Cyprien hatte bald Ursache, sich zu beglückwünschen, daß er Li und Bardik mitgenommen hatte, als es sich darum handelte, die für den Zug nötige Ausrüstung zu besorgen. Es ist in solchen Fällen keine so leichtes Sache, diejenigen Dinge auszuwählen, die wirklich als nützlich zu bezeichnen sind. Die eigenen Erfahrungen in der Wüste vermag nichts zu ersetzen. Cyprien mochte noch so bewandert in der Differential- und Integralrechnung sein, vom Leben im Veld, von dem auf dem Treck oder »auf den Spuren der Wagenräder«, wie man sich da unten ausdrückt, verstand er nicht das Abc. Seine Gefährten schienen auch gar nicht geneigt, ihn mit Rat und Tat zu unterstützen, sondern zeigten vielmehr einen gewissen Hang, ihn irrezuführen.
Was den mit regensicherer Plane bedeckten Wagen, das Büffelgespann und den mitzunehmenden Proviant betraf, ging die Sache ziemlich leicht und glatt ab. Hierbei zwang schon das allgemeine Interesse diese verständig auszuwählen, und James Hilton besorgte das völlig tadellos; das eine oder andere blieb aber doch der persönlichen Entscheidung jedes einzelnen überlassen - zum Beispiel der Ankauf eines Pferdes.
Cyprien hatte sich beinah auf dem Marktplatz für ein hübsches 3jähriges Tier entschieden, das ebenso voller Feuer schien, wie er es um mäßigen Preis erhalten sollte.
Bei einem kurzen Proberitt erwies es sich als gut dressiert, und schon wollte er dem Käufer die ausbedungene Summe zahlen, als ihn Bardik beiseite nahm und zu ihm sagte:
»Wie, Väterchen, dieses Pferd willst du kaufen?«
»Gewiß, Bardik! Es ist das schönste, das ich je zu so niedrigem Preis gefunden habe.«
»Das solltest du nicht nehmen, selbst wenn man es dir schenken wollte«, sagte der junge Kaffer. »Einer Reise durch den Transvaal würde dieses Pferd keine 8 Tage gewachsen sein.«
»Was willst du damit sagen?« erwiderte Cyprien. »Fällt es dir jetzt etwa ein, mir gegenüber den Wahrsager zu spielen?«
»Nein, Väterchen, aber Bardik kennt die Wüste und versichert dir, daß dieses Pferd nicht >gesalzen< ist.«
»Nicht >gesalzen<? Willst du mir einreden, daß ich ein Pferd aus dem Pökelfaß kaufen soll?«
»Nein, Väterchen; das bedeutet, daß es die Krankheit des Veld noch nicht durchgemacht hat. Die würde es auf jeden Fall sehr bald bekommen, und wenn es nicht daran zugrunde geht, würd' es dir doch nichts mehr nützen können.«
»Ah, so«, erwiderte Cyprien, betroffen von der Erklärung, die ihm sein Diener gab. »Und worin besteht diese Krankheit?«
»Sie tritt als hitziges, mit starkem Husten begleitetes Fieber auf«, antwortete Bardik. »Es ist unumgänglich notwendig, nur Pferde zu kaufen, die das schon durchgemacht ha-
ben - was man an ihrem Aussehen leicht erkennt -, weil es nur sehr selten vorkommt, daß sie jener Krankheit ein zweites Mal verfallen.«
Einer solchen Aussicht gegenüber war kein Schwanken möglich. Cyprien unterbrach sofort die Kaufverhandlungen und zog weitere Erkundigungen ein. Jedermann bestätigte ihm die Ansichten Bardiks. Es war das eine im Land so allbekannte Tatsache, daß man sie gar nicht mehr zu erwähnen pflegte.
Als er sich hierdurch von seiner mangelnden Erfahrung überzeugt hatte, wurde der junge Ingenieur klüger und sicherte sich die Mithilfe eines alten Tierarztes aus Potchef-stroom. Dank der Mitwirkung jenes Fachkenners gelang es ihm binnen weniger Stunden, sich ein für eine solche Reise geeignetes Pferd zu verschaffen. Es war schon alt, von grauer Farbe, hatte eigentlich nur Haut und Knochen und besaß auch nur einen Rest von Schweif. Der Tierarzt bedurfte nur eines Blicks, um sich zu überzeugen, daß dieses Exemplar mindestens »gesalzen« war, und obwohl es einen etwas harten Gang hatte, war es offenbar im ganzen weit mehr wert, als es äußerlich versprach. Templar - das war sein Name - genoß im Land allgemein das Ansehen eines Pferdes von großer Leistungsfähigkeit, und auch Bardik, dessen Rat wohl gehört zu werden verdiente, erklärte sich nach dessen Besichtigung für vollkommen befriedigt.
Gerade er sollte übrigens mit der Führung des Wagens und des Büffelgespanns betraut werden, eine Funktion, in der sein Kamerad Li ihn zu unterstützen bestimmt war.
Cyprien brauchte sich also nicht darum zu sorgen, weder den einen noch den andern beritten zu machen, wozu er auch, nach Aufwendung des verhältnismäßig hohen Preises für Anschaffung seines eigenen Pferdes, jetzt gar nicht in der Lage gewesen wäre.
Die Frage der Beschaffung von Waffen war ebenfalls nicht so leichter Hand zu lösen. Cyprien hatte für sich Flinten gewählt, eine vortreffliche Martini-Henry-Büchse und einen Remington-Karabiner, die sich zwar beide nicht durch besondere Eleganz auszeichneten, aber sicher schossen und leicht und genau zu laden waren.
Niemals hätte er jedoch, wenn ihn der Chinese nicht darauf aufmerksam gemacht hätte, daran gedacht, sich mit einem Vorrat von Sprenggeschossen zu versehen. Er hielt sich für hinreichend ausgerüstet, wenn er Pulver und Blei für 5- bis 600 Schuß mitnahm, und war nicht wenig überrascht zu hören, daß 4000 Gewehrschüsse das mindeste seien, was man bei einer Fahrt durch diese Gegend voll wilder Tiere und kaum weniger wilder Einwohner als notwendig erachtete.
Cyprien mußte sich also noch zwei Revolver für Sprengkugelgeschosse anschaffen und er vervollständigte seine Bewaffnung ferner durch den Ankauf eines vorzüglichen Jagdmessers oder Hirschfängers, der schon seit 5 Jahren im Schaufenster des Waffenhändlers in Potchefstroom geprangt hatte, ohne daß sich jemand entschlossen hätte, ihn zu kaufen.
Wiederum war es Li, der auf dieser Erwerbung bestand, indem er versicherte, daß sich kaum etwas nützlicher erweisen werde, als ein solches Messer. Die Sorgfalt, mit der er es sich später angelegen sein ließ, dessen kurze und breite Klinge scharf und blank zu halten, bewies sein Vertrautsein mit blanken Waffen, das er übrigens mit seinen Stammesgenossen im allgemeinen teilte.
Überdies begleitete allezeit der berüchtigte rote Kasten den vorsorglichen Chinesen. Er verwahrte darin neben einer Menge kleiner Kästchen und geheimnisvoller Ingredienzen etwa 60 Meter jenes biegsamen und dünnen, aber stark gedrehten Stricks, den die Matrosen speziell Leine nennen. Und als er gefragt wurde, was er damit anfangen wolle, erklärte er:
»Nun, muß man denn in der Wüste nicht ebenso wie anderwärts gelegentlich eine Leine ziehen?«
Binnen weniger Stunden waren alle Einkäufe erledigt! Wasserdichte Tücher, wollene Decken, Speisegeschirr und Geräte, reichlicher Mundvorrat in verlöteten Büchsen, Joche, Ketten, Zügel zum Wechseln usw. füllten am hinteren Teil des Wagens das allgemeine Magazin, der mit Stroh ausgelegte vordere Teil sollte als Lagerstätte und Obdach für Cyprien und seine Reisegefährten dienen.
James Hilton hatte seinen Auftrag sehr gut erledigt und schien mit großem Verständnis ausgewählt zu haben, was der Gesellschaft vonnöten sein könnte. Er war aber auch auf seine Erfahrungen als Ansiedler nicht wenig stolz. So ließ er sich auch weit mehr durch das Gefühl seiner Überlegenheit in diesem Fach als durch kameradschaftliche Rücksichten bestimmt herbei, seine Gefährten über die Sitten und Gebräuche des Veld aufzuklären.
Annibal Pantalacci freilich unterließ es nicht, ihn zu unterbrechen und ihm gelegentlich das Wort abzuschneiden.
»Welches Bedürfnis drängt Sie, Ihre Kenntnisse auch dem Franzosen mitzuteilen?« sagte er leise zu ihm. »Liegt Ihnen denn gar so viel daran, daß gerade er den Preis erringt? An Ihrer Stelle würde ich, was ich weiß, allein für mich behalten und niemand ein Wort davon hören lassen!«
James Hilton sah den Neapolitaner mit unverhohlener Verwunderung an.
»Das ist wirklich wahr, was Sie mir da sagen . . . sehr wahr! Ein solcher Gedanke war mir eben noch gar nicht gekommen!«
Cyprien hatte es nicht unterlassen, auch Friedel davon zu unterrichten, was er bezüglich der Pferde des Landes erfahren hatte, fand bei diesem aber kein Gehör; der Deutsche dagegen - unterließ es nicht, sich mit Angelgerätschaften auszustatten, da er behauptete, daß man des Wildes bald überdrüssig sein werde.