Выбрать главу

Miss Watkins hatte sich sehr schnell mit dem jungen Gelehrten auf guten, freundschaftlichen Fuß zu stellen gewußt. Da sie an ihm ebenso sein feines Benehmen wie eine geistige Überlegenheit erkannte, die ihrem gewöhnlichen Umgang völlig fehlte, ergriff sie eifrig die sich bietende Gelegenheit, durch Aneignung gründlicher Kenntnisse in der Experimentalchemie ihre übrigens nicht schlechte und ziemlich vielseitige Bildung zu bereichern, die sie durch eigenen Fleiß aus verschiedenen wissenschaftlichen Werken geschöpft hatte.

Das Labor des jungen Ingenieurs mit seinen merkwürdigen Apparaten interessierte sie ganz mächtig. Bezüglich all dessen, was die Natur des Diamanten betraf, dieses kostbaren Steins, der in der Unterhaltung wie im Handel des Landes eine so hervorragende Rolle spielte, herrschte zwischen ihr und ihm eine merkwürdige Übereinstimmung. Im Grunde war Alice nämlich geneigt, diesen Stein kaum höher als einen gewöhnlichen Kiesel zu schätzen. Cyprien -das bemerkte sie sehr bald - teilte nach dieser Seite offenbar ihre eigenen Anschauungen. Die gegenseitige Mitteilung dieser Ansichten trug natürlich noch dazu bei, das schnell geknüpfte Freundschaftsband zwischen ihnen nur zu befestigen.

Man darf wohl sagen, daß sie im Griqualand wohl die einzigen Wesen waren, die den Endzweck des Lebens nicht allein darin erkannten, die kleinen Steine zu suchen, zu schleifen und zu verkaufen, die überall in der Welt so heiß begehrt werden.

»Der Diamant«, sagte eines Tages der junge Ingenieur, »ist im Grunde weiter nichts als eine reine Kohle; er besteht nur aus kristallisiertem Kohlenstoff, man kann ihn durch Feuer vernichten wie jedes andere Brennmaterial, und eben diese Eigenschaft der Verbrennbarkeit hat zuerst zu einer Mutmaßung über seine eigentliche Natur geführt. Newton, der so vieles scharf beobachtete, hatte wahrgenommen, daß der geschnittene Diamant das Licht stärker als alle anderen transparenten Körper zurückwarf. Da er nun wußte, daß dieser Charakter vor allem den brennbaren Substanzen zukommt, schloß er mit dem ihm eigenen Scharfsinn aus dieser Tatsache, daß der Diamant auch brennbar sein müsse, und das Experiment bestätigte völlig seine Annahme.«

»Doch, Monsieur Mere, wenn der Diamant nichts anderes als Kohle ist, warum wird er so teuer verkauft?« fragte das junge Mädchen.

»Weil er sehr selten vorkommt, Miss Alice«, antwortete Cyprien, »und in der Natur bisher nur in ganz geringen Mengen gefunden wurde. Lange Zeit erhielt man ihn nur aus Indien, Brasilien und von der Insel Borneo. Ohne Zweifel entsinnen Sie sich, denn Sie mögen damals 7 bis 8 Jahre alt gewesen sein, auch der Zeit, wo zum erstenmal auf das Vorkommen des geschätzten Edelsteins in dieser Südprovinz Afrikas hingewiesen wurde.«

»Gewiß erinnere ich mich daran«, sagte Miss Watkins. »Hier im Griqualand waren die Leute völlig verrückt geworden. Man sah gar nichts mehr als Männer mit Schaufeln und Hacken, die den Boden untersuchten, den Bächen ein anderes Bett gaben, um darin den Grund zu besichtigen, und die nur noch von Diamanten träumten und von ihnen sprachen. So klein ich damals auch war, Monsieur Mere, kann ich mich doch noch daran erinnern, daß ich manchmal nicht wußte, wo mir der Kopf stand. Sie sagten jedoch, der Diamant sei so teuer, weil er selten vorkommt . . . Ist das seine einzige schätzenswerte Eigenschaft?«

»Nein, sicherlich nicht, Miss Watkins. Seine Durchsichtigkeit, sein Feuer, wenn er kunstgerecht geschnitten ist, um das Licht zurückzuwerfen, die Schwierigkeit dieser Bearbeitung selbst und endlich seine alles übertreffende Härte machen ihn zu einem Körper, der auch für den Gelehrten hohes Interesse bietet und, nicht zu vergessen, ihn für die Industrie nützlich erscheinen läßt. Sie wissen, daß man ihn nur mit seinem eigenen Staub polieren kann, und eben seine Härte ist es, die seit einigen Jahren seine Verwendung beim Durchbohren von Felsen veranlaßte. Ohne Mithilfe dieses Steins würde es nicht nur sehr schwierig sein, Glas und andere harte Substanzen zu bearbeiten, sondern auch die Durchbohrung von Tunnels, von Bergwerksstollen, artesischen Brunnen und dergleichen würde sehr bedeutend erschwert sein.«

»Ah, nun wird mir's klar«, sagte Alice, die plötzlich eine gewisse Hochachtung vor den armen Diamanten, die sie früher kaum geschätzt hatte, bekam. »Doch, Monsieur Mere, diese Kohle, von der Sie sagen, daß sie sich in kristallisiertem Zustand befindet - nicht wahr, so ist es wohl richtig ausgedrückt -, was ist diese Kohle im Grunde?«

»Das ist ein sogenannter einfacher, nicht metallischer Körper, der sonst ungemein häufig in der Natur vorkommt«, antwortete Cyprien. »Alle organischen Verbindungen ohne jede Ausnahme, das Holz ebenso wie das Fleisch und Brot, enthalten davon eine gewisse Menge. Sie verdanken sogar der Gegenwart der Kohle oder des >Kohlenstoffs< unter ihren Elementen den Grad der Verwandtschaft, die man zwischen ihnen beobachtet.«

»Wie merkwürdig!« rief Miss Watkins. »Also das Gebüsch da, das Gras dieser Weide, der Baum, der uns beschützt, das Fleisch meiner Dada, des Straußes, und ich selbst, auch Sie, Monsieur Mere, wir bestehen zum Teil aus Kohle . . . wie die Diamanten? In der Welt ist wohl alles aus Kohle?«

»Wahrhaftig, Miss Alice, schon lange Zeit hat man das sozusagen vorausgefühlt, die heutige Wissenschaft aber bringt Tag für Tag neue Beweise dafür bei; oder mit anderen Worten, sie verkleinert immer mehr und mehr die Zahl der einfachen Elementarkörper, an der früher niemand zu rütteln wagte. Die Errungenschaften der Spektralanalyse haben in dieser Beziehung auf dem Gebiet der Chemie ganz neues Licht verbreitet. Es könnten vielleicht sogar die 62 Substanzen, die bisher als einfache Elemente oder Grundkörper betrachtet wurden, nur auf einen einzigen Stoff zurückzuführen sein - zum Beispiel auf Wasserstoff -, der nur infolge verschiedener elektrischer, dynamischer und kalorischer Verhältnisse in wechselnder Gestalt erschiene.«

»Oh, Sie machen mir Angst, mit so vielen hochtönenden Worten«, rief Miss Watkins, »erzählen Sie mir lieber mehr von der Kohle. Könnten die Herren Chemiker diese denn nicht ebenso künstlich zum Kristallisieren bringen, wie zum Beispiel den Schwefel, von dem Sie mir kürzlich so hübsche Exemplare zeigten? Das wäre doch weit bequemer, als erst tiefe steile Löcher in die Erde zu graben, um darin Diamanten zu finden.«

»Wohl hat man häufig versucht auszuführen, was Sie da erwähnen«, sagte Cyprien, »und sich bemüht, durch Kristallisation ganz reinen Kohlenstoffs künstliche Diamanten herzustellen, und bis zu einer gewissen Grenze ist das sogar als gelungen zu betrachten. Im Jahr 1853 haben Despretz, und ganz neuerdings ein anderer Gelehrter in England, wirklichen Diamantstaub erzeugt, indem sie ganz reine, von allen Mineralbestandteilen befreite und übrigens aus Zucker gewonnene Kohle im luftleeren Raum einem sehr starken elektrischen Strom aussetzten. Das Problem ist jedoch noch nicht so weit gelöst, um schon die gewerbliche Ausnützung in Aussicht zu stellen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit freilich darf man das aber wohl nur als eine Frage der Zeit betrachten. Heute oder morgen, vielleicht in der Stunde, wo wir darüber sprechen, Miss Watkins, kann die künstliche Erzeugung von Diamanten recht gut entdeckt worden sein.«

So spazierten sie plaudernd auf der sandigen Terrasse, die längs der Farm hinlief oder saßen auch gegen Abend auf der luftigen Veranda und bewunderten die glänzenden Sterne des südlichen Himmels.

Dann verließ Alice den jungen Ingenieur, wenn sie ihn nicht mitnahm, um ihre kleine Straußherde anzusehen, die in einem Gehege am Fuß der kleinen Anhöhe - auf der John Watkins' Wohnung sich befand - gehalten wurde. Der kleine weiße Kopf der Tiere, der den schwarzen Körper so hoch überragt, ihre langen, steifen Beine, die Büschel gelblicher Federn, die die Flügelenden und den Schwanz zieren, all das interessierte das junge Mädchen, die es sich seit 1 oder 2 Jahren zum Vergnügen machte, ein ganzes Volk dieser riesigen Stelzfüßler aufzuziehen.