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Cyprien durchlas diesen Brief eben noch einmal, als eine furchtbare Detonation, der ein gewaltiger Lärm im Lager folgte, ihn eiligst aus dem Zelt heraustrieb.

Eine Menge Diamantengräber stürmte in großer Unordnung und Erregung nach der Mine zu.

»Ein Einsturz!« schrie man von allen Seiten.

Die letzte Nacht war nämlich sehr frisch, fast eisig kalt gewesen, während der vorhergegangene Tag zu den wärmsten gezählt werden konnte, die man hier seit langer Zeit er-lebt hatte. Gewöhnlich haben solche schroffe Temperaturveränderungen in den frei zutage liegenden Erdschichten Zusammenziehungen zur Folge, die nicht selten mit solchen entsetzlichen Zusammenbrüchen enden.

Cyprien beeilte sich natürlich, ebenfalls nach der Kopje zu kommen. Hier übersah er mit einem Blick, was vorgegangen war.

Eine ganz gewaltige Erdwand von wenigstens 60 Meter Höhe und 200 Meter Länge hatte sich horizontal gespalten und zeigte nun einen Riß, wie die Bresche einer niedergelegten Befestigung. Mehrere hundert Zentner Kies hatten sich dabei losgelöst und waren in die Claims hinabgerutscht, die sie mit Sand, Trümmern und Kieselsteinen erfüllten. Alles, was sich in jenem Augenblick auf dem Kamm der Wand befand, Menschen, Büffel und Karren, war mit einem Mal hinuntergeschleudert und lag nun im Grund.

Zum Glück hatten die meisten Arbeiter ihr Tagewerk auf dem Grund der Mine noch nicht begonnen - sonst wäre die halbe Bewohnerzahl des Lagers begraben gewesen unter diesen Riesentrümmern.

Cypriens erster Gedanke galt seinem Teilhaber Thomas Steele. Er hatte aber bald die Freude, diesen unter einer Gruppe Männer zu bemerken, die sich über die Ursache des Zusammensturzes klarzuwerden suchten. Sofort lief er auf ihn zu und redete ihn an.

»Ja, da wären wir mit einem blauem Auge davongekommen!« sagte der Lancashireman und drückte ihm herzhaft die Hand.

»Und Matakit?« fragte Cyprien.

»Der arme Kerl liegt unten!« antwortete Thomas Steele, nach dem Haufen zeigend, der sich über ihrem gemeinschaftlichen Eigentum gebildet hatte. »Ich ließ ihn kaum hinabsteigen und wartete nur, bis er den ersten Eimer gefüllt hatte, als der Einsturz vor sich ging.«

»Wir können hier aber nicht untätig stehenbleiben, ohne den Versuch zu seiner Rettung zu machen!« rief Cyprien. »Vielleicht lebt er doch noch!«

Thomas Steele schüttelte den Kopf.

»Daß er unter 15 bis 20 Tonnen Erdreich noch leben sollte, ist doch sehr unwahrscheinlich«, meinte er. »Übrigens müßten wenigstens 10 Mann 2 bis 3 Tage arbeiten, um die Mine zu entleeren.«

»Das macht nichts!« erwiderte der junge Ingenieur entschlossen. »Es soll niemand sagen, wir hätten ein menschliches Wesen in seinem Grab verschüttet gelassen, ohne den Versuch, es daraus zu befreien!«

Dann wandte er sich durch Vermittlung Bardiks an einen der Kaffern, der sich in ihrer Nähe befand, versprach diesem den hohen Lohn von 5 Shilling pro Tag und sicherte ihn auch allen anderen zu, die sich verpflichten würden, seinen Claim unter seiner Anführung wieder freizulegen.

Etwa 30 Neger erklärten sich sofort dazu bereit, und nun ging es, ohne eine Minute zu verlieren, an die Arbeit. An Hacken, Spitzäxten und Schaufeln fehlte es nicht; Eimer und Taue waren genug zur Hand und Schuttkarren ebenfalls. Eine ganze Anzahl Weißer erbot sich, als sie vernah-men, daß es sich darum handle, einen unter der Schuttmasse begrabenen armen Teufel zu erlösen, zur freiwilligen Hilfeleistung. Elektrisiert durch den Feuereifer Cypriens, zeigte sich auch Thomas Steele nicht lässig, diese Rettungsversuche zu leiten.

Gegen Mittag waren schon mehrere Tonnen über dem Claim abgelagerten Sands und Gesteins herausgeschafft.

Um 3 Uhr stieß Bardik einen heiseren Schrei aus; er hatte unter seiner Hacke einen schwarzen, aus der Erde vorstehenden Fuß bemerkt.

Jetzt wurden die Anstrengungen verdoppelt, und wenige Minuten später war der ganze Körper Matakits ausgegraben. Der unglückliche Kaffer lag auf dem Rücken, regte sich nicht und war allem Anschein nach tot. Durch einen merkwürdigen Zufall hatte sich einer der Ledereimer, die er bei der Arbeit brauchte, ihm über das Gesicht gestürzt und bedeckte es wie eine Maske.

Dieser Umstand, der Cyprien sogleich auffiel, weckte in ihm den Gedanken, daß es doch möglich sei, den Verunglückten ins Leben zurückzurufen; in der Tat erschien diese Hoffnung nur schwach, denn das Herz schlug nicht mehr, die Haut fühlte sich ganz kalt an, die Glieder waren ziemlich steif, die Hände wie im Todeskampf zusammengeballt -und das Gesicht - mit seiner bläulichen Blässe, die man an toten Negern beobachtet - war durch den Erstickungstod entsetzlich verzerrt.

Cyprien verlor deshalb den Mut noch nicht. Er ließ Mata-kit in die Hütte Thomas Steeles schaffen, die der Unglücks-

stätte am nächsten lag. Hier legte man ihn auf den Tisch, der gewöhnlich zum Auslesen der Kiesel diente, und nun wurde der Körper systematischen Reibungen und jenen passiven Bewegungen des Brustkastens unterworfen, die eine Art künstliche Atmung erzeugen und die man gewöhnlich anwendet, um Ertrunkene wieder zu beleben. Cyprien wußte, daß diese Behandlungsweise sich überhaupt für alle Arten der Erstickung eignet, und im vorliegenden Fall hatte er auf nichts anderes zu achten, da weder eine Verwundung noch ein Knochenbruch, ja nicht einmal eine ernsthafte Erschütterung nachzuweisen war.

»Da sehen Sie, Monsieur Mere, er hat noch einen Erdklumpen in der Hand!« bemerkte Thomas Steele, der sein Möglichstes tat, den großen schwarzen Körper zu frottieren.

Und wie ging er dabei ins Zeug, der wackere Sohn von Lancashire! Und wenn er die Pleuelstange einer 12-PS-Dampfmaschine hätte mit »Armöl« polieren wollen, konnte er dazu keinen größeren Kraftaufwand brauchen.

Seine Bemühungen führten denn auch bald einen guten Erfolg herbei. Die Leichenstarre des jungen Kaffern schien allmählich nachzulassen, die Temperatur der Haut hob sich ein wenig. Cyprien, der am Herzen auf das erste Zeichen wiedererwachenden Lebens lauschte, glaubte unter seiner Hand ein leises Zittern von guter Vorbedeutung zu verspüren.

Bald wurden diese Symptome deutlicher. Der Puls fing an zu schlagen; ein leichter Atemzug hob kaum fühlbar die

Brust Matakits. Diesem folgte eine schon kräftigere Ausatmung und ließ nun auf vollständiges Gelingen dieser Bemühungen hoffen. Plötzlich wurde der schwarze Körper von Kopf bis Fuß durch zweimaliges herzhaftes Niesen erschüttert. Bis dahin noch bewegungslos, öffnete jetzt Mata-kit plötzlich die Augen, atmete und kam auch wieder zum Bewußtsein.

»Hurra! Hurra! Der arme Teufel ist gerettet!« rief Thomas Steele, der schweißtriefend nun seine Reibungen einstellte. »Aber sehen Sie nur, Monsieur Mere, er läßt den Erdklumpen noch immer nicht los, den er in den zusammengedrückten Fingern hält!«

Der junge Ingenieur hatte noch ganz andere Sorgen, als sich um einen so bedeutungslosen Umstand zu kümmern. Er flößte seinem Patienten einen Löffel voll Rum ein und richtete ihn auf, um ihm das Atmen zu erleichtern. Endlich, als dieser ganz wieder zum Leben gekommen war, wickelte er ihn in seine Decken und trug ihn mit Hilfe von zwei oder drei gutmütigen Männern nach seiner eigenen Wohnung in der Farm Watkins'.

Hier wurde der arme Kaffer in sein Bett gelegt. Bardik reichte ihm eine Tasse heißen Tee. Nach Verlauf einer Viertelstunde fiel Matakit in ruhigen, friedlichen Schlaf: er war gerettet.

Cyprien empfand im Herzen eine so unvergleichliche Leichtigkeit, die dem Menschen zuteil wird, der ein Menschenleben den Klauen des Todes entrissen hat. Wenn nun Thomas Steele und die anderen Helfer, die sich von ihren therapeutischen Übungen stark angegriffen fühlten, ihren Erfolg in der nächstgelegenen Kantine feierten und ihn mit einem Strom Bier begossen, blieb Cyprien bei Matakit zurück, nahm ein Buch zur Hand und unterbrach nur seine Lektüre, um jenen noch schlafen zu sehen, wie ein Vater, der den Schlummer seines wiedergenesenden Sohns überwacht.