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Am nächsten Morgen führte Ta-Kumsaw ihn wieder zurück in den Wald. Sie sprachen weder von Becca noch von sonst etwas. Das einzige, was Ta-Kumsaw von sich gab, waren Anweisungen. Alvin hörte ihn nicht mehr in seiner Isaac-Stimme sprechen, so daß er sich schon zu fragen begann, ob er sie wirklich gehört hatte.

Am Nordufer des Hio, dort, wo der Wobbish mündete, versammelte sich die Armee der Roten; es waren mehr Menschen, als Alvin es sich jemals hätte vorstellen können.

Weil eine solche Gesellschaft zwangsläufig hungrig werden mußte, kamen die Tiere auch zu ihnen, ihr Bedürfnis spürend und das erfüllend, wofür sie geboren worden waren. Wußte der Wald etwa, daß all seine Hoffnungen darauf, daß er den Ängsten des weißen Mannes würde widerstehen können, von Ta-Kumsaws Sieg abhingen?

Nein, entschied Alvin, der Wald tat nur, was er immer tat — er sorgte für die Seinen.

Es regnete und die Brise wehte kühl an jenem Morgen, als sie vom Hio gen Norden aufbrachen, doch was bedeutete dem roten Mann schon der Regen? Der Kundschafter der Franzosen in Detroit war eingetroffen. Es war an der Zeit, die Truppen zusammenzuführen und die Armee von Old Hickory nach Norden zu locken.

18. Detroit

Für Frederic, Comte de Maurepas, war es eine herrliche Zeit. Weit davon entfernt, das Leben in Detroit, das keine der Annehmlichkeiten von Paris aufwies, als Hölle zu empfinden, erlebte er ausnahmsweise einmal die Begeisterung, an etwas Großem teilzuhaben. Krieg war im Anzug, in der Festung herrschte Unruhe; die heidnischen Roten sammelten sich aus allen Ecken der Wildnis, und schon bald würden die Franzosen unter dem Kommando de Maurepas' die amerikanische Lumpenarmee vernichten, die Old Chestnut nördlich des Maw-Nee geführt hatte. Oder hieß er Old Willow? Wie auch immer.

Natürlich war er auch ein wenig verunsichert. Frederic war nie ein Mann der Tat gewesen, und nun geschah plötzlich so viel auf einmal, daß er es kaum verstehen konnte. Manchmal machte es ihm zu schaffen, daß Napoleon die Wilden beim Kampf hinter Bäumen versteckte. Eigentlich sollten Europäer, selbst die barbarischen Amerikaner, doch ehrenhaft genug sein, um es den Roten nicht zu gestatten, einen unfairen Vorteil aus ihrer Fähigkeit zu ziehen, sich in den Wäldern zu verstecken. Aber sollten sie doch, Napoleon war davon überzeugt, daß die Sache gelingen würde. Was sollte auch schiefgehen? Alles entwickelte sich so, wie Napoleon es vorhergesagt hatte. Sogar der Gouverneur La Fayette, dieser hochverräterische, effeminierte Hund von einem Feuillant, schien sich für die bevorstehende Schlacht zu begeistern. Er hatte sogar ein weiteres Schiff mit Truppen geschickt, das Frederic keine zehn Minuten zuvor in den Hafen hatte einlaufen sehen.

»Mein Herr«, sagte der Abenddiener und meldete jemanden, ausgerechnet um diese Zeit.

»Wer ist es?«

»Ein Bote des Gouverneurs.«

»Herein mit ihm«, sagte Frederic. Er fühlte sich zu wohl, um den Mann erst einmal warten zu lassen, bis er sich die Fersen abgekühlt hatte. Schließlich war es schon Abend — da war es nicht nötig, so zu tun, als würde er noch schwer arbeiten. Genaugenommen war es schon nach vier!

Der Mann trat ein, in seiner Uniform sah er schneidig aus. Tatsächlich war es ein hochrangiger Offizier. Frederic hätte wahrscheinlich seinen Namen kennen müssen, andererseits war er ein Niemand, er besaß nicht einmal einen Vetter mit einem Titel. Also wartete Frederic ab, ohne ihn zu grüßen.

Der Major hielt zwei Briefe in der Hand. Einen davon legte er auf Frederics Tisch.

»Ist der andere auch für mich bestimmt?«

»Jawohl. Aber ich habe Anweisung vom Gouverneur, Euch erst diesen zu übergeben und zu warten, bis Ihr ihn in meiner Gegenwart gelesen habt, um dann zu entscheiden, ob ich Euch auch den anderen überreiche.«

»Anweisung vom Gouverneur! Ich soll so lange auf meine Post warten, bis ich erst seinen Brief gelesen habe?«

»Der zweite Brief ist nicht an Euch adressiert, mein Herr«, erwiderte der Major. »Daher handelt es sich auch nicht um Eure Post. Aber ich denke doch, daß Ihr ihn werdet sehen wollen.«

»Und was, wenn ich nun von meiner Arbeit erschöpft wäre und es vorzöge, den Brief erst morgen zu lesen?«

»Für diesen Fall habe ich noch einen weiteren Brief dabei, den ich Euren Soldaten vorlesen werde, sofern Ihr den ersten Brief nicht innerhalb von fünf Minuten lest. Dieser dritte Brief enthebt Euch Eures Kommandos und überträgt mir im Namen des Gouverneurs die Befehlsgewalt über Fort Detroit.«

»Welch empörendes Verhalten! Auf diese Weise zu mir zu sprechen!«

»Mein Herr, ich wiederhole nur die Worte des Gouverneurs. Ich ersuche Euch inständig, diesen Brief zu lesen. Es kann Euch nicht schaden, aber es hätte verheerende Auswirkungen, tätet Ihr es nicht.«

So etwas war wirklich impertinent! Für wen hielt der Gouverneur sich eigentlich? Gewiß, er war ein Marquis. Andererseits stand La Fayette jedoch weitaus weniger in der Gunst des Königs als…

»Fünf Minuten, mein Herr.«

Wütend öffnete Frederic den Brief. Er war schwer, und als er ihn auseinanderfaltete, fiel scheppernd ein Metallamulett an einer Kette auf den Schreibtisch.

»Was ist denn das?«

»Der Brief, mein Herr.«

Frederic überflog ihn schnell. »Ein Amulett! Ein heiliger Mann! Was soll ich denn davon halten? Ist La Fayette etwa abergläubisch geworden?« Doch trotz seiner Kühnheit wußte Frederic sofort, daß er das Amulett anlegen würde. Ein Schutz gegen den Satan! Er hatte schon von solchen Amuletten gehört. Sie waren von unschätzbarem Wert, denn alle waren sie von der Heiligen Mutter persönlich berührt und mit ihrer Macht versehen worden. Ob es sich um ein solches handelte? Er öffnete die Kette und befestigte es am Hals. Dann schob er es unter sein Hemd, bis es nicht mehr zu sehen war.

»So«, sagte er. »Nun trage ich es.«

»Ausgezeichnet, mein Herr«, sagte der Major. Er reichte ihm den anderen Brief. Zu Frederics Erstaunen erblickte er das Siegel Seiner Majestät im Wachs. Der Brief war an der Marquis de La Fayette gerichtet und bereits einmal geöffnet worden. Er enthielt die Order, Napoleon Bonaparte sofort unter Arrest zu stellen und ihn in Ketten nach Paris zurückzubefördern, damit dieser sich dort vor einem Gericht wegen Hochverrats, Aufruhrs, Untreue und Gesetzesübertretungen verantworten konnte.

»Glaubt Ihr etwa, daß Euer Bitten mich rühren kann?« fragte de Maurepas.

»Ich möchte doch hoffen, daß Euch die Richtigkeit meiner Einwände rühren wird«, erwiderte Napoleon. »Morgen wird die Schlacht stattfinden. Ta-Kumsaw erwartet seine Befehle von mir. Ich allein weiß genau, was von der französischen Armee in diesem Feldzug erwartet wird.«

»Ihr allein? Was ist denn das für eine plötzliche Eitelkeit auf Eurer Seite, zu glauben, daß Ihr allein fähig wäret, das Kommando zu führen.«

»Aber selbstredend versteht Ihr alles, Comte de Maurepas. Doch Eure Aufgabe ist es, das Gesamtbild im Auge zu behalten, während ich…«

»Spart Euch Eure Worte«, erwiderte de Maurepas. »Ich lasse mich nicht mehr täuschen. Eure Hexerei, Euer satanischer Einfluß, dies alles treibt an mir vorbei wie Seifenblasen in der Luft, es bedeutet mir nichts. Ich bin stärker, als Ihr geglaubt habt. Ich verfüge über geheime Kräfte!«