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»Es ist gut, wenn Ihr das tut, denn für die Öffentlichkeit werdet Ihr bald nichts anderes mehr besitzen als die Idiotie«, entgegnete Napoleon. »Die Niederlage, die Ihr ohne mich erleiden werdet, wird Euch zum größten Narren in der Geschichte der französischen Armee abstempeln. Wann immer in Zukunft jemand eine schändliche und vermeidbare Katastrophe erleidet, wird man ihn auslachen und sagen, daß er einen Maurepas begangen habe!«

»Genug«, sagte de Maurepas. »Hochverrat, Aufruhr, Gesetzesbruch, und, als wenn das nicht schon genügte, nun auch noch Insubordination. M. Guillotine wird noch mit Euch zu tun bekommen, davon bin ich überzeugt, mein eitler kleiner Zwerg! Geht nur und probiert Eure Klauen an Seiner Majestät aus, Ihr werdet schon selbst feststellen, wie tief sie sich noch ins Fleisch einschlagen, wenn Eure Glieder in Ketten liegen und Euer Kopf verwirkt ist.«

Erst am Morgen wurde der Verrat offenbar, doch dann lief es schnell und gründlich. Es begann damit, daß der französische Quartiermeister sich weigerte, an Ta-Kumsaws Leute Schießpulver auszugeben. »Ich habe meine Befehle«, sagte er.

Als Ta-Kumsaw mit Napoleon sprechen wollte, lachte man ihn aus. »Der wird Euch weder jetzt noch jemals später empfangen«, teilte man ihm mit.

Und de Maurepas?

»Der ist ein Comte. Er verhandelt nicht mit Wilden. Er ist kein Tierliebhaber wie der kleine Napoleon.«

Erst da merkte Alvin, daß alle Franzosen, mit denen sie heute zu tun bekamen, eben jene waren, die Napoleon bisher gemieden hatte. Alle Offiziere, die Napoleon bevorzugte und denen er vertraute, waren nicht mehr aufzufinden. Napoleon war gestürzt worden.

»Pfeil und Bogen«, sagte ein Offizier. »Damit sind Eure Krieger doch unschlagbar, nicht wahr? Mit Kugeln würdet Ihr doch Euren eigenen Männern mehr schaden als dem Feind.«

Ta-Kumsaws Kundschafter berichteten ihm, daß die amerikanische Armee bis zum Mittag eintreffen würde. Doch nun, da sie nicht mehr die Reichweite von Musketen besaßen, konnten sie kaum mehr tun, als die Armee Old Hickorys mit schwachen Pfeilschüssen zu belästigen, die aus viel zu großer Entfernung abgefeuert wurden, obwohl sie doch vorgehabt hatten, die Amerikaner mit einem Bleihagel in Empfang zu nehmen. Und weil die Bogenschützen sich den Amerikanern so weit nähern mußten, um überhaupt schießen zu können, wurden viele von ihnen getötet.

»Steh nicht neben mir«, sagte Ta-Kumsaw zu Alvin. »Sie wissen alle von der Prophezeiung. Sonst glauben sie noch, daß ich nur mutig bin, weil ich weiß, daß ich nicht sterben kann.«

Also stellte Alvin sich ein Stück abseits, blieb aber immer nahe genug, um tief in Ta-Kumsaws Körper hineinblicken zu können, bereit, jede etwaige Wunde zu heilen. Was er jedoch nicht heilen konnte, das waren die Furcht und der Zorn und die Verzweiflung, die sich in Ta-Kumsaws Seele bereits breitmachten. Ohne Schießpulver, ohne Napoleon war der einstmals sicher geglaubte Sieg zu einer Frage des schieren Glücks geworden.

Die grundlegende Taktik war erfolgreich. Old Hickory bemerkte die Falle sofort, doch das Gelände zwang ihn dazu, entweder hineinzulaufen oder den Rückzug zu wählen, und er wußte, daß der Rückzug das Verderben bedeutete. Also marschierte seine Armee kühn zwischen die Hügel, auf denen es von Roten nur so wimmelte, auf den schmalen Streifen zu, wo die französischen Kanonen und Gewehrschützen die Amerikaner unter Beschuß nehmen würden, während die Roten alles töten sollten, was zu fliehen versuchte. Es hätte einen vollständigen Sieg geben müssen. Nur daß man davon ausgegangen war, daß die Amerikaner demoralisiert, verwirrt und durch den Beschuß der Roten auf dem Weg zur Schlacht stark dezimiert sein würden.

Die Taktik war richtig, aber als die amerikanische Armee die französische erblickte und angesichts der Mündungen neun mit Kartätschen geladener Kanonen und zweitausend Musketen zögerte, zogen sich die Franzosen völlig unverständlicherweise zurück. Es war, als würden sie der Stärke ihrer eigenen Linien nicht trauen. Sie versuchten nicht einmal die Kanonen mitzunehmen. Sie wichen zurück, als fürchteten sie die sofortige Vernichtung.

Old Hickory wußte die Gelegenheit zu nutzen. Seine Soldaten ignorierten die Roten und stürzten sich auf die fliehenden Franzosen, machten alles nieder, was nicht davonlief, erbeuteten Kanonen, Musketen, Pulver und Kugeln.

Binnen einer Stunde hatten sie mit Hilfe der französischen Artillerie an drei Stellen Breschen in die Festungsmauern geschossen. Amerikaner strömten in Detroit ein; in den Straßen fanden blutige Kämpfe statt.

An diesem Punkt hätte Ta-Kumsaw sich zurückziehen sollen. Er hätte es den Amerikanern überlassen sollen, die Franzosen zu vernichten, hätte seine Männer in Sicherheit bringen sollen. Vielleicht fühlte er sich noch verpflichtet, den Franzosen zu helfen, selbst jetzt noch, nachdem sie ihn im Stich gelassen hatten. Vielleicht hoffte er aber auch noch darauf, daß seine Armee von Roten gegen die bereits in eine Schlacht verwickelten Amerikaner doch noch einen Sieg davontragen konnte. Vielleicht erkannte er aber auch, daß er nie wieder genug Kraft haben würde, um alle Krieger sämtlicher Stämme unter seinem Befehl zu vereinen.

Und so griffen die mit Pfeil und Bogen, mit Keulen und Messern bewaffneten Roten die amerikanische Armee von hinten an. Zuerst brachten sie blutige Ernte ein, schlugen die Weißen zu Boden, durchbohrten sie mit ihren Feuersteinklingen. Ta-Kumsaw befahl ihnen, Musketen, Pulver und Munition der Gefallenen an sich zu nehmen, und viele der Roten gehorchten. Doch dann setzte Old Hickory den disziplinierten Kern seiner Truppe ein. Die Kanonen wurden gewendet. Und die auf offenem Feld kämpfenden Roten fielen im gewaltigen Kartätschenhagel.

Am Abend brannte Detroit, und der Rauch zog durch den nahen Wald. Ta-Kumsaw stand in der Dunkelheit mit einigen wenigen hundert seiner eigenen Shaw-Nee. Hier und dort leistete ein Stamm noch Widerstand; die meisten aber verzweifelten und flohen in den Wald, wohin ihnen kein Weißer folgen konnte. Old Hickory führte persönlich den letzten Ansturm gegen Ta-Kumsaws hölzerne Festung.

Es schien, als würden die Kugeln von allen Seiten auf sie niederprasseln. Doch Ta-Kumsaw stand aufrecht da und feuerte seine Männer an, mit den Musketen zu kämpfen, die sie den gefallenen Amerikanern entwendet hatten.

Fünfzehn Minuten lang, die wie eine schiere Ewigkeit wirkten, kämpfte Ta-Kumsaw wie ein Wahnsinniger, und seine Shaw-Nee kämpften und starben neben ihm. Ta-Kumsaws Körper blühte von scharlachfarbenen Wunden; das Blut strömte von Rücken und Bauch. Schlaff hing ein Arm von seiner Seite herab. Niemand wußte, woher er die Kraft hatte, stehenzubleiben, so viele Wunden hatte er sich schon zugezogen. Doch Ta-Kumsaw war aus Fleisch und Blut wie jeder andere Mann, und schließlich fiel auch er in der raucherfüllten Dämmerung, von einem halben Dutzend Wunden niedergestreckt.

Als Ta-Kumsaw fiel, ließ das Feuer nach. Es war, als hätten die Amerikaner gewußt, daß sie nur diesen einen Mann zu töten brauchten, um den Kampfgeist der Roten auf alle Zeiten zu brechen. Die wenigen überlebenden Shaw-Nee-Krieger krochen im Rauch und der Dunkelheit davon, um die bittere Nachricht von Ta-Kumsaws Tod in jedes Dorf der Shaw-Nee zu tragen. Die große Schlacht war ein hoffnungsloses Unterfangen gewesen; man konnte dem weißen Mann nicht trauen, ob er Franzose war oder Amerikaner, so daß Ta-Kumsaws großer Plan niemals hätte gelingen können. Und doch erinnerten die Roten sich daran, daß sie sich wenigstens für eine Weile unter der Führung eines großen Mannes vereint hatten, daß sie zu einem einzigen Volk geworden waren und vom Sieg geträumt hatten. Und so erinnerte man sich Ta-Kumsaws in Liedern, als ganze Dörfer und Familien nach Westen über den Mizzipy zogen, um sich dem Propheten anzuschließen. Man gedachte seiner in Geschichten, die man sich an Kaminen erzählte; Familien erinnerten sich an ihn, die die Kleidung der Weißen trugen und auch ihre Arbeit taten. Doch immer noch wußten sie, daß es einst eine andere Art zu leben gegeben hatte und daß der größte aller Roten im Walde ein Mann namens Ta-Kumsaw gewesen war.