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1. KAPITEL Völlig verrückt, diese Franzosen

»Reden Sie, Monsieur, ich höre!«

»Ich erlaube mir um die Hand Ihrer Tochter, Miss Wat-kins, anzuhalten.«

»Um die Hand Alices?«

»Ja, Sir. Meine Bitte scheint Sie zu überraschen, doch werden Sie verzeihen, wenn ich nur schwer begreife, warum Ihnen diese so außerordentlich erscheinen kann. Ich bin 26 Jahre alt und heiße Cyprien Mere. Meines Standes Mineningenieur, ging ich mit der Note 2 von der polytechnischen Schule ab. Meine Familie genießt ein verdientes Ansehen, wenn sie auch nicht reich ist. Der französische Konsul in Kapstadt würde das, wenn Sie es wünschen, bezeugen, er und mein Freund, Pharamond Barthes, der Ihnen wohlbekannte unerschrockene Jäger, dessen Namen ganz Griqua-land nennt, würde es bekräftigen können. Ich befand mich jetzt hier im Auftrag der Akademie der Wissenschaften und der Regierung Frankreichs. Letztes Jahr hab' ich vom Institut den Preis Houdart für meine Arbeiten über die chemische Zusammensetzung der vulkanischen Felsen der Auvergne errungen. Meine Abhandlung über das Diamantengebiet des Vaal, die nahezu beendet ist, wird von der gelehrten Welt jedenfalls mit Freuden begrüßt werden. Nach der Heimkehr von meiner Mission werd' ich zum Hilfslehrer an der Bergwerksschule von Paris ernannt werden und habe mir schon eine Wohnung, Universitätsstraße 104, 3. Stock, reserviert. Meine Einkünfte belaufen sich vom nächsten ersten Januar ab auf 4800 Francs. Ich weiß, daß das kein Reichtum ist; doch durch Privatarbeiten, Untersuchungen, akademische Preise und Mitarbeiterschaft an wissenschaftlichen Zeitungen wird sich dieses Einkommen bequem verdoppeln. Ich füge hinzu, daß ich bei meiner bescheidenen Lebensweise nicht mehr brauche, um glücklich zu sein. Ich erlaube mir also, um die Hand Ihrer Tochter, Miss Watkins, anzuhalten.«

Schon aus dem sicheren und entschlossenen Ton dieser Anrede war leicht zu entnehmen, daß Cyprien Mere die Gewohnheit hatte, in allen Dingen direkt aufs Ziel loszusteuern und frei von der Leber weg zu reden.

Sein Gesichtsausdruck strafte die Wirkung seiner Worte auch nicht Lügen. Es war der eines jungen, gewohnheitsgemäß mit ernsten wissenschaftlichen Fragen beschäftigten Mannes, der den minderwertigen Dingen dieser Welt nur die unumgänglich notwendige Zeit opfert.

Seine kastanienbraunen, sehr kurz geschnittenen Haare, sein blonder, aber auch kurz gehaltener Bart, die Einfachheit seiner Reisekleidung aus grauem Zwillich, der Strohhut für 10 Sous, den er beim Eintritt höflich auf einen Stuhl abgelegt hatte - während sein Gegenüber mit der gewöhnlichen Ungeniertheit der angelsächsischen Rasse immer den Kopf bedeckt hielt -, alles an Cyprien Mere deutete auf einen ernsthaften Geist, ebenso wie sein klarer Blick auf ein reines Herz und unbeschwertes Gewissen hinwies.

Hierbei verdient bemerkt zu werden, daß der junge Franzose so vollkommen englisch sprach, als habe er sehr lange Zeit in den innersten Teilen des britischen Königreichs gewohnt.

In einem Holzlehnstuhl sitzend, das linke Bein auf einen Strohsessel ausgestreckt, den Ellbogen auf die Ecke eines groben Tisches gestemmt und gegenüber einer Flasche mit Gin, nebst einem mit dieser starken alkoholischen Flüssig-keit halbgefüllten Glas, hörte ihn Mr. Watkins, eine lange Pfeife rauchend, gelassen an.

Bekleidet war der Mann mit weißer Hose, einer Weste aus grober blauer Leinwand und einem gelblichen Flanellhemd ohne Brustlatz und Kragen. Unter dem gewaltigen Filzhut, der gleich für immer auf seinem grauschimmernden Schädel festgeschraubt schien, zeigte sich ein ziemlich rotes, etwas aufgedunsenes Gesicht, das wie mit Johannisbeergelee gefüllt erschien. Dieses wenig einnehmende Gesicht mit einzelnen Bartflocken war von zwei grauen Augen durchbohrt, die nicht eben Geduld und Wohlwollen verrieten.

Zur Entschuldigung von Mr. Watkins muß freilich angeführt werden, daß er heftig an Gicht litt, was ihn eben zwang, den linken Fuß gut verpackt zu halten und die Gicht ist - im südlichen Afrika ebenso wie in anderen Ländern -keineswegs dazu angetan, den Charakter der Leute, deren Gelenke sie peinigt, zu mildern.

Der hier geschilderte Auftritt ging im Erdgeschoß der Farm von Mr. Watkins vor sich, etwa unter dem 29. Grad südlicher Breite und dem 25. Grad östlicher Länge von Greenwich, an der Westgrenze des Oranje-Freistaats, im Norden der englischen Kapkolonie, das heißt in der Mitte des südlichen oder englisch-holländischen Afrikas. Dieses Land, dessen Grenze gegen den Südrand der großen Kala-hari-Wüste das rechte Ufer des Oranjeflusses bildet, trägt auf älteren Landkarten noch den Namen Griqualand, wird aber seit etwa 10 Jahren richtiger »Diamond Field«, das Diamantenfeld, genannt.

Das Zimmer, in dem diese diplomatische Verhandlung gepflogen wurde, war ebenso bemerkenswert wegen des auf einzelne Stücke seiner Ausstattung verschwendeten Luxus, wie wegen der Ärmlichkeit anderer Teile seiner Einrichtung. Der Fußboden zum Beispiel bestand nur aus festgeschlagenem Lehm, war aber da und dort wieder mit dicken Teppichen und kostbarem Pelzwerk belegt. An den Wänden, die niemals eine Rolle Tapeten kennengelernt hatten, hing eine prachtvolle Pendule in ziseliertem Kupfer, reiche Waffen verschiedenen Fabrikats und bunte englische Bilder in teuren Umrahmungen. Ein Samtsofa stand zur Seite eines weißen, hölzernen Tisches, der mehr für den Gebrauch in einer Küche bestimmt sein mochte. Direkt aus Europa bezogene Lehnstühle streckten Mr. Watkins vergeblich ihre Armlehnen entgegen, da dieser ihnen einen alten, einst von eigener Hand geschnitzten Sessel vorzog. Im Ganzen verlieh diese unverständige Anhäufung von Wertgegenständen, besonders aber das Durcheinander von Panther-, Leoparden-, Giraffen- und Tigerkatzenfellen, die über allen Möbeln ausgebreitet lagen, dem Raum den Charakter einer gewissen barbarischen Opulenz.

Die Gestalt der Decke wies deutlich darauf hin, daß das Haus kein weiteres Stockwerk hatte und nur aus dem Erdgeschoß bestand. Wie alle hierzulande, war es zum Teil aus Planken, zum Teil aus Lehm errichtet und mit Wellblech, das auf leichtem Sparrenwerk ruhte, abgedeckt.

Übrigens sah man, daß diese Wohnung erst vor nicht langer Zeit fertig geworden war. Man brauchte nur durch eines der Fenster zur Rechten hinauszusehen, um zur Rechten und zur Linken fünf oder sechs verlassene Baulichkeiten wahrzunehmen, die sich alle glichen, aber von ungleichem Alter und offenbar dem raschen gänzlichen Verfall preisgegeben waren. Diese bildeten ebensoviele Häuser, die Mr. Watkins nacheinander gebaut, bewohnt und verlassen hatte, je nach der Zunahme seines Wohlstands, und die also gewissermaßen dessen Stufen bezeichneten.

Das entlegenste war nur aus Rasenstücken errichtet und verdiente kaum den Namen einer Hütte. Das nächstfolgende bestand aus Lehm, das dritte aus Lehm und Planken; das vierte aus Lehm und Blech. Man sieht hieraus, wie der Fleiß von Mr. Watkins ihm gestattet hatte, in der Herstellung seiner Wohnung immer höhere Ziele zu verfolgen.

Alle diese mehr oder weniger verfallenen Baulichkeiten erhoben sich auf einem kleinen, nah dem Zusammenfluß des Vaal und der Modder - dem Hauptarm des Oran-jeflusses in diesem Teil Südafrikas - gelegenen Hügels. In der Umgebung sah man, so weit der Blick nur reichte, nach Südwesten und Norden nichts als eine traurige, nackte Ebene. Der Veld - wie man sich im Land ausdrückt, besteht aus rötlichem, trockenem, unfruchtbarem und staubigem Boden, den nur da und dort etwas mageres Gras bedeckt oder ein Dornengebüsch unterbricht. Das völlige Fehlen von Bäumen ist der entscheidende Zug in diesen Gegenden. Rechnet man hierzu, daß es ebenso an Steinkohle gebricht, daß die Verbindung mit dem Meer langsam und beschwerlich ist, so wird man sich nicht wundern, daß es hier sehr an Brennmaterial mangelt und daß man sich für häusliche Zwecke genötigt sieht, den Mist der Herden zu verfeuern.