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Oh, Matakit hatte sich, als er einen Strauß dazu wählte, ein vortreffliches Reittier zugelegt. Wenn er sich nur eine Viertelstunde in dieser Gangart halten konnte, dann mußte er unzweifelhaft aus dem Bereich jeden Angriffs und aus den Klauen des Neapolitaners gerettet sein.

Annibal Pantalacci begriff sehr gut, daß die geringste Verzögerung ihn um all seinen Vorteil bringen mußte. Schon vergrößerte sich die Entfernung zwischen dem Flüchtling und ihm selbst. Jenseits des Maisfelds, durch das diese wilde Jagd ging, erstreckte sich über Sehweite hinaus dichtes Buschwerk von Mastixbüschen und indischen Feigenbäumen. Wenn Matakit diese erreichte, war es so gut wie unmöglich, ihn wiederzufinden, da er damit den Augen völlig verschwand.

Dahingaloppierend verfolgten Cyprien und der Chinese den Wettstreit mit leicht erklärlichem Interesse. Endlich waren sie am Fuß des Hügels angelangt und jagten nun auch durch das ausgedehnte Feld, aber immer noch trennten sie 3 Meilen ebenso von dem Jäger wie von dem Gejagten.

Dennoch konnten sie sehen, daß der Neapolitaner durch übermenschliche Anstrengung zuletzt ein wenig über den Flüchtling an Wegstrecke gewonnen hatte. Ob der Strauß nun erschöpft war, oder sich an einem Baumstumpf oder einem Felsstück verletzt hatte, jedenfalls erschien seine Schnelligkeit jetzt wenigstens vermindert. Annibal Pan-talacci befand sich bald nur noch 300 Fuß von dem Kaffern entfernt.

Da erreichte Matakit aber den Saum des Dickichts; sofort verschwand er darin; im nächsten Augenblick stürzte Annibald Pantalacci, mit Gewalt aus dem Sattel geschleudert, zu Boden, während sein Pferd querfeldein entfloh.

»Matakit entwischt uns!« rief Li.

»Ja, aber Pantalacci, der Schurke ist in unsere Hand gegeben!« antwortete Cyprien. Beide trieben ihre Giraffen schneller vorwärts.

Eine halbe Stunde später, nachdem sie das Maisfeld fast vollständig durchmessen hatten, waren sie nicht weiter als höchstens noch 500 Fuß von der Stelle entfernt, wo der Neapolitaner gestürzt war. Für sie entstand nun die Frage, ob Annibal Pantalacci sich hatte erheben und das Mastixdickicht erreichen können, oder ob er noch, schwer verletzt von dem Fall - vielleicht gar tot - dort am Boden lag.

Der Bube war noch immer da. 100 Schritt vor ihm hiel-ten Cyprien und Li. Der Grund seines Unfalls erwies sich als folgender:

In der Hitze der Verfolgung hatte der Neapolitaner ein ungeheures Netz nicht bemerkt, das hier von Kaffern ausgespannt war, um die Vögel zu fangen, die deren Ernten unaufhörlich beraubten. In dieses Netz hatte Annibal Pan-talacci sich verwickelt.

Das war aber kein Netz von geringen Abmessungen! Es maß mindestens 500 Meter auf jeder Seite und enthielt schon mehrere tausend Vögel jeder Art, Größe und Gefieders, unter anderm auch ein halbes Dutzend jener riesigen Lämmergeier mit einer Flügelspannweite von 1,5 Meter, die zuweilen in diesen Gegenden des südlichen Afrikas vorkommen.

Das plötzliche Hineinstürzen des Neapolitaners in diese Welt von Vögeln brachte letztere natürlich in ungeheure Aufregung.

Zuerst von dem Fall etwas betäubt, hatte Annibal Pan-talacci fast sofort versucht, sich wieder zu erheben. Seine Füße, Beine und Hände waren aber in den Maschen des Netzes so fest gefangen, daß es ihm im ersten Anlauf nicht gelang, sich daraus zu befreien.

Dennoch hatte er keine Zeit zu verlieren. Er stieß und schlug um sich herum, zerrte aus Leibeskräften an dem Netz, hob es teilweise auf und suchte es von den Pfählen am Erdboden, die es hielten, abzureißen, während die großen und kleinen Vögel dasselbe taten, um ihre Freiheit wiederzuerlangen.

Je mehr der Neapolitaner sich aber abmarterte, desto mehr verwickelte er sich in die festen Maschen des gewaltigen Netzes.

Da sollte ihm auch noch die schlimmste Erniedrigung bevorstehen. Eine der Giraffen hatte ihn erreicht, und ihr Reiter war kein anderer als der Chinese. Li war mit kalter Bosheit zur Erde gesprungen und hatte, in der Meinung, sich des Gefangenen gar nicht besser versichern zu können, nichts Eiligeres zu tun, als die entgegengesetzte Seite des Netzes teilweise abzulösen und dessen Maschenwerk auch noch um jenen herumzuschlagen.

In diesem Augenblick aber ereignete sich ein höchst unerwarteter Theatercoup.

Es erhob sich nämlich urplötzlich ein so heftiger Wind, daß er die Bäume in der Umgebung niederbog, fast als wenn eine Windhose über den Erdboden wegstriche.

Durch verzweifelte Anstrengung war es Annibal Pan-talacci inzwischen gelungen, schon eine ziemliche Anzahl Pfähle aus der Erde zu zerren, die den unteren Rand des Netzes festgehalten hatten.

Jetzt, wo er seine bevorstehende Gefangennahme vor sich sah, verdoppelte er nur seine fruchtlosen Versuche.

Plötzlich, als der Sturm mit erneuter Wut einsetzte, wurde das Netz zerrissen, die letzten Fesseln, die dieses ungeheure Schnurgespinst noch am Boden gehalten hatte, wurden gebrochen, und der Vogelschwarm darin flatterte mit ohrzerreißendem Geschrei aufwärts. Den kleinen Vögeln gelang es zu entkommen, den größeren aber, deren

Krallen noch in den Maschen verwickelt saßen, als ihre Flügel frei wurden, zusammenzuarbeiten. Die Vereinigung all dieser Windflügel und die vielen Brustmuskeln, deren Bewegung gleichzeitig vor sich ging, bildeten, unterstützt von dem wütenden Sturm, eine so gewaltige Kraft, daß 100 Kilogramm dagegen nicht mehr als eine Feder wogen.

Das ausgerissene, halb zusammengerollte, in sich selbst verwickelte Netz, das dem Wind immerhin einen ziemlich großen Angriffspunkt darbot, wurde denn auch plötzlich mit dem an Händen und Füßen gefesselten Annibal Pan-talacci wenigstens 30 Meter hoch emporgehoben.

Cyprien kam in diesem Augenblick hinzu, konnte aber nur der Entführung seines Feindes nach der Region der Wolken noch zusehen.

Jetzt zeigte das gefiederte Volk der Lämmergeier, vielleicht erschöpft von der ersten Anstrengung, offenbar Neigung, unter Beschreibung eines weiten Bogens wieder herunterzukommen. Binnen 3 Sekunden erreichte es den Saum der Mastix- und Feigenbäume, der sich westlich von dem Maisfeld hinzog. Nachdem die Tiere 3 oder 4 Meter über dem Erdboden deren Gipfel gestreift, erhoben sie sich noch einmal in die Lüfte.

Mit Schrecken sahen Cyprien und Li den Unglückseligen in dem Netz hängen, mit dem er jetzt durch die gewaltige Anstrengung der Vögel und mit Hilfe des Sturmwinds mehr als 150 Fuß über den Erdboden erhoben wurde.

Plötzlich gaben einige Maschen den Angriffen des Neapolitaners nach. Man sah ihn einen Moment an den Hän-

den hängen und nach den Stricken des Netzes greifen . . . Da öffneten sich aber seine Hände, er ließ los, fiel, eine schwere Masse nieder, und zerschmetterte auf dem Erdboden.

Das um sein Gewicht erleichterte Netz flog jetzt noch einmal höher, wurde noch einige Meilen mit fortgerissen, und sank dann hinab, als die Lämmergeier ihre Krallen befreit hatten und nun hoch hinauf entflohen.

Als Cyprien hinzugelaufen kam, um ihm Hilfe zu bringen, war sein Feind schon tot . . . tot unter diesen entsetzlichen Umständen!

Jetzt war er also allein und übrig von den vier Rivalen, die zur Erreichung desselben Ziels durch die Ebenen des Transvaal ausgezogen waren.

18. KAPITEL Ein sprechender Strauß

Nach dieser erschreckenden Katastrophe hatten Cyprien und Li nur noch einen Gedanken: die Stelle schnellstens zu verlassen.

Sie beschlossen also, längs des Dickichts nach Norden hinzuziehen, ritten so 1 Stunde lang weiter und kamen endlich an ein fast ausgetrocknetes Flußbett, das einen Durchgang in dem Mastix- und Feigenwald bildete, den sie bequem benützen konnten.

Hier wartete ihrer aber eine neue Überraschung. Der Strom ergoß sich nämlich in einen geräumigen See, an des-sen Ufer sich eine Wand von üppigstem Grün erhob, die dem Auge bis jetzt verdeckt gewesen war.