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»Das beweist eben, daß wir Philosophen sind!« meinte Cyprien. »Ist der Fall nicht ganz dazu angetan, sich weise zu benehmen, wo die Weisheit zur Notwendigkeit geworden ist?«

»Meinetwegen seien Sie Philosophen, soviel Sie wollen«, erwiderte der Farmer. »50 Millionen sind aber 50 Millionen, und die findet man nicht im Handumdrehen wieder. Ah, Jacobus, Sie haben mir heute, ohne daran zu denken, einen höchst wichtigen Dienst erwiesen. Ich glaube, ich, ich selbst, ich wäre vor Stolz noch ebenso wie eine Marone zersprungen, wenn der >Südstern< noch mir gehörte.«

»Ja, was wollen Sie mir Vorwürfe machen?« sagte Cy-prien, der der neben ihm sitzenden Miss Watkins in das liebliche frische Gesichtchen schaute. »Ich habe heute abend einen so köstlichen Edelstein gewonnen, daß der Verlust eines Diamanten mich nicht besonders bekümmern kann!«

So endete durch einen Theatercoup die seiner Geschichte würdige kurze und wechselvolle Laufbahn des größten geschnittenen Diamanten, den die Welt je gesehen hat.

Ein solches Ende trug, wie sich leicht denken läßt, natürlich nicht wenig dazu bei, die im Griqualand in bezug darauf umlaufenden abergläubischen Ansichten zu bestätigen. Mehr denn je waren Kaffern und Minengräber davon überzeugt, daß so große Steine nur Unglück bringen können.

Jacobus Vandergaart, der stolz darauf war, den »Süd-stern« geschnitten zu haben, und Cyprien, der ihn dem Museum der Bergwerksschule anzubieten gedachte, fühlten sich im Grunde doch mehr, als sie eingestehen wollten, enttäuscht über diese unerwartete Lösung. Im Ganzen ging die Welt deshalb doch im alten Gleis weiter, und man kann eben nicht sagen, daß sie bei der ganzen Geschichte soviel verloren habe.

Die sich überstürzenden Vorkommnisse, die schmerzlichen Erregungen, der Verlust seines Vermögens, dem auch der Verlust des »Südsterns« auf dem Fuß folgte, hatten John Watkins indes tief angegriffen. Er wurde bettlägrig, siechte einige Zeit hin, und - verlosch.

Weder die zärtliche Pflege Alices noch die Cypriens, so wenig wie der mannhafte Zuspruch Jacobus Vandergaarts, der kaum von seinem Kopfkissen wich und sich bemühte, dem Kranken neuen Lebensmut einzuflößen, vermochten den traurigen Ausgang abzuwenden.

Vergeblich unterhielt ihn dieser vortreffliche Mann von seinen Plänen für die Zukunft, erwähnte die Kopje nur als ihr gemeinschaftliches Eigentum und erbat sich seine Ratschläge über alle dieselbe betreffenden Maßnahmen, um sein Interesse wachzuhalten. Der alte Farmer war einmal in seinem Stolz verletzt, in seiner Monomanie als Eigentümer, in seinem Egoismus, in allen seinen Gewohnheiten - er fühlte seine Auflösung herannahen.

Eines Abends zog er Alice und Cyprien zu sich heran, legte ihre Hände ineinander und hauchte, ohne ein Wort zu sprechen, den letzten Seufzer aus. Seinen geliebten Stern hatte er nicht um 14 Tage überlebt.

Es schien in der Tat eine innige Verbindung zwischen dem Glück dieses Mannes und dem Schicksal des merkwürdigen Steins bestanden zu haben. Mindestens wiesen beide soviel Übereinstimmendes auf, daß das, wenn auch nicht vor dem Richterstuhl der Vernunft, doch in gewisser Hinsicht die abergläubischen Voraussetzungen erklärte, die im Griqualand darüber herrschten. Der »Südstern« hatte seinem Besitzer unzweifelhaft »Unglück gebracht«, mindestens in dem Sinn, daß das Auftreten des unvergleichlichen Edelsteins auf dem Schauplatz der Erde den Zeitpunkt bezeichnete, von dem aus das Wohlergehen des alten Farmers sich seinem Niedergang zuneigte.

Was die Schwätzer aber nicht durchschauten, war der Umstand, daß die Ursache dieses Verfalls in John Wat-kins' eigenen Fehlern zu suchen war - Fehler, die, wie eine Schicksalsbestimmung, die Keime des Verdrusses und des Niedergangs in sich trugen.

So viele Unglückliche hier auf Erden werden als die Opfer eines geheimnisvollen Unsterns betrachtet, und doch findet man in der Handlungsweise der Betroffenen, wenn man dieser tiefer auf den Grund geht, die ausreichende Erklärung ihres Mißgeschicks. Es mag auch unverschuldetes Unglück vorkommen, zugegeben; weit häufiger sind jedoch die Fälle, wo es, ein Ergebnis unerbittlicher Logik, aus den von dem Subjekt selbst gelieferten Grundlagen erwächst. Wäre John Watkins minder gewinnsüchtig gewesen, hätte er den kleinen Kohlenkristallen, die man Diamanten nennt, nicht eine so ungeheure, fast strafwürdige Bedeutung beigelegt, so würde das Auftauchen wie das Verschwinden des »Südsterns« ihn kalt gelassen haben - wie sie Cyprien kalt ließen - und sein physisches und moralisches Wohlbefinden wäre nicht der Gnade eines derartigen Ereignisses preisgegeben gewesen. Er hatte den Diamanten sein ganzes Herz geweiht; durch die Diamanten mußte er untergehen.

Nach wenigen Wochen wurde die Vermählung Cyprien Meres und Alice Watkins' zur großen Freude aller in größter Einfachheit gefeiert. Alice ist jetzt die Gattin Cypriens -was konnte sie auf Erden mehr verlangen?

Der junge Ingenieur besaß übrigens auch weit mehr irdische Schätze, als sie gewähnt und er selbst geglaubt hatte.

Infolge der Auffindung des »Südsterns« hatte sein Claim nämlich ohne sein Zutun eine sehr beträchtliche Wertvermehrung erfahren. Während seiner Fahrt durch den Transvaal, wo Thomas Steel inzwischen dessen Ausbeutung weiter betrieb, hatte sich dieses Teilstückchen der Kopje als ungemein ertragreich erwiesen, und daraufhin überboten sich viele Käufer, um es zu erlangen. Vor seiner Abreise nach Europa veräußerte er den Claim auch noch für mehr als 100.000 Francs, die ihm in klingender Münze gezahlt wurden.

Alice und Cyprien zögerten nun nicht mehr, das Griqua-land zu verlassen, um nach Frankreich zurückzukehren; sie taten das aber nicht, ohne vorher die Zukunft Lis, Bardiks und Matakits zu sichern - ein gutes Werk, an dem sich auch Jacobus Vandergaart seinen Anteil nicht nehmen ließ.

Der alte Steinschneider verkaufte seine Kopje an eine von dem früheren Händler Nathan gegründete Gesellschaft. Nach glücklicher Durchführung der Liquidation beeilte er sich, in Frankreich seine Adoptivkinder aufzusuchen, die dank der Arbeitslust Cypriens, seiner gern anerkannten Verdienste und dem Empfang, den ihm die gelehrte Welt bei seiner Heimkehr bereitete, auch in günstigen Vermögensverhältnissen leben, nachdem sie das Glück des Herzens vorher an sich zu fesseln gewußt hatten.

Thomas Steele kehrte mit 20.000 Pfund Sterling nach seinem Lancashire zurück, ist jetzt verheiratet, hetzt den Fuchs trotz jedes Edelmanns und leert jeden Abend seine Flasche Portwein; etwas Besseres kann er sich nun einmal nicht vorstellen.

Die Vandergaart-Kopje ist noch nicht erschöpft, sondern liefert alljährlich im Durchschnitt ein Fünftel der vom Kap ausgeführten Diamanten; kein Minengräber dort hat aber je wieder den glücklichen oder ungücklichen Zufall erlebt, einen anderen »Südstern« zu finden.