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Die Reise ging inzwischen ohne Unfall vonstatten. Nur selten erhielt die Expedition in jeder Farm, wo sie des Abends einkehrte, keine weiteren Nachrichten über Mata-kit. Überall war er, von seinem Strauß schnell dahingezogen, anfänglich 2 oder 3, später 5 bis 6, endlich 7 bis 8 Tage vorher durchgekommen. Offenbar waren sie also auf seiner Spur; aber ebenso offenbar gewann er täglich mehr Vorsprung gegen die, die auf seine Einholung ausgezogen waren.

Die vier Verfolger betrachteten es nichtsdestoweniger als ausgemacht, daß sie ihn erreichen würden. Der Flüchtling mußte ja schließlich haltmachen. Seine Gefangennahme schien also lediglich eine Frage der Zeit zu sein.

Cyprien und seine Genossen machten sich also darum auch keine besondere Sorge, sondern fingen im Gegenteil an, sich allmählich ihren Lieblingsbeschäftigungen hinzugeben.

Der junge Ingenieur suchte Steinproben, Friedel botanisierte und behauptete, er vermöge die Eigenschaften der von ihm gesammelten Pflanzen schon aus deren äußeren Erscheinung zu erkennen. Annibal Pantalacci machte sich rücksichtslos lustig auf Kosten Bardiks oder Lis, und bemühte sich, für seine schlechten Späße dadurch Verzeihung zu erhalten, daß er auf den Haltestellen meist vorzügliche

Makkaroni zubereitete. James Hilton übernahm es, die Karawane mit eßbarem Wild zu versehen, und es verging kaum ein halber Tag, daß er ein Dutzend Rebhühner, Wachteln im Überfluß und zuweilen einen Eber oder eine Antilope erlegte.

Etappe nach Etappe gelangte man auf diese Weise nach dem Bush-Veld. Bald wurden nun die Farmen immer seltener und hörten endlich ganz auf. Man hatte die äußersten Grenzen der Zivilisation erreicht.

Von hier an mußte man nun jeden Abend selbst ein Lager zurechtmachen und ein großes Feuer anzünden, rings um welches Menschen und Tiere sich niederstreckten, um zu schlafen, wobei natürlich immer der eine oder andere auf die Umgebung achthaben mußte.

Die Landschaft hatte schon ein mehr und mehr wildes Aussehen angenommen. Ebenen mit gelblichem Sand, Dickichte mit Dornengebüsch, dann und wann ein von Sümpfen umgebener Bach traten jetzt an die Stelle der grünen Täler des Banken-Veld. Manchmal mußte auch ein Umweg eingeschlagen werden, um einen wirklichen Wald von »thorn trees« oder Dornenbäumen zu umgehen, das sind Gesträuche von 3 bis 5 Meter Höhe mit ungemein vielen waagrecht stehenden Ästen, die zahlreiche 2 bis 4 Zoll lange, harte und dolchähnliche spitze Dornen tragen.

Diese äußere Zone des Bush-Veld, die gewöhnlich mit dem Namen Lion-Veld oder Löwen-Veld bezeichnet wird, schien kaum ihrem schlimmen Namen zu entsprechen, denn auch nach 3 - bis 4tägiger Reise hatte sich noch keines dieser furchtbaren Raubtiere sehen lassen.

»Das beruht ohne Zweifel nur auf Überlieferungen«, sagte sich Cyprien, »und die Löwen werden weiter nach der Wüste zurückgewichen sein!«

Als er diesem Gedanken aber James Hilton gegenüber Worte verlieh, fing dieser geradewegs an zu lachen.

»Sie meinen, daß es hier keine Löwen gäbe?« sagte er; »das kommt einfach daher, daß Sie sie nicht zu sehen verstehen!«

»Sehr schön, einen Löwen inmitten einer nackten Ebene nicht einmal zu sehen!« erwiderte Cyprien in etwas ironischem Ton.

»Nun, ich wette um 10 Pfund«, erklärte James Hilton, »daß ich Ihnen vor Ablauf einer Stunde noch einen zeige, den Sie vorher nicht gesehen hatten.«

»Ich wette aus Prinzip niemals«, antwortete Cyprien, »aber es würde mich sehr freuen, meine Erfahrungen zu erweitern.«

Man zog noch 25 bis 30 Minuten weiter, ohne daß jemand an die Löwen gedacht hätte, als James Hilton plötzlich ausrief:

»Meine Herren, betrachten Sie dort den Ameisenbau, der sich da unten zur Rechten erhebt.«

»Das ist was Rechtes!« meinte Friedel. »Seit 2 bis 3 Tagen sehen wir gar nichts anderes!«

Im Bush-Veld gibt es in der Tat kaum eine häufigere Erscheinung als diese großen Haufen von gelbem Lehm, die von zahllosen Ameisen zusammengetragen werden und in größerer Entfernung abwechselnd mit einigem Buschwerk oder einer Gruppe magerer Mimosen die Einförmigkeit dieser weiten Ebenen unterbrechen.

James Hilton lachte für sich.

»Monsieur Mere, wenn Sie sich ein wenig in Galopp setzen wollen, um sich jenem Ameisenbau zu nähern - da, am Ende meines Fingers -, so verspreche ich Ihnen, daß Sie, was Sie wünschten, zu sehen bekommen werden. Gehen Sie aber nicht zu nah heran, denn die Sache könnte schlimm ausgehen.«

Cyprien gab seinem Pferd beide Sporen und ritt schnell auf den Hügel zu, den ihm James Hilton als einen Ameisenbau bezeichnet hatte.

»Da nistet natürlich eine Löwenfamilie!« sagte er, als Cyprien sich entfernt hatte. »Ich setze gleich 1 gegen 10, daß jene gelben Haufen, die er für Ameisenbauten hält, nichts anderes sind.«

»Per Bacco! Da hätten Sie freilich alle Ursache gehabt, ihm von jeder Annäherung abzuraten!«

Als er aber bemerkte, daß Bardik und Li ihn hörten, gab er seinen Worten eine andere Wendung.

»Der Frenchman wird einen schönen Schreck haben und uns viel zu lachen geben.«

Der Neapolitaner täuschte sich. Cyprien war nicht der Mann dazu, gleich »einen schönen Schreck zu haben«, wie er sagte. 200 Schritt vor dem ihm gewiesenen Ziel erkannte er, um welch schreckliches Ameisennest es sich hier han-

delte. Es entpuppte sich nämlich als ein ungeheurer Löwe, eine Löwin und drei junge Löwen, die im Kreis auf der Erde lagen und friedlich in der Sonne schliefen.

Bei den Hufschlägen Templars öffnete der Löwe die Augen, erhob den gewaltigen Kopf, gähnte, wobei er zwischen zwei Reihen ungeheurer Zähne einen Rachen zeigte, in dem ein 10jähriges Kind mit Haut und Haar hätte verschwinden können. Dann starrte er den Reiter an, der bis auf 20 Schritte an ihn herangekommen war.

Zum Glück mochte die Bestie keinen Hunger haben, sonst wäre sie nicht so gleichgültig geblieben.

Cyprien hielt schon die Hand am Karabiner und wartete 2 bis 3 Minuten, was seine Majestät der Löwe zu tun beschließen würde. Da er sich aber überzeugte, daß dieser keine Lust zum Beginn von Feindseligkeiten zu haben schien, fühlte auch er sich nicht aufgelegt, das Glück dieser interessanten Familie zu stören, sondern warf sein Pferd herum und sprengte mit verhängtem Zügel wieder seinen Genossen entgegen.

In gezwungener Anerkennung seiner Kaltblütigkeit und bewiesenen Muts empfingen ihn diese mit lauten Beifallsrufen.

»Ich würde meine Wette verloren haben, Mr. Hilton«, gab Cyprien darauf lediglich zur Antwort.

Am selben Abend gelangte man noch so weit, um am Ufer des Limpopo selbst zu rasten. Obwohl James Hilton ihm davon abriet, bestand doch Friedel darauf, heute eine Schüssel Fische zu fangen.

»Das ist höchst ungesund, Kamerad!« sagte dieser. »Vergessen Sie niemals, daß es im Bush-Veld nicht ratsam ist, weder am Ufer der Flüsse zu verweilen, noch . . .«

»Pah ! Pah ! Ich habe schon manchen anderen angeln sehen!« antwortete der Deutsche mit der seiner Nation eigentümlichen Hartnäckigkeit.

»Oho«, meinte Annibal Pantalacci, »was kann wohl Schlimmes dabei sein, 1 oder 2 Stunden am Wasserrand zu sitzen? Habe ich nicht auf der Entenjagd, durchnäßt bis zu den Achseln, halbe Tage lang so ausharren müssen?«

»Das ist nicht genau dieselbe Sache!« erwiderte James Hilton.

»Ah was, es ist doch alles eins!« entgegnete der Neapolitaner. »Mein lieber Hilton, Sie täten weit besser, den Kasten mit dem Käse zu meinen Makkaroni zu holen, als daß Sie unseren Kameraden abhalten wollen, eine Schüssel Fische zu fangen. Das wird unserem Speisezettel eine wünschenswerte Abwechslung verleihen!«