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Noch dauerte der Weg etwa eine halbe Stunde; nachher wurde der Palankin auf die Erde niedergesetzt. Tonaia ließ seine Gäste aussteigen und befahl, ihnen die Binde von den Augen abzunehmen.

Unter dem Einfluß jener Blendung, die durch die plötzliche Rückkehr zum Licht dann entsteht, wenn die Funktion der Sehorgane längere Zeit unterbrochen gewesen war, glaubten Pharamond Barthes und Cyprien zunächst, die Beute einer außerordentlichen Halluzination geworden zu sein, so glänzend und unerwartet gestaltete sich das Schauspiel, das sich jetzt ihren Augen darbot.

Beide befanden sich nämlich im Mittelpunkt einer ungeheuren Grotte, deren Boden mit feinem, mit goldigen Flimmern übersäten Sand überdeckt war. Ihre Wölbung, die der eines gotischen Doms gleichkam, verlor sich doch in für den Blick unerreichbarer Tiefe. Die Wände dieses unterirdischen Baus zeigten sich ausgekleidet mit Stalaktiten von unvergleichlicher Verschiedenheit des Tons, von denen die zurückstrahlenden Fackeln farbige Regenbogen bildeten, die halb gebrochen wurden und halb unter dem ersten Schein des hereinstrahlenden Morgenrots verschwanden. Die schimmernden Färbungen, die merkwürdigsten Formen und auffallendsten Schnittwinkel charkterisierten diese zahllosen Kristallisationen. Hier sah man, nicht wie in den meisten Grotten, nur einfache Anhäufungen von Quarz in Säulen, die sich einförmig immer wiederholen; die Natur schien vielmehr ihrer Fantasie völlig freien Spielraum gelassen zu haben, alle Zusammenstellungen von Farben und Effekten zu erschöpfen, wozu sich ja die Verglasung ihrer Mineralienschätze - wenn man so sagen darf - vorzüglich eignete.

Felsen aus Amethysten, Mauern aus Sardonix, Bänke aus Rubinen, Nadeln aus Smaragden, Säulengänge aus Saphir, die wie Weidenbäume tiefe Wälder bildeten, Eisberge aus Aquamarin, Girandolen aus Türkisen, Spiegel aus Opalen, Gänge aus rosa Gips, und Lapislazuli mit Goldadern - alles, was das Mineralreich nur Kostbares, Seltenes, Durchsichtiges und Glänzendes bieten konnte, hatte als Material zu diesem bezaubernden Bauwerk gedient. Allerlei Formen, sogar solche aus dem Pflanzenreich, schienen bei diesem, die menschliche Einbildungskraft weit hinter sich lassenden Werk verwendet zu sein. Tapeten aus mineralischem Moos von derselben Samtweiche wie der feinste Rasen, kristallinische Baumgeflechte mit Blumen und Früchten aus edlem Gestein erinnerten stellenweise an die Feengärten, die die Japaner zuweilen so naiv bei ihren Illuminationen nachzuahmen suchen.

Weiterhin bot ein See, bestehend aus einem einzigen Diamanten von 20 Meter Länge, der in dem Sand versenkt lag, offenbar Schlittschuhläufern seine Spiegelfläche an. Luftige Paläste aus Chalcedon, Kioske und Glockentürmchen aus Beryll und Topas erhoben sich Stockwerk über Stockwerk so hoch, bis das durch ihren Glanz ermüdete Auge ihnen weiter zu folgen versagte. Endlich bildeten die Spalten der Lichtstrahlen durch diese ungezählten Tausende von Prismen das Funkenfeuerwerk, das von allen Seiten aufschoß und in Garben wieder niederfiel, die erstaunlichste Symphonie von Licht und Farben, die mehr als hinreichend war, das Auge des Menschen vollkommen zu blenden.

Cyprien Mere konnte jetzt nicht länger in Zweifel sein. Er sah sich in eines jener geheimnisvollen Becken versetzt, deren Vorkommen er schon so lange geahnt, in denen die Natur die kostbarsten Edelsteine anhäufen und kristallisieren lassen konnte, die sie den Menschen auch in den reichsten Fundstätten nur als vereinzelte unzusammenhängende Bruchstücke zukommen läßt. Zuerst versucht, an der Wirklichkeit dessen, was er vor sich sah, zu zweifeln, hatte es doch, als er beim Vorüberkommen an der ungeheuren Kristallbank mit seinem Ring über sie strich, hingereicht, ihm zu beweisen, daß sie dem Geritztwerden vollständig widerstand.

Das war hier also Diamant, Saphir und Rubin, was diese ausgedehnte Höhle barg, und das in so enormer Menge, daß der Preis des Ganzen, wenn man an ihn den für jene Mineralstoffe gebräuchlichen Maßstab anlegte, sich jeder Berechnung entzog. Nur astronomische Zahlen hätten davon eine annähernde, wenn auch nur unsichere Vorstellung gewähren können. Hier lagen unbekannt und unbenutzt wirklich Billionen und Billiarden an Wert begraben.

Daß Tonaia von dem ungeheuren Reichtum, der hier zu seiner Verfügung stand, etwas wußte, war kaum anzuneh-men, denn auch Pharamond Barthes, der in solchen Dingen freilich unbewandert war, schien keinen Augenblick zu ahnen, daß diese Kristalle alle die edelsten Gesteine waren.

Der Negerkönig hielt sich ohne Zweifel nur für den Herrn und Besitzer einer ziemlich merkwürdigen Höhle, deren Geheimnis zu bewahren ihn ein Orakelspruch oder irgendeine Art Überlieferung zu bestimmen schien.

Diese Anschauung fand noch dadurch weitere Bestätigung, daß Cyprien bald eine ziemlich bedeutende Anhäufung menschlicher Gebeine fand, die da und dort in Winkeln der Grotte lagen. Bildete sie den Begräbnisplatz des Stammes oder - freilich eine schrecklichere, aber wahrscheinlichere Annahme - diente sie früher oder vielleicht auch noch jetzt zur Abhaltung schauerlicher Feste, bei denen Menschenblut, vielleicht zu kannibalischen Zwecken, in Menge vergossen wurde?

Pharamond Barthes neigte der letzteren Anschauung zu und sagte das auch heimlich seinem Freund.

»Übrigens hat Tonaia mir versichert, daß eine solche Zeremonie seit seiner Übernahme der Herrschaft niemals stattgefunden habe«, fügte er hinzu. »Ich gestehe aber, daß der Anblick dieser Gerippe mich in meinem bisherigen Zutrauen erschüttert hat.«

Er wies dabei auf einen gewaltigen Knochenhaufen, der erst kürzlich aufgeschüttet schien und an dem man noch Spuren davon bemerkte, daß das frühere Fleisch daran gekocht worden war.

Dieser Eindruck sollte nur wenige Augenblicke später noch mehr bekräftigt werden.

Der König und seine beiden Gäste waren nach dem Grund der Grotte gelangt, bis vor den Eingang einer Wandvertiefung, die etwa den Seitenkapellen ähnelte, die man öfter in Domkirchen findet. Hinter dem Gitter aus sehr festem Holz, das den Eingang abschloß, sah man in einem hölzernen Käfig einen Gefangenen, der nur Raum hatte, um darin zusammenkauern zu können, und offenbar bestimmt war, durch erzwungene Ruhe etwas - gemästet zu werden.

Das war Matakit!

»Sie! Sie! Väterchen!« rief der unglückliche Kaffer, sobald er Cyprien bemerkt und erkannt hatte. »Ach, nehmen Sie mich mit fort von hier! Befreien Sie mich! ... Ich will lieber nach dem Griqualand zurückkehren und wenn ich dort gehenkt werden sollte, als länger in diesem Hühnerbau zu schmachten und den schrecklichen Tod zu erwarten, den der grausame Tonaia mir aufgespart hat, ehe ich verzehrt werde!«

Diese Worte sprach er mit so kläglicher Stimme, daß Cyprien sich, als er den armen Teufel hörte, ganz ergriffen fühlte.

»Gut, Matakit!« antwortete er ihm. »Ich kann dir die Freiheit wieder verschaffen, aber ehe du den Diamanten nicht herausgegeben hast, wirst du diesen Käfig nicht verlassen.«

»Den Diamanten, Väterchen!« rief Matakit. »Den Dia-

manten! Den hab' ich nicht! ... Den hab' ich niemals gehabt! ... Ich schwöre es Ihnen!«

Das sagte er mit einem solchen Tonfall der Wahrheit, daß Cyprien an seiner Aufrichtigkeit nicht zweifeln konnte. Wir wissen übrigens, daß es ihm von Anfang an schwer gewesen war, Matakit für den Urheber eines solchen Verbrechens zu halten.

»Wenn du es aber nicht warst«, fragte er weiter, »der jenen Diamanten entwendet hat, warum ergriffst du überhaupt die Flucht?«

»Warum, Väterchen?« erwiderte Matakit. »Weil man, wenn meine Kameraden die Probe mit der Gerte bestanden hätten, sicher gesagt haben würde, ich selbst sei der Dieb und habe durch List den Verdacht nur auf falsche Fährte lenken wollen. Im Griqualand, das wissen Sie ja selbst nur zu gut, henkt man, wenn es sich um einen Kaffern handelt, einen Beschuldigten noch bevor man ihn verhört und verurteilt . . . das flößte mir Angst ein, und ich floh wie ein Schuldiger durch den Transvaal.«