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Das war Tenskwa-Tawas Hoffnung, daß er nämlich durch all den Schmerz des morgigen Tages hindurch die strahlende Vision würde festhalten können, um den Schmerz, das Blut, das schwarze Geräusch des Mordens in ein Ereignis umzuwandeln, das die Welt verändern würde.

Noch bevor die ersten Strahlen des Lichts am Horizont erschienen, spürte Tenskwa-Tawa die nahende Dämmerung. Er spürte sie zum Teil im sich regenden Leben im Osten, aber auch in der Bewegung unter den Weißen, als diese sich daranmachten, die Zündhölzer für ihre Kanonen zu entfachen. Vier Feuer, von Zaubern und Hexerei verborgen und dadurch enthüllt. Vier Kronen, aufgestellt, um die Stadt zu bombardieren.

Tenskwa-Tawa schritt durch die Stadt, summte leise vor sich hin. Die Bewohner hörten ihn und weckten ihre Kinder. Die Weißen wollten sie im Schlafe töten. Statt dessen jedoch traten sie in die Dunkelheit hinaus, begaben sich sicheren Fußes zur großen Weide, die als Versammlungsort diente. Hier gab es nicht genug Platz, als daß alle auch nur hätten sitzen können. So blieben sie stehen, die Familien beieinander, Vater und Mutter mit ihren Kindern, und warteten darauf, daß der weiße Mann ihr Blut vergoß.

»Die Erde wird euer Blut nicht aufsaugen«, hatte Tenskwa-Tawa ihnen versprochen. »Es wird in den Fluß strömen, und ich werde es dort behalten, all die Kraft eures Lebens und alle eure Tode, und ich werde es nutzen, um das Land am Leben zu halten und den weißen Mann an die Ländereien zu binden, die er bereits erobert und zu töten begonnen hat.«

Und so bahnte sich Tenskwa-Tawa nun seinen Weg zum Ufer des Tippy-Canoe, um zuzusehen, wie die Weide sich mit seinem Volk füllte, mit den Menschen, von denen so viele vor seinen Augen sterben würden, weil sie an seine Worte glaubten.

»Stellt Euch neben mir auf, Mr. Miller«, sagte General Harrison. »Es ist Euer Blut, das wir heute rächen werden. Ich möchte Euch die Ehre zuteil werden lassen, die erste Kugel in diesem Krieg abzufeuern.«

Mike Fink sah zu, wie der rotäugige Miller sorgfältig Ladepfropf und Kugel in den Lauf seiner Muskete stopfte. Mike erkannte den Blutdurst in seinen Augen. Es war eine Art von Wahnsinn, die einen Mann überfiel und ihn gefährlich machte, die ihn dazu befähigte, Dinge zu tun, die sonst außerhalb seiner Reichweite geblieben wäre. Mike war ziemlich froh darüber, daß Miller nicht wußte, wann und wie sein Junge gestorben war. Gewiß, Gouverneur Bill hatte ihm nie geradeaus mitgeteilt, wer der junge Mann gewesen war, aber Mike Fink war nicht auf den Kopf gefallen. Harrison spielte ein raffiniertes Spiel, soviel aber war sicher: Er würde alles tun, um nach oben zu kommen und noch mehr Land und Menschen unter seine Herrschaft zu bringen. Und Mike Fink wußte auch, daß Harrison ihn nur so lange um sich dulden würde, wie er ihm nützlich war.

Merkwürdig war nur, daß Mike Fink sich selbst nicht für einen Mörder hielt. Für ihn war das Leben ein einziger Kampf, und jene, die nur die Zweitbesten waren, mußten eben sterben, doch das war nicht dasselbe wie Mord, es war eben ein fairer Kampf. So, wie er Hooch getötet hatte — Hooch hätte nicht so achtlos zu sein brauchen. Hooch hätte bemerken können, daß Mike nicht zusammen mit den anderen Schifferjungen am Ufer stand. Hooch hätte wachsam und vorsichtig sein können, und wäre er es gewesen, so hätte Mike Fink durchaus den Tod finden können. Hooch also hatte sein Leben verloren, weil er den Wettkampf verloren hatte, den Wettkampf zwischen ihm und Mike.

Aber der Junge gestern war kein Wettläufer gewesen. Der hatte nur nach Hause gewollt. Mike Fink rang nie mit einem Mann, der nicht kämpfen wollte, und er tötete nie einen Mann, der es nicht darauf abgesehen hatte, ihn als erster zu töten, wenn er die Gelegenheit dazu bekam. Gestern war das erste Mal gewesen, daß er jemanden getötet hatte, nur weil man es ihm aufgetragen hatte, und das gefiel ihm überhaupt nicht. Mike begriff, Gouverneur Bill glaubte, daß er Hooch auf dieselbe Weise getötet habe, nur weil man es ihm befohlen hatte. Doch das stimmte nicht. Und heute sah Mike Fink den Vater des jungen Mannes an, sah all den Zorn in seinen Augen, und er sprach zu diesem Mann — aber stumm, damit niemand es hören konnte —, er sprach: Ich bin auf deiner Seite, ich stimme dir zu, daß der Mann, der deinen Jungen getötet hat, sterben sollte.

Das Problem war nur, daß dieser Mann Mike Fink selbst war. Und er schämte sich.

Das gleiche galt für die Roten in Prophetstown. Was war das für ein Wettkampf, sie mit Kartätschen zu wecken, die pfeifend durch ihre Häuser jagten, sie in Brand setzten, sich in ihre Leiber gruben, in die Leiber von Kindern und Frauen und alten Männern?

Das ist nicht mein Kampf, dachte Mike Fink.

Am Himmel erschienen die ersten Streifen der Morgendämmerung. Prophetstown war zwar immer noch ein bloßer Schatten, doch die Zeit war gekommen. Alvin Miller zielte mit seiner Muskete in die dichtstehenden Häuser und feuerte.

Wenige Sekunden später antworteten die Kanonen mit ihrem Donnern. Und schon kurz darauf loderten in der Stadt die ersten Flammen auf.

Wieder feuerten die Kanonen. Und doch lief keine Menschenseele schreiend aus einem Wigwam.

Hatte es denn niemand sonst bemerkt? Merkten sie denn nicht, daß die Roten Prophetstown alle verlassen hatten? Und wenn sie fort waren, so bedeutete das, daß sie bereits alles über den morgendlichen Angriff gewußt hatten. Und wenn sie das wußten, bedeutete dies wiederum, daß sie möglicherweise bereits im Hinterhalt lauerten. Vielleicht waren sie aber auch alle geflohen, oder vielleicht…

Mike Finks Glücksamulett brannte. Es war schrecklich heiß. Er wußte, was das zu bedeuten hatte. Zeit zu gehen. Wenn er blieb, würde ihm großes Unglück widerfahren.

Also schlüpfte er an der Reihe der Soldaten vorbei — oder an dem, was hier als Soldaten galt, da kaum mehr als ein oder zwei Tage des Drills zur Verfügung gestanden hatten, um diese rohen Farmer auszubilden. Niemand beachtete Mike Fink. Sie waren viel zu sehr damit beschäftigt, die brennenden Wigwams zu beobachten. Einige von ihnen hatten endlich bemerkt, daß anscheinend niemand mehr in der roten Stadt war, und besorgt sprachen sie miteinander darüber. Mike sagte nichts, er schritt einfach nur die Linien entlang, dem Bach entgegen.

Die Kanonen befanden sich alle auf hohem Gelände. Als er unten am Flußufer ankam, blieb Mike stehen, er traute seinen Augen nicht: Tausende und Tausende von Roten, die Schulter an Schulter auf der Weide standen. Manche von ihnen weinten leise — zweifellos waren einige verirrte Schrapnellgeschosse und Musketenkugeln bis zu ihnen gelangt, da zwei der Kanonen an gegenüberliegenden Enden der Stadt standen und in diese Richtung feuerten. Und doch rührten sie keinen Finger, um sich zu verteidigen. Es war kein Hinterhalt. Sie besaßen keine Waffen. Diese Roten hatten sich alle aufgestellt, um zu sterben.

Am Ufer befanden sich etwa ein Dutzend Kanus. Mike Fink schob eines davon ins Wasser und rollte sich hinein. Er würde flußabwärts fahren, den ganzen Wobbish hinunter bis zum Hio. Das hier war kein Krieg, sondern ein Massaker, und das war einfach nicht Mike Finks Art zu kämpfen. Fast für jeden Menschen gab es irgend etwas, das so schlimm war, daß er es niemals tun würde.

In der Dunkelheit des Kellers konnte Measure nicht erkennen, ob Alvin wirklich da war oder nicht. Doch er konnte seine Stimme hören, die sanft, aber eindringlich auf ihn einredete und sich über den Schmerz hinweg bemerkbar machte. »Ich versuche dich zu heilen, Measure, aber ich brauche dazu deine Hilfe.«

Measure war unfähig zu antworten.

»Ich habe dein Genick gerichtet und einige deiner Rippen und auch die aufgerissenen Eingeweide«, berichtete Alvin. »Und die Knochen deines linken Arms waren ziemlich gerade, die sind also schon in Ordnung, kannst du es spüren?«

Es stimmte, daß Measures linker Arm keinen Schmerz mehr ausstrahlte. Er besaß etwas Kraft, er konnte ihn bewegen.