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Er wurde dabei aber unterbrochen von John Watkins, der in seiner Eigenschaft als Präsident des Banketts mit dem Messergriff auf den Tisch klopfte, um die herkömmlichen Toasts auszubringen.

Sofort wurde es still. Der Gastgeber erhob sich in seiner ganzen Länge, stützte beide Daumen auf das Tischtuch und begann seinen Speech mit einer durch reichliches Trinken etwas unsicher gewordenen Stimme.

Er sagte unter anderem, daß dieser Tag die wichtigste Erinnerung aus seinem Leben als Steingräber und Ansiedler bleiben werde.

Nachdem er geschildert hatte, wie hart es ihm in der Jugend gegangen war, und wie er sich jetzt hier im reichen Gri-qualand von 80 Freunden umgeben sähe, um den größten Diamanten der Welt zu feiern, sei das für ihn eine Freude, die er nimmermehr vergessen könne! ... Vielleicht könne ja morgen einer der ehrenwerten Gäste ebensogut einen noch größeren Stein finden! ... Das sei eben das Interessante, die Poesie des Diamantengrabens! (Lebhafte Zustimmung.) Dieses Glück wünschte er vor allem seinen Freunden und Gästen! . . . (Lächeln, Beifall.) Er glaube sogar versichern zu können, daß derjenige nur sehr schwer zu befriedigen sein müsse, der sich jetzt an seiner Stelle nicht zufriedengestellt fühlte! . . . Zum Schluß lud er die Tischgenossen ein, auf das Gedeihen des Griqualands, auf die Beständigkeit des Marktpreises der Diamanten - wie stark sich auch die Konkurrenz darin entwickeln möge - zu trinken, endlich aber auch auf die glückliche Reise des »Südsterns«, der nun hinaus solle in die Welt, zuerst nach dem Kap und dann nach England, um seinen Glanz bewundern zu lassen.

»Aber«, sagte Thomas Steele, »ist es nicht mit einiger Gefahr verknüpft, einen Stein von so großem Wert nach dem Kap zu senden?«

»Oh, er wird natürlich sichere Begleiter haben«, erwiderte Mr. Watkins. »Es sind schon viele Diamanten in sol-cher Weise befördert worden und glücklich ans Ziel gekommen.«

»Sogar der von Monsieur Dueurix de Sancy«, sagte Alice, »und doch möchte er ohne die Opferwilligkeit eines einfachen Dieners . . .«

»Nun, was ist ihm denn so Außerordentliches zugestoßen?« fragte James Hilton.

»So hören Sie die Anekdote«, antwortete Alice, ohne sich erst darum bitten zu lassen.

»Monsieur de Sancy war ein französischer Edelmann am Hof Heinrichs III. Er besaß einen berühmten Diamanten, der noch heute nach seinem Namen genannt wird. Nebenbei gesagt, hatte dieser Edelstein schon vorher zahlreiche Abenteuer erlebt. Er gehörte nämlich anfänglich Karl dem Furchtsamen, der ihn bei sich trug, als er unter den Mauern von Nancy getötet wurde. Ein Schweizer Soldat fand später den Stein auf der Leiche des Herzogs von Burgund und verkaufte ihn für einen Gulden an einen armen Geistlichen, der ihn für 5 oder 6 Gulden wieder an einen Juden abtrat. Zu der Zeit, als er sich im Besitz von Monsieur de Sancy befand, war der königliche Schatz einmal stark in Geldverlegenheit und Monsieur de Sancy ließ sich dazu herbei, seinen Diamanten als Pfand herzugeben, um dem König dessen Geldwert zu verschaffen. Der Darleiher befand sich aber in Metz. Der Edelstein mußte also einem Diener anvertraut werden, der ihn diesem hinschaffte.

>Fürchten Sie nicht, daß dieser Mensch damit nach

Deutschland entfliehen könne ?< fragte jemand Monsieur de Sancy.

>Ich bin seiner sicher!< antwortete dieser.

Trotz dieser Sicherheit kam weder der Mann noch der Diamant in Metz an. Auch der Hof fing endlich an, sich über Monsieur de Sancy zu mokieren.

>Ich bin meines Dieners sicher<, wiederholte dieser. >Er muß ermordet worden sein.<

Und wirklich, bei genauer Nachforschung fand sich dessen Leichnam in einem Straßengraben.

>Öffnet ihn!< sagte Monsieur de Sancy. >Der Diamant muß sich in seinem Magen befindend

Man tat, wie er sagte, und seine Voraussage fand sich bestätigt. Der einfache Held, dessen Namen die undankbare Geschichte nicht einmal aufbewahrt hat, war seiner Pflicht und der Ehre treu geblieben bis zum Tod, und verdunkelte durch den Glanz seiner Handlungsweise - darüber meldet ein alter Chronist - den Glanz und den Wert des Juwels, das er beförderte.

Es sollte mich sehr wundern«, fügte Alice als Beendigung ihrer Erzählung hinzu, »wenn der >Südstern< im gegebenen Fall während seiner Reise nicht jemand dieselbe Ergebenheit einzuflößen imstande wäre!«

Einstimmiger Beifall begrüßte die Worte von Miss Wat-kins, 80 Arme erhoben die gleiche Anzahl Gläser und alle Augen wendeten sich unwillkürlich nach dem Kamin, um dem unvergleichlichen Edelstein dort ihre Huldigung darzubringen.

Der »Südstern« war nicht mehr auf seinem Sockel, wo er noch kurz vorher hinter dem Rücken John Watkins' geflammt hatte !

Das Erstaunen der 80 Gesichter war so sprechend, daß der Gastgeber sich sofort umdrehte, um dessen Ursache zu ergründen.

Kaum hatte er den Grund wahrgenommen, als man ihn, wie vom Blitz getroffen, bleich in seinen Sessel zurücksinken sah.

Alle drängten sich um ihn, lüfteten ihm die Krawatte, spritzten im Wasser ins Gesicht . . . er erwachte endlich aus seiner Betäubung.

»Der Diamant!« kreischte er mit entsetzlicher Stimme. »Der Diamant! Wer hat den Diamanten genommen?«

»Daß niemand hier weggeht, meine Herren!« befahl der Anführer der Polizeiabteilung, der schon den Ausgang des Saals besetzen ließ.

Alle Tischgenossen sahen sich erschreckt an und tauschten ihre Meinung mit gedämpfter Stimme gegenseitig aus. Keine 5 Minuten waren verflossen, als die meisten von ihnen den Diamanten noch gesehen oder wenigstens noch zu sehen geglaubt hatten. Trotzdem konnte sich niemand der Tatsache verschließen, daß der Diamant verschwunden war.

»Ich verlange, daß alle Anwesenden visitiert werden, ehe sie weggehen!« schlug Thomas Steele mit seiner gewöhnlichen Geradheit vor.

»Ja! . . . Ja!« antwortete die Versammlung scheinbar einstimmig.

Dieser Vorschlag schien John Watkins einen Schimmer von Hoffnung wiederzugeben.

Der Polizeioffizier ließ also alle Tischgäste längs einer Seite des Raums aufstellen und begann sie nacheinander der peinlichsten Untersuchung zu unterziehen. Er drehte alle ihre Taschen um, ließ sie die Schuhe ausziehen und überall an der Kleidung betasten. Dann verfuhr er ebenso mit seinen eigenen Leuten. Endlich mußten die Gäste einzeln an ihm vorübergehen und wurden dabei noch mehrmals der genauesten Besichtigung unterworfen.

Diese Untersuchungen führten zu keinem Resultat.

Alle Ecken und Winkel des Raums wurden sodann mit größter Gewissenhaftigkeit abgesucht. Nirgends fand sich auch nur eine Spur von dem Diamanten.

»So sind nur noch die Kaffern übrig, die bei der Tafel aufgewartet haben«, sagte der Polizeioffizier, der nicht gern unverrichteterdinge abziehen wollte.

»Das ist klar! . . . Die Kaffern sind es gewesen!« tönte ihm als Antwort entgegen. »Sie sind von Natur Diebe genug, um diesen Streich ausgeführt zu haben.«

Die armen Teufel hatten sich indes schon vorher zurückgezogen, ehe John Watkins seinen Toast ausbrachte, da sie nicht mehr vonnöten waren. Sie kauerten draußen alle zusammen um ein großes Feuer, das unter freiem Himmel emporloderte, und nachdem sie von übriggebliebenem Fleisch sich ein Gütchen getan, begannen sie eben ein Konzert, wie es im Kaffernland Mode ist. Aus einer Kürbisflasche bestehende Gitarren, Flöten, die mit der Nase angeblasen wurden, hellklingende Tamtams aller Art intonierten eben das ohrzerreißende Geräusch, das jeder musikalischen Aufführung der Eingeborenen Südafrikas vorhergeht.