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Er vergaß nicht der Ergebenheit Bardiks und Lis, wie der Freundschaft Pharamond Barthes' Anerkennung zu zollen, erzählte, was er dem wackeren Jäger alles zu danken habe und daß er nur durch seine Mithilfe von der für seine übrigen Begleiter so mörderischen Fahrt mit den beiden Dienern habe zurückkehren können. Unter der Erregung, die sich seiner bei Schilderung der vielen tragischen Ereignisse bemächtigte, zog er gern einen Schleier über die verbrecherischen Absichten seiner Rivalen und wollte diese nur als Opfer eines gemeinsam gewagten Unternehmens betrachtet wissen. So erzählte er alles, außer das eine, worüber er Schweigen zu bewahren geschworen, das heißt das Vorhandensein jener Wundergrotte mit ihren Mineralschätzen, gegen die alle Diamanten des Griqualands nur wertlose Kiesel waren.

»Tonaia«, so schloß er seine Worte, »kam seinen Verpflichtungen pünktlich nach. 2 Tage nach meiner Ankunft in seiner Hauptstadt war alles zu unserer Rückkehr fertig und wir besaßen außer dem nötigen Mundvorrat auch Zugtiere und sichere Bedeckung. Unter Anführung des Königs selbst begleiteten uns dreihundert, mit Mehl und geräuchertem Fleisch beladene Schwarze bis zum Lagerplatz, wo der Wagen zurückgelassen worden war, den wir unter seiner Laubdecke zum Glück in bestem Zustand antrafen. Dann verabschiedeten wir uns von unserem Gastwirt, nachdem wir ihm fünf Gewehre, statt der vier, auf die er rechnete, übergaben - einen Waffenvorrat, der jenen Herrscher in dem ganzen Gebiet zwischen dem Limpopo und dem Lauf des Sambesi so gut wie unüberwindlich macht.«

»Doch Ihre Rückfahrt von jenem Lagerplatz aus?« fragte Miss Watkins.

»Unsere Rückfahrt ging zwar langsam, aber ziemlich leicht und ohne Unfall vonstatten«, antwortete Cyprien. »Die Begleitmannschaft verließ uns erst an der Grenze des Transvaal, wo auch Pharamond Barthes mit seinen Bassu-tos sich von uns trennte, um nach Durban zu ziehen. Nach 40tägigem Zug quer durch das Veld sehen Sie uns nun hier, aber leider um keinen Schritt weiter vorwärts als bei der Abreise.«

»Warum ist aber Matakit überhaupt entflohen?« fragte Mr. Watkins, der dieser Erzählung mit großem Interesse gelauscht hatte, ohne übrigens wegen der drei Männer, die nicht mehr wiederkehren sollten, eine besondere Teilnahme merken zu lassen.

»Matakit floh einfach, weil er an der >Furchtkrankheit< litt«, erwiderte der junge Ingenieur.

»Gibt es denn im Griqualand etwa keine Gerechtigkeit?« versetzte der Farmer, die Schultern emporziehend.

»Oh, zuweilen eine gar zu summarische Justiz, Mr. Wat-kins, und in der Tat, ich kann den armen, unschuldig angeklagten Kerl nicht allzusehr tadeln, daß er sich den Folgen der ersten, durch das Verschwinden des Diamanten hervorgebrachten Erregung zu entziehen suchte.«

»Ich auch nicht«, stimmte Alice ihm zu.

»Jedenfalls, das wiederhole ich Ihnen, war er nicht schuldig, und ich hoffe, daß man ihn in Zukunft in Ruhe läßt.«

»Hm!« brummte John Watkins, der von der Verläßlichkeit dieser Versicherung nicht so vollständig überzeugt schien. »Glauben Sie wirklich nicht, daß dieser listige Mata-kit seinen Schreck nur geheuchelt hat, um sich den Händen der damals anwesenden Polizeibeamten zu entziehen?«

»Nein, er ist unschuldig! . . . Meine Überzeugung steht nach dieser Seite unwandelbar fest«, sagte Cyprien etwas trocken, »und diese hab' ich wohl etwas teuer erkauft, glaub' ich!«

»Oh, Sie mögen ja Ihre Ansicht behalten«, rief John Watkins; »ich werde deshalb doch bei der meinigen bleiben.«

Alice sah, daß das Gespräch eine unangenehme Wendung anzunehmen drohte, und wünschte dem zuvorzukommen.

»Da fällt mir ein, Monsieur Cyprien Mere«, sagte sie, »wissen Sie denn schon, daß Ihr Claim während Ihrer Abwesenheit ein ganz ausgezeichneter geworden, und daß Thomas Steele, Ihr Geschäftsteilhaber, auf dem besten Weg ist, einer der reichsten Mineure der Kopje zu werden?«

»Nein, wahrhaftig nicht«, antwortete Cyprien offenherzig. »Mein erster Besuch galt Ihnen, Miss Watkins, und ich weiß überhaupt nichts von allem, was sich während meines Fernseins ereignet hat.«

»Vielleicht haben Sie noch nicht einmal zu Mittag gegessen?« rief Alice mit dem ihr eigenen Instinkt der Hausfrau.

»Ich gestehe es!« erwiderte Cyprien errötend, obwohl er dazu ja keine besondere Ursache hatte.

»Oh, Sie dürfen aber nicht fortgehen, ohne gegessen zu haben, Monsieur Mere . . . ein Rekonvaleszent und nach so beschwerlicher Reise! ... Bedenken Sie doch, es ist schon 11 Uhr abends!«

Ohne auf seine weiteren Einwände zu achten, lief sie nach der Speisekammer und brachte auf einem mit weißem Linnen bedeckten Brett mehrere Teller mit kaltem Fleisch nebst einer schönen, selbstgebackenen Pfirsichtorte herein.

All das wurde dem ziemlich verlegenen Cyprien vorgesetzt, und da er etwas zögerte, von dem vortrefflichen »Bil-tong«, eine Art Straußenkonserve, zuzulangen, sagte Miss Watkins:

»Soll ich Ihnen vorschneiden?« Dabei lachte sie den jungen Mann mit heiterem Jugendmut an.

Bald verlangte auch der Farmer, dem die aufgestellten Leckereien selbst Appetit machten, einen Teller und eine Schnitte Biltong, Alice beeilte sich, ihn nicht warten zu lassen, und nur um den Herren Gesellschaft zu leisten, wie sie sagte, fing sie an, einige Mandeln zu kosten.

Das improvisierte Mahl war vorzüglich. Niemals hatte der junge Ingenieur einen so unbezwinglichen Appetit empfunden. Er legte sich dreimal von der Pfirsichtorte vor, trank zwei Gläser Constancia-Wein und setzte seinen Übungen dadurch die Krone auf, daß er zustimmte, den Gin von Mr. Watkins zu kosten, welch letzterer übrigens bald sanft einschlief.

»Und was haben Sie während dieser 3 Monate begonnen?« fragte Cyprien Alice. »Ich fürchte, Sie werden Ihre Chemie völlig vergessen haben.«

»O nein, darin irren Sie doch!« antwortete Miss Watkins in etwas vorwurfsvollem Ton. »Im Gegenteil, ich habe tüchtig studiert und mir sogar erlaubt, in Ihrem Labor einige Experimente anzustellen. Doch seien Sie ruhig, ich habe nichts zerbrochen, und alles wieder bestens geordnet. Offen gestanden, ich liebe die Chemie sehr und begreife kaum, wie Sie eine so schöne Wissenschaft hatten aufgeben können, um Minengräber oder Veldläufer zu werden!«

»Aber Sie wissen doch, grausame Miss Watkins, aus welchem Grund ich zeitweilig auf die Chemie verzichtete?«

»Ich weiß davon gar nichts«, erwiderte Alice rot werdend, »und finde nur, daß das nicht recht ist! An Ihrer Stelle würde ich versuchen, Diamanten zu erzeugen; das ziemt Ihnen jedenfalls mehr, als sie unter der Erde zu suchen.«

»Ist das ein Befehl, den Sie mir erteilen?« fragte Cyprien mit leise zitternder Stimme.

»O nein«, antwortete Miss Watkins, »höchstens eine Bitte ! . . . Ach, Monsieur Mere«, fuhr sie fort, wie um den leichten Ton ihrer ersten Worte zu verwischen, »wenn Sie wüßten, wie unglücklich ich gewesen bin, Sie so vielen Anstrengungen und Gefahren ausgesetzt zu wissen. Wohl kannte ich sie im einzelnen nicht, kann mir aber eine Vorstellung von dem Ganzen machen. Mußte ein Mann wie Sie, sagte ich mir, der so gelehrt, so geeignet ist, die schönsten Arbeiten zu liefern, die wichtigsten Entdeckungen zu ma-chen, mußte dieser der Gefahr ausgesetzt werden, in der Wüste vielleicht elend umzukommen, ohne Nutzen für die Wissenschaft und für die Menschheit vielleicht dem Biß einer Schlange oder dem Tatzenschlag eines Tigers zu erliegen? ... Wahrlich, es ist ein Verbrechen, daß man Sie abreisen ließ! . . . Und wie sehr hatte ich recht! Ist es nicht ein wahres Wunder zu nennen, daß Sie überhaupt zurückgekommen sind ? Und ohne Ihren Freund Pharamond Barthes, den der Himmel dafür segnen möge . . .« Sie beendete den Satz nicht, aber zwei große Tränen, die ihr in die Augen traten, vollendeten ihre Gedanken.

Auch Cyprien fühlte sich tief bewegt.

»Oh, zwei Tränen, die mir mehr wert sind, als alle Diamanten der Welt, und die mich noch ganz andere Anstrengungen vergessen machen würden!« sagte er einfach.