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Gewöhnlich geht man gar nicht darauf aus, diese Tiere zu zähmen, sondern die Farmer des Kaplandes lassen sie meist in halbwildem Zustand aufwachsen. Sie begnügen sich nämlich damit, sie in ein möglichst ausgedehntes Gehege einzuschließen, das von einem Zaun aus Messingdraht begrenzt ist - wie man in manchen Ländern solche Drahtwände längs der Eisenbahnstrecken errichtet sieht. Da die Flugfähigkeit der Strauße sehr beschränkt ist, vermögen sie nicht über diese ziemlich hohen Zäune zu gelangen. Hier leben sie also das ganze Jahr über in kaum empfundener Gefangenschaft, ernähren sich von dem, was sie finden, und suchen sich verborgene Plätze auf, wo sie ihre Eier ablegen, die durch sehr strenge Gesetzbestimmungen vor den Händen Unbefugter geschützt sind. Nur zur Zeit der Mauser, wenn die von der Damenwelt Europas so gesuchten Federn eingesammelt werden sollen, treibt man die Strauße durch immer kleiner und kleiner werdende Gehege, bis sie zuletzt so dicht zusammengedrängt sind, daß sie leicht ergriffen und gerupft werden können.

Im Gebiet des Kaplandes hat diese Industrie seit einigen Jahren einen bedeutenden Umfang gewonnen, und man darf sich mit Recht darüber wundern, daß sie so zögernd in Algerien eingeführt worden ist, wo sie aller Wahrschein-

lichkeit nach den gleichen Erfolg verspricht. Jeder in obiger Weise in Gefangenschaft gehaltene Strauß bringt seinem Eigentümer, ohne irgendwelche nennenswerte Spesen zu verursachen, ein jährliches Einkommen von 160 bis 240 Mark. Um das zu begreifen, muß man wissen, daß eine solche Feder von guter Qualität 48 bis 75 Mark Handelswert hat, und daß selbst die mittleren und kleinen Federn noch ziemlich hoch bezahlt werden.

Miss Watkins freilich züchtete etwa ein Dutzend dieser großen Vögel nur zu ihrem persönlichen Vergnügen. Es interessierte sie, sie ihre ungeheuren Eier ausbrüten oder sie mit ihren Küchlein ebenso zum Füttern heraneilen zu sehen, wie man das von den Hühnern und Truthühnern kennt. Cyprien begleitete sie zuweilen und streichelte dann gern eines der schönsten Tiere der Herde, einen Strauß mit schwarzem Kopf und goldigen Augen, eben jene besonders gepflegte Dada, welche die Elfenbeinkugel verschluckt hatte, die Alice beim Ausbessern von Strümpfen zu benützen pflegte.

Allmählich hatte Cyprien aber doch ein tieferes und wärmeres Gefühl für das junge Mädchen in seinem Herzen erwachen gefühlt, hatte sich gesagt, daß er, um sein Leben voller Arbeit und ernstem Streben zu teilen, keine Gefährtin von so unschuldigem Herzen, so lebhaftem Geist und solcher Liebenswürdigkeit im Verein mit vielseitiger Bildung finden könne. Da Miss Watkins ihre Mutter sehr frühzeitig verlor und deshalb den väterlichen Haushalt zu führen genötigt gewesen war, hatte sie sich dabei ebenso zur erfah-renen Hausfrau wie zur wirklichen Weltdame ausgebildet, und gerade diese glückliche Mischung ungezwungenen, vornehmen Anstands und anziehender Einfachheit verlieh ihr einen ganz besonderen Reiz. Ohne die oft törichten Ansprüche so vieler europäischer Städterinnen, fürchtete sie sich nicht, mit eigener Hand den Teig zu einem Pudding zuzubereiten, den Mittagstisch zu überwachen und sich zu überzeugen, daß die Wäschevorräte des Hauses immer in gutem Zustand waren. Das hinderte sie aber wieder nicht, Sonaten von Beethoven ebensogut und vielleicht noch besser als manche andere zu spielen, zwei oder drei Sprachen geläufig zu sprechen, sich an Lektüre zu ergötzen, die Meisterwerke der Literatur aller Kulturvölker zu würdigen und endlich bei den kleinen Gesellschaften, die zuweilen im Haus des einen oder anderen reichen Farmers der Umgegend abgehalten wurden, mit unzweifelhaftem Erfolg aufzutreten.

Deshalb darf man nicht glauben, daß geistig höher stehende Frauen in jenen Kreisen eine Seltenheit wären. Im Transvaal wie in Amerika, in Australien und in allen neubesiedelten Ländern, wo die unerläßlichen Arbeiten einer sich überhastet vollziehenden Zivilisation alle Tätigkeit der Männer in Anspruch nahmen, ist die Pflege des geistigen Gebiets weit mehr als in Europa fast ausschließliches Vorrecht der Frauen.

So findet man sie auch in allgemeiner Bildung und künstlerischer Fertigkeit ihren Männern und Söhnen meist stark überlegen. Fast alle Reisenden haben Gelegenheit gehabt, nicht ohne Verwunderung bei der Frau eines australischen Goldgräbers oder eines Squatters aus dem fernen Westen musikalische Talente neben gründlichen literarischen und wissenschaftlichen Kenntnissen zu beobachten.

Die Tochter eines Lumpensammlers in Omaha oder eines Fleischwarenhändlers in Melbourne würde unzweifelhaft erröten, wenn sie von sich sagen müßte, bezüglich der allgemeinen Bildung, des gesellschaftlichen Anstands und der Verfeinerung überhaupt unter einer beliebigen Prinzessin des alten Europas zu stehen. Im Oranje-Freistaat, wo die Erziehung der Mädchen schon längst mit der der Knaben auf gleicher Höhe steht, wo die letzteren aber die Schulbänke zeitiger verlassen, ist der Unterschied zwischen beiden Geschlechtern noch greller als anderswo. Der Mann ist im Haushalt der »Bread-winner«, der Brotverdiener; er führt mit aller angeborenen Rauheit, mit der Rauheit, die ihm seine Beschäftigung in freier Luft aufdrückt, ein Leben voller Anstrengung und Gefahren. Die Frau dagegen wählt als ihr Gebiet neben der Erfüllung aller häuslichen Verpflichtungen die Fortübung in Wissenschaften und Künsten, die ihr Gatte verachtet oder vernachlässigt.

So ereignet es sich nicht selten, daß eine Blume von Schönheit und vornehmem Reiz gerade am Rand der Wüste aufblüht, und das war der Fall mit der Tochter des Farmers John Watkins.

All das hatte Cyprien sich gesagt, und, da er stets direkt aufs Ziel loszugehen gewohnt war, nicht gezögert, seine Bewerbung um Alice anzubringen.

Ach! Jetzt fiel er gänzlich aus den Wolken und bemerkte zum ersten Mal die weite Kluft, die unüberwindlich zwischen ihm und dem jungen Mädchen gähnte! Es versteht sich von selbst, daß er nach dieser entscheidenden Verhandlung mit recht schwerem Herzen in die eigene Wohnung zurückkehrte. Er war jedoch nicht der Mann, sich einer leeren Verzweiflung zu überlassen, sondern entschlossen, hier, wo er sich befand, zu arbeiten, und bald hatte er in rastloser Tätigkeit ein geeignetes Ableitungsmittel für seinen Kummer gefunden.

Nachdem er sich an seinen kleinen Tisch gesetzt, vollendete der junge Ingenieur mit rascher und sicherer Schrift einen langen vertraulichen Brief, den er am Morgen begonnen und der an seinen verehrten Lehrer Monsieur I. . . , Mitglied der Akademie der Wissenschaften und Titularprofes-sor an der Bergwerkschule, gerichtet war.

». . . Worauf ich in meinem offiziellen Bericht nicht eingehen zu dürfen glaubte«, schrieb er, »weil es vorläufig nur eine Hypothese von mir betrifft, ist die Anschauung, die ich mir aufgrund zahlreicher geologischer Beobachtungen über die eigentliche Art der Bildung des Diamanten geschaffen habe. Weder die Hypothese, die ihm einen vulkanischen Ursprung zuschreibt, noch die, welche sein Vorkommen in den mächtigen Schichtenlagern von großen Wasserströmen herleitet, haben mich ebensowenig überzeugen können, wie Sie selbst, hochgeehrter Herr Professor, und ich habe deshalb nicht nötig, die Gründe zu wiederholen, die uns zu dieser Ablehnung bestimmten. Die Entstehung des Diamanten an Ort und Stelle, und zwar unter Mitwirkung des Feuers, ist aber eine ebensowenig stichhaltige Erklärung, die mich kaum mehr befriedigen könnte. Welcher Art sollte dieses Feuer sein, und warum hätte es nicht all die andern kalkartigen Steine verändert, die ganz regelmäßig in den Diamantenlagern vorkommen? Das erscheint mir, offen gestanden, etwas kindlich und ganz der Theorie der Wirbelstürme und der hakenförmigen Atome würdig.

Die einzige Erklärung, die mir, wenn auch nicht ganz, so doch in gewissem Grad das Richtige zu treffen scheint, läuft darauf hinaus, daß die stofflichen Bestandteile des Edelsteins durch Wasser zugeführt wurden und daß sich der Kristall nachher an Ort und Stelle bildete. Mir fällt mit Bezug hierauf besonders das eigentümliche, man möchte sagen, ganz gleichmäßige Profil der verschiedenen Ablagerungen auf, die ich gesehen und mit möglichster Sorgfalt gemessen habe. Alle bilden mehr oder weniger die Form einer Schale, einer Kapsel oder, noch besser, unter Berücksichtigung der Kruste, die sie überdeckt, einer auf der Seite liegenden Kürbis-Jagdflasche. Jedes solche Lager bildet ein Reservoir von 30 - bis 40.000 Kubikmeter Inhalt, das von einem ganzen Konglomerat von Sand, Lehm und überhaupt Alluvialboden ausgefüllt erscheint, und das auf Urgebirge abgesetzt ist und denselben Charakter zeigt. Besonders tritt dieser bei der Vandergaart-Kopje hervor, einer der neuentdeckten Fundstätten, die, um das nebenbei zu bemerken, dem Eigentümer des Häuschens gehört, in dem ich jetzt an Sie schreibe.