Выбрать главу

»Tenskwa-Tawa hat prophezeit«, erwiderte Alvin, »daß Ta-Kumsaw so lange nicht sterben wird, wie ich bei ihm bin.«

Geschichtentauscher stützte Alvin. Sie stiegen den sanften, grasbewachsenen Abhang hinauf. Dann blieben sie stehen und sahen nach unten. Geschichtentauscher konnte keinen Pfad ausmachen — nur Dornensträucher, Schlingpflanzen, Büsche. »Da komme ich nicht durch.«

Alvin musterte ihn verwundert. »Der Pfad ist doch ganz deutlich zu sehen.«

»Für dich vielleicht«, antwortete Geschichtentauscher. »Aber für mich nicht.«

»Ihr seid doch auch hierhergekommen«, wandte Alvin ein.

»Ja, zusammen mit Ta-Kumsaw«, versetzte Geschichtentauscher.

»Der ist auch hinuntergekommen.«

»Ich bin kein roter Mann.«

»Ich werde Euch führen.«

Alvin machte einige forsche Schritte vorwärts, ganz leicht, wie bei einem Sommerspaziergang. Für Geschichtentauscher aber sah es so aus, als würden sich die Dornensträucher kurz für ihn öffnen, um sich hinter ihm sofort wieder dicht zu schließen. »Alvin!« rief er. »Bleib bei mir!«

Alvin kam zurück und nahm ihn bei der Hand. »Geht ganz dicht hinter mir«, forderte er ihn auf.

Geschichtentauscher versuchte es, doch noch immer schnellten die Dornenzweige zurück und schlugen ihm ins Gesicht.

Solange Alvin voranging, kam auch Geschichtentauscher weiter, doch er fühlte sich dabei, als würde man ihn von hinten durchpeitschen. Nicht einmal seine Lederkleidung konnte solchen dolchspitzen Dornen und peitschenden Zweigen längere Zeit trotzen. Er spürte, wie ihm das Blut die Arme, den Rücken und die Beine hinunterströmte. »Ich kann nicht mehr weitergehen, Alvin«, sagte Geschichtentauscher.

»Ich sehe ihn«, erwiderte Alvin.

»Wen?«

»Ta-Kumsaw. Wartet hier.«

Er ließ Geschichtentauschers Hand los. Einen kurzen Augenblick verschwand er, dann war er auch schon wieder zurück. »Folgt ganz dicht hinter mir. Es ist nur noch ein Schritt.«

Geschichtentauscher nahm seinen ganzen Mut zusammen und machte einen Schritt.

Dann führte Alvin seine Hand ein Stück nach vorn, bis sie eine andere Hand berührte, und plötzlich teilten sich die Dornensträucher ein wenig, und Geschichtentauscher konnte Ta-Kumsaw erblicken, der dort auf dem Boden lag, während ihm das Blut aus hundert Wunden seines fast nackten Körpers strömte. »Er ist allein bis hierher gekommen«, bemerkte Alvin.

Ta-Kumsaw öffnete die Augen, sie flackerten vor Zorn. »Laßt mich hier liegen«, flüsterte er.

Zur Antwort legte Geschichtentauscher Ta-Kumsaws Kopf in die Beuge seines freien Arms. Je mehr ihre Körper sich berührten, um so mehr schienen die Dornensträucher zurückzuweichen; nun konnte Geschichtentauscher eine Art Pfad ausmachen, wo zuvor keiner zu sehen gewesen war.

»Nein«, erwiderte Ta-Kumsaw.

»Wir kommen nur von hier runter, wenn wir einander helfen«, erläuterte Geschichtentauscher. »Ob es Euch gefällt oder nicht, wenn Ihr am weißen Mann Rache üben wollt, so braucht Ihr dazu anscheinend die Hilfe eines Weißen.«

»Dann laßt mich hier«, flüsterte Ta-Kumsaw. »Rettet Euer Volk, indem Ihr mich sterben laßt.«

»Ohne Euch komme ich auch nicht hinunter«, antwortete Geschichtentauscher.

»Um so besser«, antwortete Ta-Kumsaw.

Geschichtentauscher bemerkte, daß Ta-Kumsaws Wunden mittlerweile weniger geworden zu sein schienen. Und jene, die übriggeblieben waren, waren bereits verkrustet und fast geheilt. Dann fiel ihm auf, daß seine eigenen Wunden ebenfalls nicht mehr weh taten. Er blickte sich um. Alvin saß in der Nähe, an einen Baumstamm gelehnt, er hatte die Augen geschlossen und sah aus, als hätte ihn jemand gerade durchgeprügelt, so matt und erschöpft wirkte er.

»Schaut Euch an, was es ihn kostet, uns zu heilen«, sagte Geschichtentauscher.

Zur Abwechslung verriet Ta-Kumsaws Miene einmal richtige Überraschung; und dann wallte Zorn in ihm auf. »Ich habe dich nicht gebeten, mich zu heilen!« schrie er. Er riß sich aus Geschichtentauschers Umarmung und versuchte Alvin zu erreichen. Doch plötzlich schlang sich Dornengestrüpp um seinen Arm, und er schrie auf, doch nicht im Schmerz, sondern vor Wut. »Ich lasse mich nicht zwingen!« rief er.

»Warum solltet Ihr der einzige Mensch sein, der nicht gezwungen wird?« versetzte Geschichtentauscher.

»Ich werde tun, was ich mir vorgenommen habe, und nichts anderes, was immer das Land auch sagen mag!«

»Das sind die Worte des Schmieds in seiner Esse«, meinte Geschichtentauscher. »So etwas sagt der Farmer, wenn er die Bäume fällt.«

»Wagt es nicht, mich mit einem weißen Mann zu vergleichen!«

Doch das Gestrüpp hielt ihn fest, bis Geschichtentauscher sich seinen schmerzhaften Weg zu Ta-Kumsaw gebahnt und ihn wieder umarmt hatte. Wieder spürte Geschichtentauscher seine eigenen Wunden heilen, sah er, wie Ta-Kumsaws Verletzungen ebenso schnell verschwanden, wie die Schlingpflanzen von beiden abließen und abfielen. Alvin sah sie mit flehender Miene an, als wollte er sagen: Wieviel wollt ihr mir noch von meiner Kraft rauben, bevor ihr endlich tut, was ihr tun müßt?

Mit einem letzten, gequälten Schrei drehte sich Ta-Kumsaw um und umarmte Geschichtentauscher so kräftig wie zuvor. Gemeinsam folgten sie einem breiten Pfad hinunter zum Fuß des Hügels. Alvin stolperte ihnen nach.

Die Nacht verbrachten sie an derselben Stelle wie zuvor, doch es war ein unruhiger Schlaf. Am Morgen sammelte Geschichtentauscher seine wenigen Habseligkeiten ein, einschließlich des Buchs, dessen Buchstaben an diesem Ort keinen Sinn ergaben. Dann küßte er Alvin auf die Stirn und ging davon. Zu Ta-Kumsaw sagte er nichts, und auch Ta-Kumsaw sprach kein Wort mit ihm. Beide wußten, was das Land gesagt hatte, und beide wußten auch, daß Ta-Kumsaw zum ersten Mal in seinem Leben gegen das handelte, was gut für das Land war, um ein anderes Bedürfnis zu befriedigen. Geschichtentauscher versuchte nicht einmal mehr, mit ihm darüber zu diskutieren. Er wußte, daß Ta-Kumsaw seinen Weg gehen würde, egal, was geschah, und wenn es ihm tausend blutende Wunden einbrachte. Er hoffte nur, daß Alvin genug Kraft besaß, um bis zum Schluß bei ihm zu bleiben und ihn am Leben zu halten, wenn alle Hoffnung verschwunden war.

Gegen Mittag, nachdem er den ganzen Morgen in Richtung Westen gewandert war, machte Geschichtentauscher halt und zog sein Buch aus seinem Beutel. Zu seiner Erleichterung konnte er die Worte wieder lesen. Er öffnete das Siegel jenes hinteren Teils des Buches, in den er selbst zu schreiben pflegte, und verbrachte den Rest des Nachmittags damit, alles aufzuschreiben, was ihm widerfahren war, und alles, was Alvin ihm erzählt hatte.

Geschichtentauscher konnte nicht reisen wie ein roter Mann, indem er durch die Nacht schritt und ihm Gehen schlief. So brauchte er mehr als nur ein paar Tage, um nach Vigor Church zu gelangen, wo es viele Menschen geben würde, die ihm lange und bittere Geschichten zu erzählen hatten. Wenn es jemals Menschen gegeben hatte, die einen Mann wie Geschichtentauscher brauchten, damit er sich ihre Geschichte anhörte, so waren sie es. Aber es hatte noch nie eine Geschichte gegeben, vor der sich Geschichtentauscher so sehr fürchtete wie ihre. Und er scheute nicht davor zurück, sie aufzusuchen. Er konnte es ertragen. Bevor Ta-Kumsaw am Ende war, würde es noch sehr viele finstere Geschichten zu erzählen geben; da war es besser, wenn er jetzt schon anfing, um den Ereignissen nicht nachzuhinken.

16. La Fayette

Gilbert de La Fayette saß an seinem riesigen Tisch und musterte die Maserung des Holzes. Vor ihm lagen mehrere Briefe. Einer davon war ein Schreiben von de Maurepas an König Charles. Freddie war offensichtlich völlig von Napoleon eingenommen. Der Brief enthielt viel Lob für den kleinen General und seine brillante Strategie.

Und so werden wir bald den entscheidenden Sieg davontragen, Euer Majestät, um Euren Ruhm zu mehren. General Bonaparte weigert sich, sich von der militärischen Tradition Europas einengen zu lassen. Er bildet unsere Truppen darin aus, wie Rote zu kämpfen, während er zugleich die sogenannten Amerikaner dazu provoziert, wie Europäer auf offenem Feld zu kämpfen. So wie Andrew Jackson seine amerikanische Armee aushebt, werben auch wir Männer an, die sich mit weitaus größerem Recht Amerikaner nennen dürfen.