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Sein Fleiß und Eifer für die Arbeit hatten es ermöglicht, den Schliff des Diamanten schon in 27 Tagen zu vollenden. Er schlüpfte des Nachts wieder in sein Haus, um dem Juwel auf der Mühle die letzte Politur zu geben, und am 29. Tag sah Cyprien den Greis wieder bei sich erscheinen.

»Hier ist der Stein!« sagte er einfach und setzte bei diesen Worten einen kleinen Holzkasten auf den Tisch.

Cyprien öffnete das Etui und stand wie versteinert da.

Auf einer Unterlage aus weißer Baumwolle ruhte, in Form eines dodekaedrischen, das ist 12flächigen Rhombo-ids ein ungeheurer schwarzer Kristall, der seine prismatischen Strahlen mit solchem Feuer aussandte, daß das ganze Labor davon erleuchtet schien. Dieses Kunstprodukt von tintenschwarzer Farbe, diamantener Durchsichtigkeit und unerreichtem Brechungsvermögen brachte einen wunderbaren, wirklich aufregenden Effekt hervor. Man empfand es, daß man hier einer einzig dastehenden Erscheinung, einem Naturspiel, das wahrscheinlich seinesgleichen nicht hatte, gegenüberstand. Von dessen Wert ganz abgesehen, nahm der Glanz des Edelsteins schon allein alle Sinne gefangen.

»Das ist nicht bloß der größte, sondern auch der schönste Diamant, den es auf Erden gibt!« sagte Jacobus Vander-gaart in ernstem Ton, dem sich ein gewisser Vaterstolz beimischte. »Er wiegt 432 Karat! Sie dürfen sich also schmeicheln, ein Prachtstück erster Ordnung geschaffen zu haben, lieber Junge, und Ihr einfacher Versuch hat gleich ein Meisterwerk geliefert!«

Cyprien hatte auf die Lobpreisung des alten Steinschneiders nicht geantwortet. Er betrachtete sich eben nur als den Urheber einer merkwürdigen Entdeckung. Ohne Zweifel hatten schon viele sich auf dem Gebiet der anorganischen Chemie nach gleichem Zweck strebend vergeblich abgemüht, wo er so unerwartet leicht zum Ziel gekommen war. Doch welche nützliche Folgen konnte die Herstellung künstlicher Diamanten für die menschliche Gesellschaft haben? Denn unvermeidlicherweise mußte diese in gewisser Zeit alle diejenigen, die vom Edelsteinhandel lebten, zugrunde richten, und würde deshalb doch niemand bereichern.

Mit dieser Vorstellung verfiel der junge Ingenieur wieder in die Berauschung, der er sich während der ersten Stunden nach seiner Entdeckung hingegeben hatte. Ja, jetzt, wo dieser Diamant in vollem Glanz aus den Händen Jacobus Vandergaarts wiederkam, erschien er auch ihm selbst nicht mehr als wertloser Kristall, dem vielleicht in naher Zukunft nicht einmal mehr der Vorzug der Seltenheit zukam.

Cyprien hatte das Kästchen wieder ergriffen, in dem der unvergleichliche Edelstein funkelte, und nachdem er noch die Hand des Greises warm gedrückt hatte, begab er sich geradewegs nach der Farm von Mr. Watkins.

Der Farmer saß noch immer unruhig, noch immer erregt wegen der für ihn so unwahrscheinlichen Rückkehr Jacobus Vandergaarts in seinem Zimmer zu ebener Erde. Seine Tochter befand sich bei ihm und suchte ihn nach Kräften zu besänftigen.

Cyprien stieß die Tür auf und blieb einen Augenblick auf der Schwelle stehen.

»Nun?« fragte John Watkins lebhaft, während er sich überraschend schnell erhob.

»Nun, der ehrliche Jacobus Vandergaart ist heute morgen heimgekehrt!« antwortete Mere.

»Mit dem Diamanten?«

»Mit dem meisterhaft geschnittenen Diamanten, der noch immer 432 Karat wiegt.«

»432 Karat!« stieß John Watkins hervor. »Und Sie haben ihn mitgebracht?«

»Hier ist er.«

Der Farmer hatte das Kästchen hastig ergriffen, hatte es aufgerissen, und seine großen Augen funkelten jetzt fast ebenso stark wie der Diamant, den er mit einer fast stumpfsinnigen Bewunderung, wie ein Geisteskranker, anstarrte. Jetzt, als er ihn in so leichter, tragbarer, körperlicher und doch glänzender Form zwischen den zitternden Fingern hielt, den kolossalen Wert, den der Edelstein darstellte, in der Hand fühlte, steigerte sich sein Entzücken zu solchem Grad, daß es beinah lächerlich erschien. Mr. Watkins hatte Tränen in der Stimme und sprach auf den Diamanten ein wie auf ein lebendes Wesen.

»Oh, der schöne, der stolze, der köstliche Stein!« rief er. »Du bist also wiedergekommen, mein Herzlieb! ... Wie prächtig du aussiehst! . . . Wie schwer du bist! . . . Wieviel magst du in guten, klingenden Guineen wert sein! . . . Was soll aus dir werden, mein Schatz? . . . Sollen wir dich nach dem Kap und von da nach London senden, um dich bewundern zu lassen? . . . Wer wäre aber reich genug, dich kaufen zu können? . . . Die Königin selbst könnte sich einen solchen Luxus nicht gestatten? ... Das verzehrte ihre Zivilliste für 2 bis 3 Jahre! . . . Es wird sich wohl ein Parlamentsbeschluß, eine nationale Subskription notwendig machen! . . . Nun, sei nur ruhig, das wird ja geschehen! . . . Dann wirst auch du im Tower zu London ausruhen können, zur Seite des Koh-i-noor, der dir gegenüber nur noch ein Knabe sein wird! ... Was magst du wohl wert sein, mein Herzensschatz?«

Er rechnete ein Weilchen im Kopf.

»Der Diamant des Zaren ist von Katharina II. mit 1 Million Rubel bar und 96.000 Francs lebenslänglicher Rente bezahlt worden. Es erscheint gewiß nicht übertrieben, für diesen hier 1 Million Pfund Sterling und 500.000 Francs fortlaufende Rente zu verlangen!«

Da fiel ihm plötzlich noch etwas anderes ein.

»Glauben Sie nicht, Monsieur Mere, daß der Eigentümer eines solchen Steins zum Pair erhoben werden müßte? Alle Arten des Verdiensts sollen doch in dem hohen Haus vertreten sein, und einen solchen Diamanten zu besitzen, ist doch kein gewöhnliches Verdienst zu nennen! ... Sieh doch, Alice, schau doch her, zwei Augen sind wahrlich nicht genug, einen solchen Stein zu bewundern!«

Zum ersten Mal in ihrem Leben betrachtete Miss Wat-kins einen Diamanten mit Interesse.

»Er ist wirklich ausnehmend schön! Er leuchtet wie ein Stück Kohle, was er ja im Grunde ist, aber wie ein Stück glühende Kohle!« sagte sie, während sie ihn sorgsam aus seinem Baumwollager herausnahm.

Darauf näherte sie sich durch eine instinktive Bewegung, die wohl bei jedem jungen Mädchen aufgetreten wäre, dem Spiegel über dem Kamin und hielt sich das kostbare Juwel an die Stirn, mitten zwischen ihr blondes Haar.

»Ein in Gold gefaßter Stern!« sagte Cyprien galant, »der sich einmal gegen seine Gewohnheit zu einem Kompliment verleiten ließ.«

»Das ist wahr! ... Einen Stern könnte man ihn nennen!« rief Alice freudig in die Hände klatschend.

»Nun gut, lassen wir ihm diesen Namen; nennen wir ihn den Stern des Südens. Wollen Sie, Monsieur Cyprien? Ist er nicht ebenso schwarz wie die eingeborenen Schönheiten dieses Landes und glanzvoll wie die Sternbilder unseres südlichen Himmels?«

»Der >Südstern<! meinetwegen«, sagte John Watkins, der auf den Namen nur sehr mittelmäßigen Wert legte. »Aber hüte dich, ihn fallen zu lassen!« fuhr er bei einer raschen Bewegung seiner Tochter erschrocken fort; »er würde wie Glas zerspringen!«

»Wirklich? . . . So zerbrechlich wäre so ein Ding?« antwortete Alice, während sie den Edelstein ziemlich verächtlich in das Kästchen zurücklegte. »Armer Stern, du bist also nur ein Gestirn zum Lachen, ein gewöhnlicher Glasflaschenstöpsel!«

»Ein Glasflaschenstöpsel!« rief Mr. Watkins halb erstickt. »Die Kinder haben doch vor gar nichts Respekt.«

»Miss Alice«, sagte da der junge Ingenieur, »Sie waren es, die mich zur Herstellung künstlicher, aber echter Diamanten veranlaßt hat. Ihnen allein verdankt der Stein seine heutige Existenz! In meinen Augen ist er freilich ein Spielzeug, das keinen Handelswert haben wird, wenn man dessen Ursprung erfährt. Ihr Herr Vater wird jedenfalls gestatten, daß ich Ihnen denselben als Erinnerung an Ihre glückliche Beeinflussung meiner Arbeiten als Geschenk anbiete.«

»Wie?« stieß Mr. Watkins hervor, der nicht verhehlen konnte, was er bei diesem unerwarteten Vorschlag empfand.

»Miss Alice«, wiederholte Cyprien, »dieser Diamant gehört Ihnen. Ich biete Ihnen denselben an . . . ich schenke ihn Ihnen!«