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»Wo ist denn Pantalacci?« fragte er.

»Auf und davon gegangen, Väterchen!« antwortete Li in so gleichgültigem Ton, als ob es sich um die gewöhnlichste Sache von der Welt gehandelt hätte.

»Wie? . . . Von uns fortgegangen?«

»Ja, Väterchen, und mit den drei Pferden obendrein!«

Cyprien befreite sich schnell aus der ihn noch halb umhüllenden Decke und warf einen Blick umher, der ihn über alles belehrte.

Er besaß jedoch ein zu stolzes Herz, um seine Unruhe und Entrüstung über das Vorgefallene merken zu lassen.

»Das ist ja recht erbaulich«, sagte er, »aber der Schuft mag sich nur nicht einbilden, daß er bei unserer Angelegenheit das letzte Wort haben wird!«

In Gedanken versunken machte Cyprien 5 bis 6 Schritte hin und her, wobei er überlegte, was nun am besten zu tun war.

»Wir müssen noch diese Stunde aufbrechen«, kündigte er dem Chinesen an. »Sattel und Zaumzeug sowie alles, was zu groß oder zu schwer ist, lassen wir hier zurück und nehmen nur die Gewehre und die noch übrigen Nahrungsmittel mit. Bei schnellem Gehen kommen wir vielleicht fast ebenso schnell vorwärts und können wohl gar gelegentlich noch direktere Wege benützen.«

Li ließ sich nicht zweimal auffordern. Binnen weniger Minuten waren die Decken eingerollt und der Quersack über die Schulter geworfen; dann wurde noch alles, was hier zurückgelassen werden mußte, mit einem dichten Haufen von Zweigen und Laubwerk überdeckt, und die beiden Männer zogen ihres Weges.

Cyprien hatte recht gehabt, daß es unter gewissen Verhältnissen fast bequemer war, zu Fuß weiterzuziehen. Er konnte so die kürzesten Wege wählen und zuweilen steile Abhänge ersteigen, die ein Pferd niemals zu erklimmen vermocht hätte, wenn das natürlich auch schwere Anstrengung kostete.

Etwa um 1 Uhr mittags gelangten die beiden Wanderer nach dem Nordabhang der Hügelkette, der sie seit 3 Tagen gefolgt waren. Nach den von Lopepe erhaltenen Mitteilungen konnte die Hauptstadt Tonaias jetzt nicht mehr weit entfernt sein. Unglücklicherweise waren freilich dessen Angaben über den einzuschlagenden Weg so unbestimmter Art und die Bezeichnung der Entfernung in der Betchuana-sprache so verwirrend, daß es sehr schwer erschien, vorher darüber klar zu werden, ob noch 2 oder 5 Tage darüber hingehen würden, bevor jene Stadt zu erreichen war.

Als Cyprien und Li den ersten Abhang des Tals, das sich vor ihnen nach Übersteigung des Bergkamms geöffnet, hinunterstiegen, ließ letzterer ein kurzes Lachen hören.

»Ah, Giraffen!« sagte er.

Cyprien richtete den Blick nach abwärts und bemerkte wirklich etwa zwanzig jener Tiere, die friedlich im Talgrund grasten. Man kann kaum, wenigstens aus einiger Entfernung, etwas Graziöseres sehen, als ihre langen Hälse, die sie gleich Mastbäumen aufgerichtet tragen oder gleich langen Schlangen im Gras umherbewegen, und die von dem mit gelben Flecken übersäten Leib 3 bis 4 Meter weit reichen.

»Es ließe sich so eine Giraffe vielleicht einfangen, um Templars Stelle zu ersetzen«, bemerkte Li trocken.

»Auf einer Giraffe reiten? Oh, wer hat das schon jemals gesehen?« rief Cyprien.

»Ich weiß nicht, ob es jemand schon gesehen hat, aber es wird doch nur von Ihnen abhängen, es zu sehen, wenn Sie mir nur freie Hand lassen wollen«, erwiderte der Chinese.

Cyprien, der niemals etwas nur deshalb für unmöglich zu halten pflegte, weil es für ihn noch neu war, erklärte sich bereit, Li bei seinem Vorhaben zu unterstützen.

»Wir befinden uns gegenüber den Giraffen unter dem Wind«, meinte der Chinese, »was sich sehr glücklich trifft, denn sie haben eine sehr feine Nase und hätten uns andernfalls gewiß schon gewittert. Wenn Sie sich also nach rechtshin wenden wollen, um jene durch einen Gewehrschuß zu erschrecken und nach meiner Seite zuzutreiben, so brauch' ich nichts weiter und werde das übrige allein besorgen.«

Cyprien legte sofort alles zur Erde, was ihn in seinen Bewegungen hätte hinderlich sein können, und mit der Büchse bewaffnet ging er daran, das von seinem Diener angedeutete Manöver auszuführen.

Letzterer verlor ebenfalls keine Zeit. Er kletterte behende den steilen Abhang hinunter, bis er im Grund des Tals einen dort befindlichen Wildpfad erreichte. Die unzähligen Hufabdrücke darauf verrieten, daß dies der gewöhnliche Weg der Giraffen war. Hier nahm der Chinese hinter einem Baum Stellung, entrollte den langen Strick, der ihn niemals verließ, zerschnitt ihn und bildete so daraus zwei Stricke von je 30 Meter Länge. Nachdem er dann ein Ende von jedem mit einem ziemlich großen Stein beschwert hatte, knüpfte er das andere fest um die unteren Zweige eines Baums, und als er endlich die freien Enden dieser urwüchsigen Wurfgeschosse sorgsam um seinen linken Ellbogen gewickelt hatte, verbarg er sich hinter dem Baumstamm und wartete der weiteren Entwicklung der Dinge.

Es waren noch keine 5 Minuten verstrichen, als in einiger Entfernung ein Gewehrschuß durch die öde Gegend donnerte. Gleich darauf verriet ein rasches Getrappel, das dem von einer Schwadron Reitern ähnelte und von Sekunde zu Sekunde mehr anschwoll, daß die Giraffen, ganz wie Li angenommen hatte, sich zur Flucht gewendet hatten. Sie kamen, ihrem gewohnten Pfad folgend, direkt auf ihn zu, ohne die Anwesenheit eines vor ihnen unter dem Wind lauernden Feindes zu argwöhnen.

Mit den hoch aufgerichteten Nasen, den kleinen, ihre

Bestürzung verratenden Köpfen und den herabhängenden Zungen sahen die Giraffen wirklich prächtig aus. Li ließ sich jedoch nicht hinreißen, sie bewundernd zu betrachten. Sein Posten war vorsorglich nah einer Verengung des Weges gewählt, wo die Tiere nur zu zweien nebeneinander vorüberziehen konnten, und er erwartete sie in gewohnter Ruhe.

Erst ließ er drei oder vier vorüberlaufen, dann faßte er eines von besonders hohem Wuchs ins Auge und schleuderte sein erstes Lasso. Das Seil pfiff durch die Luft, wickelte sich um den Hals des Tieres, das noch einige Schritte tat, bald aber spannte sich das Seil an, schnürte jenem die Luftröhre halb zu, und es machte entsetzt halt.

Der Chinese ließ sich jedoch keine Zeit, das zu beobachten. Kaum hatte das erste Lasso das Ziel erreicht, als er schon das zweite ergriff und nach einer andern Giraffe schleuderte.

Dieser Wurf fiel nicht weniger glücklich aus. Alles war in weniger als einer halben Minute erledigt. Schon hatte sich die erschrockene Herde nach allen Richtungen hin zerstreut; die beiden Giraffen aber blieben, halb erdrosselt und nach Luft schnappend, als Gefangene zurück.

»Kommen Sie nur heran, Väterchen!« rief der Chinese Cyprien zu, der ohne zuviel Vertrauen auf das Manöver auf ihn zukam.

Bald mußte er jedoch jeden Zweifel schwinden lassen. Hier sah er zwei prächtige, große, starke Tiere mit feinen Beinen und glänzenden Rücken vor sich. Doch wie er auch deren äußere Erscheinung bewunderte, erschien ihm der Gedanke, sie als Reittiere zu benützen, doch ebenso wenig ausführbar.

»Wahrhaftig, wie soll man sich auf einem solchen Rückgrat halten, das bei seiner verhältnismäßig geringen Länge nach hinten zu um wenigstens 60 Zentimeter abfällt?« fragte er lachend.

»Oh, man setzt sich eben rittlings auf die Schultern und nicht auf die Seiten des Tieres«, erklärte Li. »Ist es denn übrigens so schwierig, unter dem Hinterteil des Sattels eine zusammengerollte Decke anzubringen?«

»Wir haben ja gar keinen Sattel.«

»Ich werde Ihren sofort herbeiholen.«

»Und welchen Zaum sollen die Tiere ins Maul bekommen?«

»Das werden Sie bald sehen!«

Der Chinese hatte auf alles eine Antwort, und wie man von ihm nicht anders gewohnt, war, folgte die Tat dem Wort immer auf dem Fuß.

Die Stunde zum Essen war noch nicht herangekommen, als er aus einem Teil seines Stricks schon ein Paar starke Halftern hergestellt hatte, die er den Giraffen über den Kopf zog. Die armen Tiere waren durch ihr Mißgeschick so betroffen und außerdem von so sanftem Charakter, daß sie nicht den mindesten Widerstand leisteten. Andere Stücke Strick wurden zu eigentlichen Zügeln hergerichtet.