uns finden könnt?«

»Tenskwa-Tawa hat euch gesehen«, erwiderte Ta-Kumsaw. »Er hat mir gesagt, ich soll mich beeilen und euch holen, euch vor den Chok-Taw retten, nach Mizogan bringen.«

Measure, der mit Brustwehr-Gottes' Landkarten besser vertraut war als Alvin, erkannte den Namen wieder. »Das ist der große See, wo Fort Chicago liegt.«

»Wir gehen nicht nach Fort Chicago«, widersprach Ta-Kumsaw. »Wir gehen zum heiligen Ort.«

»Zu einer Kirche?« fragte Alvin.

Ta-Kumsaw lachte. »Ihr Weißen! Wenn ihr einen Ort heilig macht, baut ihr Mauern um ihn herum, damit nichts von dem Land hineinkommt. Euer Gott ist nichts und nirgends, deshalb baut ihr eine Kirche, in der nichts Lebendiges ist, eine Kirche, die irgendwo sein könnte, es spielt keine Rolle — nichts und nirgendwo.«

»Nun, was macht einen Ort denn sonst heilig?« wollte Alvin wissen.

»Wenn der rote Mann dort mit dem Land spricht und das Land ihm antwortet.« Ta-Kumsaw grinste. »Schlaft jetzt. Wir werden losgehen, solange es noch dunkel ist.«

»Es wird aber ziemlich kühl werden, heute nacht«, meinte Measure.

»Die Frauen werden euch Decken bringen. Krieger brauchen keine. Wir haben Sommer.« Ta-Kumsaw entfernte sich einige Schritte, dann drehte er sich wieder zu Alvin um. »Weaw-Moxiky ist hinter dir gegangen, weißer Junge. Er hat gesehen, was du getan hast. Versuche nicht, dein Geheimnis vor Tenskwa-Tawa zu verbergen. Er wird es merken, wenn du lügst.« Dann war der Häuptling auch schon verschwunden.

»Wovon redet der?« fragte Measure.

»Ich wünschte, ich wüßte es«, antwortete Al. »Es wird mir schwerfallen, die Wahrheit zu sagen, wenn ich gar nicht weiß, was die Wahrheit ist.«

Schon bald kamen die Decken. Al kuschelte sich an seinen großen Bruder, mehr um Mut zu schöpfen als wegen der Wärme. Gemeinsam flüsterten sie noch eine Weile, versuchten, einen Sinn in das Ganze zu bringen. Wenn Ta-Kumsaw von Anfang an nichts mit der Sache zu tun gehabt hatte, weshalb hatten die Chok-Taw dann seinen und den Namen des Propheten in die Sättel geritzt? Und selbst wenn das ein Täuschungsmanöver gewesen sein sollte, würde es einen schlimmen Eindruck machen, wenn Ta-Kumsaw schließlich doch die Gefangenen bei sich hatte und sie zum Lake Mizogan brachte, anstatt sie einfach nach Hause zurückkehren zu lassen. Es würde mächtig viel Reden verlangen, um diese Sache nicht in einen Krieg münden zu lassen.

Doch schließlich wurden sie müde und schliefen ein.

8. Freund der Roten

Sie versammelten sich auf der Lichtung, etwa dreißig weiße Männer, mit grimmigen Gesichtern und zornig und müde vom Marsch durch die Wälder. Die Spur hatten sie zwar leicht verfolgen können, aber die Äste hatten sie immer wieder gepackt, und sie waren über das Wurzelwerk gestolpert — der Wald war nie freundlich zu einem weißen Mann. Dann hatten sie eine Stunde verloren, als die Spur in einem Bach geendet war und sie stromauf- und stromabwärts hatten suchen müssen, bis sie die Stelle gefunden hatten, wo die Roten die Jungen aus dem Wasser wieder an Land geführt hatten. Der alte Alvin Miller wurde fast wahnsinnig, als er sah, daß sie die Jungen durch das Wasser gezerrt hatten — sein Sohn Calm hatte fast zehn Minuten gebraucht, um ihn wieder zu beruhigen.

»Nie hätte ich ihn wegschicken sollen, nie hätte ich ihn ziehen lassen sollen«, sagte er immer wieder.

Und Calm wiederholte ständig: »Das hätte überall geschehen können, mach dir keine Vorwürfe, wir werden sie schon noch finden, schließlich können sie ja noch gehen, nicht wahr?« Alles mögliche sagte er, doch vor allem war es seine Stimme, die Al Miller beruhigte, das war seine Art — manche Leute meinten, es sei seine magische Fähigkeit, die Menschen zu beruhigen.

Nun standen sie auf der Lichtung, und die Spuren führten in ungefähr fünf verschiedene Richtungen davon, und alle endeten plötzlich nach wenigen Schritten. Ein paar Schritte in Richtung Nordwesten fanden sie die zerrissene Unterwäsche der Jungen im Wald. Niemand war der Meinung, daß man Al Miller so etwas zeigen sollte, und als er an die Stelle kam — mit Calm an seiner Seite — waren die Unterhosen bereits verschwunden.

»Jetzt finden wir ihre Spur nie wieder«, meinte Brustwehr-Gottes. »Die Jungen hinterlassen keine Fußabdrücke mehr — was überhaupt nichts zu bedeuten hat, Mr. Miller, also macht Euch deswegen keine Sorgen.« Brustwehr nannte seinen Schwiegervater Mr. Miller, seit Al ihn damals aus seinem Haus geworfen hatte, als er gekommen war, um ihnen mitzuteilen, daß Al Junior im Sterben liege, weil die Familie die Sünde begangen hätte, Zauber und Hexerei zu verwenden. »Vielleicht tragen sie die Jungen, vielleicht gehen sie aber auch hinter ihnen her und verwischen ihre Spuren. Wir wissen doch alle, daß ein Roter keine Spur hinterläßt, wenn er es nicht will.«

»Wir wissen alles über Rote«, meinte Al Miller. »Und auch, was sie mit weißen Jungen tun, wenn sie…«

»Bisher wissen wir nur, daß sie versuchen, uns Angst einzujagen«, versetzte Brustwehr.

»Bisher gelingt ihnen das auch gut«, meinte einer der Schweden. »Wir sind jedenfalls zu Tode erschrocken, meine Familie und ich.«

»Außerdem weiß hier auch jeder, daß Brustwehr-Gottes ein Freund der Roten ist.«

Brustwehr blickte sich um und versuchte auszumachen, wer das gesagt hatte. »Wenn Ihr unter einem Freund der Roten versteht, daß ich glaube, daß die Roten ebensolche menschlichen Wesen sind wie die Weißen, dann stimmt es. Aber wenn Ihr meinen solltet, daß ich die Roten lieber habe als die Weißen, dann solltet Ihr besser Euren Mut zusammennehmen und vortreten und es mir ins Gesicht sagen, damit ich Euch dieses Gesicht in einen Baum rammen kann.«

»Kein Grund zum Streiten«, sagte Reverend Thrower keuchend. Er war nicht sonderlich gut trainiert, so daß er sie erst jetzt erreichte. »Der Herr liebt alle seine Kinder, selbst die Heiden. Brustwehr-Gottes ist ein guter Christ. Aber wir wissen auch alle, daß Brustwehr-Gottes auf der Seite der Rechtschaffenen stehen wird, sollte es jemals zu einem Kampf zwischen Christen und Heiden kommen.«

Die Menge murmelte Zustimmung. Schließlich mochten sie Brustwehr ja alle. Er hatte den meisten von ihnen Geld geliehen oder ihnen in seinem Laden Kredit eingeräumt, und er drängte nie auf Zahlung — viele von ihnen hätten die ersten Jahre im Wobbish-Land gar nicht überlebt, wäre Brustwehr nicht gewesen. Doch Dankbarkeit hin, Dankbarkeit her, alle wußten sie auch, daß er die Roten fast so behandelte wie Weiße, was in einer solchen Zeit wie der jetzigen etwas verdächtig war.

»Es wird sofort zum Kampf kommen«, meinte ein Mann. »Wir brauchen diese Roten gar nicht erst aufzuspüren. Schließlich haben wir ihre Namen auf den Sätteln, und zwar deutlich eingraviert!«

»Einen Augenblick mal!« sagte Brustwehr-Gottes. »Denkt doch mal eine Minute nach! Seit Prophetstown auf der anderen Seite des Wobbish wächst, gegenüber von Vigor Church, hat da jemals irgendein Roter Euch auch nur einmal etwas gestohlen? Hat er einem eurer Kinder auch nur ein Haar gekrümmt? Ein Schwein entwendet? Hat er irgendeinem von euch etwas Böses getan?«

»Ich denke, Al Millers Jungen zu entführen, ist ja wohl böse genug!« erwiderte ein anderer Mann.

»Ich spreche von den Roten in Prophetstown! Ihr wißt genau, daß die nie ein Verbrechen begangen haben. Und ihr kenn auch den Grund. Der Prophet hat ihnen gesagt, sie sollten in Frieden leben, sollten in ihrem eigenen Land bleiben und dem weißen Mann keinen Schaden zufügen.«