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»Was willst du damit sagen?« fragte Cyprien verwundert.

»Nun, daß meine Bassutos vor kaum 24 Stunden einen Gefangenen, einen jungen, im Land umherschweifenden Kaffern gefangen und an Händen und Füßen gefesselt meinem Freund Tonaia eingeliefert haben. Ich bin überzeugt, daß diesem recht übel mitgespielt werden könnte, denn Tonaia hat große Furcht vor Spionen, und der, einem mit dem seinigen verfeindeten Stamm angehörende junge Kaffer mußte von Anfang an der Spionage verdächtig erscheinen. Bisher hat man sein Leben noch geschont. Zum Glück für den armen Teufel ergab sich, daß er ein paar Zauberkunststückchen kannte und auf den Rang eines Propheten Anspruch machen konnte . . .«

»Jetzt zweifle ich keinen Augenblick mehr, daß das Mata-kit ist!« rief Cyprien.

»Nun, er kann sich Glück wünschen, so mit einem blauem Auge davongekommen zu sein«, antwortete der Jäger. »Tonaia hat für seine Feinde eine große Musterkarte von Strafen ersonnen, die wahrlich nichts zu wünschen übrig lassen. Doch ich wiederhole dir, du darfst wegen deines alten Dieners ganz ruhig sein. Ihn schützt seine Eigenschaft als Zauberer, und wir werden ihn noch heute abend heil und gesund antreffen.«

Wir brauchen wohl nicht hervorzuheben, daß diese Mitteilung Cyprien zur größten Befriedigung gereichte.

Jetzt war sein Ziel so gut wie erreicht, denn er zweifelte gar nicht, daß Matakit, wenn er sich noch im Besitz des Diamanten John Watkins' befand, ihn ohne Widerstand herausgeben würde.

So plauderten die beiden Freunde im Laufe des Tages weiter, während sie die Ebene durchmaßen, die Cyprien einige Tage früher auf dem Rücken der Giraffe durchzogen hatte.

Gegen Abend wurde die Hauptstadt Tonaias sichtbar, die halbkreisförmig auf einer Bodenerhöhung lag, die den Horizont im Norden abschloß. Es war eine wirkliche Stadt von 10 - bis 15.000 Einwohnern, mit guten Straßen und geräumigen, fast eleganten Hütten darin, und verriet einen gewissen, hier herrschenden Wohlstand. Der von hohen Pfahlwänden umschlossene und von schwarzen Kriegern bewachte Palast des Königs nahm selbst ein Viertel von der ganzen Oberfläche des Stadtgebiets ein.

Pharamond Barthes brauchte sich nur zu zeigen, da senkten sich schon alle Barrieren vor ihm, und er wurde sofort mit Cyprien durch eine Reihe geräumiger Höfe geführt bis zu dem Zeremoniensaal, in dem sich der »unbesiegliche Eroberer« inmitten zahlreicher Gesellschaft, in der es an Offizieren und Wachen nicht fehlte, gewöhnlich aufhielt.

Tonaia mochte etwa 40 Jahre zählen. Er war groß und stark. Bedeckt mit einer Art Diadem aus Eberzähnen, bestand seine Kleidung aus einem Überwurf aus rotem Stoff ohne Ärmel und aus einem reich mit Glasperlen gestickten Schurz von derselben Farbe. An Armen und Beinen trug er viele Spangen aus Kupfer. Sein Gesichtsausdruck war geistvoll und fein, aber auch herrisch und hart.

Pharamond Barthes, den er seit mehreren Tagen nicht gesehen hatte, wurde höchst feierlich empfangen, und, da er einmal mit ihm kam, auch Cyprien als der Freund seines getreuen Verbündeten.

»Die Freunde unserer Freunde sind auch die unseren!« sagte er, wie es jeder Spießbürger auch getan hätte.

Und als er hörte, daß sein neuer Gast leidend sei, beeilte sich Tonaia, ihm eines der besten Zimmer seines Palasts einzuräumen und ein vortreffliches Abendessen auftragen zu lassen.

Auf Pharamonds Rat hin wurde die Frage wegen Mata-kits nicht sofort berührt, sondern für den nächsten Tag aufgeschoben.

Am nächsten Morgen hatte Cyprien seine Gesundheit vollständig wiedererlangt und war imstande, vor dem König zu erscheinen. Im großen Saal des Palasts war jetzt der ganze Hof versammelt; Tonaia und seine beiden Gäste befanden sich in der Mitte des Kreises. Pharamond Barthes führte in der ihm schon ziemlich geläufigen Landessprache die Verhandlungen.

»Meine Bassutos«, sagte er zum König, »haben dir kürzlich einen jungen, von ihnen gefangenen Kaffern gebracht. Nun hat sich herausgestellt, daß dieser Kaffer der Diener meines Begleiters, des großen weisen Cyprien Mere ist, der von deinem Edelmut erwartet, daß du ihm denselben auslieferst. Aus diesem Grund nahe ich, sein Freund und der deinige, mich dir mit dieser Bitte.«

Bei den ersten Worten hatte Tonaia geglaubt, sich ein diplomatisches Ansehen geben zu müssen.

»Der große Weise ist mir willkommen!« antwortete er. »Doch was bietet er für den Austausch meines Gefangenen?«

»Eine vortreffliche Flinte, 10 mal 10 Patronen und ein Säckchen mit Glasperlen«, erklärte Pharmond Barthes.

Ein zustimmendes Murmeln lief durch den Kreis der Zuhörer, die dieses freigebige Angebot in Erstaunen setzte. Nur Tonaia allein hielt noch immer an sich und schien davon gar nicht besonders berührt.

»Tonaia ist ein großer Fürst«, fuhr er, sich auf seinem Königssessel aufrichtend, fort, »und die Götter beschützen ihn! Erst vor 1 Monat haben sie ihm Pharamond Barthes mit wackeren Kriegern und Gewehren gesendet, ihm zu helfen, seine Gegner zu überwinden. Deshalb soll, wenn

Pharamond Barthes darauf besteht, jener Diener seinem Herrn heil und gesund wiedergegeben werden.«

»Und wo befindet er sich jetzt?« fragte der Jäger.

»In der heiligen Grotte, wo er Tag und Nacht bewacht wird«, antwortete Tonaia mit der Feierlichkeit, die einem der mächtigsten Herrscher des ganzen Kaffernlands zukam.

Pharamond Barthes beeilte sich, Cyprien diese Antwort mitzuteilen, und erbat sich vom König die Begünstigung, mit seinem Freund nach der bezeichneten Grotte zur Aufsuchung des Gefangenen gehen zu dürfen.

Bei diesen Worten erhob sich aber ein mißbilligendes Gemurmel in der Versammlung. Das Verlangen dieser Europäer überstieg doch alles. Noch niemals war ein Fremder unter irgendeinem Vorwand in diese geheimnisvolle Grotte zugelassen worden. Eine Überlieferung drohte, daß an dem Tag, wo einst weiße Männer dieses Geheimnis kennenlernten, das Reich Tonaias zu Staub zerfallen werde.

Der König aber liebte es nicht, daß sein Hof sich zustimmend oder mißbilligend über seine Entscheidungen äußerte, und gerade jenes Murmeln brachte ihn infolge tyrannischer Launen dahin, zuzugestehen, was er ohne jene öffentliche Meinungsäußerung vielleicht doch abgeschlagen hätte.

»Tonaia hat mit seinem Verbündeten Pharamond Barthes Blut getauscht«, antwortete er in befehlendem Ton, »und er braucht vor ihm nichts mehr verbergen. Du und dein Freund, versteht ihr einen Eid zu halten?«

Pharamond Barthes machte ein bejahendes Zeichen.

»Nun gut«, fuhr der König fort, »dann schwört, nichts anzurühren, was ihr in jener Grotte sehen werdet! Schwört, daß ihr, wenn ihr die Grotte wieder verlassen habt, euch stets so verhalten werdet, als wenn euch deren Vorhandensein gänzlich unbekannt geblieben wäre! Schwört, daß ihr nie versucht, noch einmal in sie einzudringen, noch auch nur deren Eingang aufzuspüren! Schwört endlich, daß ihr niemals jemandem ein Wort von dem sagt, was ihr sehen werdet!«

Mit emporgehobener Hand wiederholten Cyprien und Pharamond Barthes jedes Wort der ihnen auferlegten Eidesformel.

Als Tonaia dann mit gedämpfter Stimme einige Befehle erteilte, erhob sich der ganze Hof, und die Krieger bildeten zwei Reihen. Einige Diener brachten leinene Streifen her, um den beiden Fremdlingen die Augen zu verbinden; dann setzte sich der König selbst in einen großen Palankin, den ein Dutzend Kaffern auf den Schultern trugen, zu ihnen, und der Zug setzte sich in Bewegung.

Der Weg war ziemlich weit; er nahm wohl 2 Stunden in Anspruch. Aus den Stößen, die sie selbst im Palankin empfingen, schlossen Pharamond Barthes und Cyprien sehr bald, daß sie nach einer bergigen Stelle geführt wurden.

Dann verriet die auffallende Frische der Luft und der laute Widerhall der Schritte des Gefolges, der sich an einander offenbar ziemlich nah stehenden Wänden brach, daß man einen unterirdischen Raum betreten hatte. Endlich be-lehrte sie auch noch der Rauch von brennendem Harz, der ihnen ins Gesicht kam, daß wohl Fackeln angezündet worden waren, um dem ganzen Zug voranzuleuchten.