Выбрать главу

»Wir sind der Ansicht, Cyprien Mere«, sagte er, »daß wegen des über Sie verhängten Todesurteils noch eine Beratung stattzufinden habe. Sie gehen vorläufig frei aus! Vergessen Sie aber nicht, daß dieses Urteil nach wie vor über Ihnen schwebt! Ein Wort, ein Zeichen, davon die Polizei zu benachrichtigen, und Sie sind unrettbar verloren! Wen's juckt, der kratze sich!«

Mit diesen Worten zog er sich, gefolgt von seinen Begleitern, nach der Tür zurück.

Das Zimmer lag wieder im Dunkeln. Cyprien hätte sich fast fragen können, ob er nicht das Spiel eines bloßen Traums gewesen sei. Das Schluchzen Matakits aber, der sich auf dem Boden niedergestreckt hatte und heftig, den Kopf in die Hände stützend, weinte, zwang ihn wohl zu glauben, daß alles, was hier vor sich gegangen, auch wirklich geschehen war.

Die Wahrheit lag also zutage ! Er war zwar dem Tod entgangen, aber um den Preis einer fast vernichtenden Demütigung. Er, ein Bergwerksingenieur, er, ein Zögling der polytechnischen Schule, ein hervorragender Chemiker und schon namhafter Geologe, er hatte sich durch die plumpe List eines elenden Kaffern betrügen lassen! Oder es war vielmehr seine eigene Eitelkeit, seine lächerliche Voreingenommenheit, die ihn diesen entsetzlichen Bock hatte schießen lassen. Seine Verblendung war so weit gegangen, eine Theorie für die Entstehung der Kristallbildungen finden zu wollen! ... Konnte es etwas noch Lächerlicheres geben? ... Ist es nicht die Sache der Natur allein, unter Mithilfe Jahrhunderte überdauernder Zeiträume, derartige Bildungsprozesse zu Ende zu führen? ... Und doch, wer hätte sich gegenüber der vor Augen liegenden Tatsachen nicht täuschen lassen? . . . Er erhoffte einen Erfolg, hatte alles zu dessen Sicherung vorbereitet und mußte logischerweise annehmen, einen solchen errungen zu haben. Sogar die außergewöhnlichen Dimensionen des Diamanten waren ja nur dazu angetan, eine solche Täuschung zu nähren. Auch ein Depretz hätte sie wahrscheinlich geteilt . . . Kommen denn ähnliche Irrtümer nicht alle Tage vor? ... Sieht man zum Beispiel nicht die erfahrensten Numismatiker falsche Münzen häufig genug für echte halten?

Cyprien suchte sich durch derartige Vorstellungen einigermaßen zu trösten.

Da machte ihn plötzlich ein Gedanke fast zu Eis erstarren:

»Und mein Bericht an die Akademie! ... Wenn ihn jene Schurken nicht mit weggeschleppt haben!«

Er entzündete eine Kerze. Nein, Gott sei Dank, sein Be-richt fand sich noch vor. Niemand hatte ihn gesehen. Er atmete erst auf, nachdem er ihn verbrannt hatte.

Das Wehklagen Matakits war inzwischen so herzzerreißend, daß er wohl versuchen mußte, ihn zu beruhigen. Das sollte nicht so schwer werden. Auf den ersten wohlwollenden Zuspruch »des Väterchens« schien der arme Kerl wirklich neu aufzuleben. Wenn Cyprien ihm jedoch versicherte, daß er ihm keinen Groll nachtrage und ihm von ganzem Herzen verzeihe, so geschah das nur unter der Bedingung, daß er sich zu ähnlichen heimlichen Handlungen nicht wieder verleiten lasse.

Matakit beteuerte das bei dem Namen dessen, der ihm am heiligsten war, und als sich sein Herr darauf wieder niedergelegt hatte, tat er desgleichen.

So endete diese nächtliche Szene, die erst einen recht traurigen Ausgang zu nehmen drohte.

Wenn sie in dieser Weise für den jungen Ingenieur endete, sollte das für Matakit nicht ebenso der Fall sein.

Am folgenden Tag nämlich, als man nun wußte, daß der »Südstern« nichts anderes als ein natürlicher Diamant war, daß der junge Kaffer, der seinen Wert genügend erkannte, ihn einfach gefunden hatte, trat die Frage wegen seines Verbleibs mit erneuerter Lebhaftigkeit zutage. John Watkins verlieh seinen Klagen lauten Ausdruck. Nur Matakit konnte der Dieb dieses unschätzbaren Steins sein! Nachdem er schon seinem eigenen Geständnis nach gleich anfangs daran gedacht hatte, ihn für sich zu behalten, lag ja nichts nä-her, als die Annahme, daß er ihn auch aus dem Festsaal entwendet hatte.

Cyprien konnte dieser Auffassung widersprechen und für die Rechtlichkeit des jungen Kaffern Bürgschaft übernehmen so viel er wollte, man hörte ihn einfach nicht an, was den mehr als hinreichenden Beweis lieferte, wie recht Matakit, der seine vollständigste Schuldlosigkeit beschwor, daran getan hatte, zu flüchten, und wie unrecht, nach dem Griqualand zurückgekehrt zu sein.

Da brachte der junge Ingenieur, der seine Sache nicht verloren geben wollte, ein Argument zur Geltung, das niemand erwartete und das seiner Annahme nach Matakit retten mußte.

»Ich selbst glaube an seine Unschuld«, sagte er zu John Watkins; »doch selbst wenn er schuldig wäre, ginge das im Grunde nur mich an. Ob Natur oder Kunsterzeugnis, jedenfalls gehörte der Diamant mir, bevor ich ihn Miss Alice angeboten hatte . . .«

»Ah, er gehörte Ihnen ?« antwortete Mr. Watkins in eigentümlich schmerzhaftem Ton.

»Ohne Zweifel!« erklärte Cyprien. »Ist er nicht von dem bei mir in Diensten stehenden Matakit in meinem Claim gefunden worden?«

»Ganz richtig«, erwiderte der Farmer; »aber eben deshalb kommt er mir zu, weil laut Vertrag die drei ersten in Ihrem Claim ausgegrabenen Diamanten in mein ausschließliches Eigentum überzugehen hatten.«

Cyprien wußte auf diesen Einwurf nichts zu antworten.

»Nun, ist mein Ausspruch wohl gerecht?« fragte Mr. Watkins.

»Ganz gerecht!« stammelte Cyprien.

»Ich würde Ihnen sehr dankbar sein für eine ausdrückliche schriftliche Anerkennung meines guten Rechts, für den Fall, daß wir den Spitzbuben dahin bringen könnten, den auf so unverschämte Weise gestohlenen Diamanten wieder herauszugeben!«

Cyprien nahm ein Stück weißes Papier und schrieb darauf:

Ich erkenne hiermit an, daß der in meinem Claim von einem in meinen Diensten stehenden Kaffern gefundene Diamant gemäß dem Konzessionsvertrag das Eigentum von Mr. John Napleton Watkins ist.

Cyprien Mere.

Man wird zugeben, daß dieser Umstand alle Träume des jungen Ingenieurs vernichtete. Kam nun der Diamant jemals wieder zum Vorschein, so gehörte er nicht als Geschenk, sondern von Rechts wegen John Watkins, und ein neuer Abgrund, den nur viele Millionen ausfüllen konnten, eröffnete sich zwischen Cyprien und Alice.

Wenn aber die Reklamation des Farmers die Interessen der beiden jungen Leute schädigte, so war das noch mehr bezüglich Matakits der Fall. Jetzt war es John Watkins, gegen den er sich ein Vergehen hatte zuschulden kommen lassen ... John Watkins war der Bestohlene! ... Und John

Watkins war nicht der Mann danach, die Verfolgung dieser ihn so tief berührenden Angelegenheit aufzugeben, wenn er den Dieb in Händen zu haben glaubte.

Der arme Teufel wurde also verhaftet, eingesperrt und nach Verlauf von kaum 12 Stunden, trotz allem, was Cy-prien zu seiner Verteidigung anführen mochte, verurteilt, gehenkt zu werden . . . wenn er sich nicht entschloß, oder er nur außerstande war, den »Südstern« zurückzuerstatten.

Da er ihn nun tatsächlich nicht zurückliefern konnte, weil er ihn ja gar nicht genommen hatte, so lag seine Sache ganz klar, und Cyprien wußte nicht mehr, was er beginnen sollte, um den Unglücklichen zu retten, an dessen Schuld er nun einmal nicht glauben konnte.

22. KAPITEL Eine Mine ganz neuer Art

Miss Watkins hatte inzwischen von all diesen Vorfällen gehört, von dem Auftritt mit den maskierten Männern ebenso wie von dem so unangenehmen Mißgeschick, das den jungen Ingenieur betroffen hatte.

»Ach, Monsieur Cyprien«, sagte sie zu ihm, nachdem sie sich über alles eingehend informiert hatte, »ist denn Ihr Leben nicht soviel wert wie alle Diamanten der Welt?«

»Liebe Alice . . .«

»Denken wir an all das nicht mehr und verzichten Sie in Zukunft auf derartige Versuche.«

»Sie befehlen mir das?« fragte Cyprien.

»Ja, ja!« bestätigte das junge Mädchen. »Ich befehle Ihnen jetzt, sie aufzugeben, wie ich Ihnen früher befahl, sie zu unternehmen, da Sie denn einmal von mir nur Befehle entgegennehmen wollen.«