gemeingefährlich und eine blutgierige Bestie!«Maurizio hatte dem Redeschwall des Raben mit runden Augen zugehört. Ein paarmal hatte er unterbrechen wollen, war aber glücklicherweise nicht zu Wort gekommen. Jetzt sagte Irrwitzer lachend zu ihm:»Brav, brav, mein tapferer kleiner Ritter! Aber von jetzt an müßt ihr zwei euch vertragen. Versprecht ihr uns das?«»Soweit kommt's noch!«krächzte Jakob und drehte Maurizio den Rücken zu.»Ich vertrag mich doch nicht mit jemandem, der Brathuhn zu mir sagt. Das soll er zuerst zurücknehmen!«»Aber.«, wandte Maurizio ein, doch die Hexe unterbrach ihn.»Kein aber!«flötete sie mit süßlicher Stimme.»Seid lieb miteinander, ihr kleinen Racker! Wir haben uns nämlich was besonders Feines für euch ausgedacht, mein famoser Neffe und ich. Und wenn ihr hübsch friedlich seid und euch schön vertragt, dann dürft ihr bei unserer Sylvesterfeier mit dabei sein. Es wird sehr lustig werden, nicht wahr, Bubi, das wird es doch?«»Allerdings«, antwortete Irrwitzer mit schiefem Lächeln,»es wird wahrhaftig eine schöne Bescherung. Wenn ihr brav seid.«»Ungern«, schnarrte Jakob.»Aber wenn's nicht anders geht, machen wir halt Frieden, Herr Baron, oder?«Er stieß Maurizio mit dem Flügel an, und der nickte ein bißchen töricht.
Die Hexe hatte inzwischen die Pergamentschlange wieder zusammengerollt. Nun holte der Zauberer eine ganz gleich aussehende Rolle aus dem weiten Ärmel seines Schlafrocks hervor.»Als erstes, Tyti«, erklärte er,»müssen wir jetzt die Probe aufs Exempel machen, ob die beiden Teile auch wirklich ursprünglich zusammengehören. Du weißt die Formel und was du zu tun hast?«»Alles klar«, antwortete sie. Dann sprachen sie zu zweit:.»Durch die Kraft von Sechsundsechzig ' umgekehrten Pentagrammen r zeigen unecht oder echt sich i Teile, die vom Ganzen stammen. Formel aus der Zeiten Nacht, bist du's, zeige deine Macht! Unter Blitz und Flammen füge dich zusammen! Achtung! - Fertig! - Los!«Im gleichen Augenblick warfen beide ihre Pergamentrollen in die Höhe. Ein ungeheurer, blendender Blitz zuckte, die ganze Luft ringsum funkelte von abertausend Sternchen, als sei eine Feuerwerksrakete explodiert, aber zu hören war diesmal nichts. Die Enden der beiden Teile waren, wie von einer ungeheuren Magnetkraft angezogen, zusammengeschossen und hatten sich miteinander vereint - so vollkommen und ohne Klebestelle, als seien sie nie getrennt gewesen. In großen, langsamen Wellenbewegungen schwebte eine etwa fünf Meter lange Pergamentschlange unter der Decke des Labors dahin und sank nach und nach zu Boden. Zauberer und Hexe nickten sich befriedigt zu.»Und nun«, wandte sich Irrwitzer an die Tiere,»müßt ihr uns für ein kleines Weilchen allein lassen. Wir wollen die Sylvesterfeier vorbereiten, und dabei können wir euch nicht brauchen.«Jakob, noch immer in der heimlichen Absicht, zu verhindern, daß der Wunschpunsch rechtzeitig fertig würde, bat und bettelte, dabeibleiben zu dürfen und versprach, sich ganz, ganz ruhig zu halten. Maurizio schloß sich ihm an.»Nichts da, ihr neugierigen Kerlchen«, sagte Tyrannja,»ihr würdet uns nur dauernd mit euren Fragen stören und außerdem soll es doch eine Überraschung für euch werden.«Als alles Zureden nichts half, packte die Hexe schließ- lich den Raben und der Zauberer den Kater. Sie trugen sie in Maurizios Katzenkammer und setzten sie dort ab.»Ihr könnt ja schon ein bißchen vorausschlafen«, meinte Irrwitzer,»damit ihr nachher bei der Feier nicht müde werdet. Vor allem du, Käterchen.«»Oder ihr könnt inzwischen Wolle-Ball spielen, um euch die Zeit zu vertreiben«, fügte Tyrannja hinzu.
»Hauptsache, ihr seid brav und streitet euch nicht wieder. Wenn wir fertig sind, holen wir euch.«»Und damit ihr nicht schon vorher guckt und uns und euch selbst den ganzen Spaß verderbt«, fuhr Irrwitzer fort,»werden wir euch solange einsperren.«Er schloß die Tür und drehte von außen den Schlüssel um. Ihre Schritte entfernten sich.
Jakob Krakel flatterte auf die Lehne des alten Plüschsofas, aus dessen Polster einige Sprungfedern herausragten, weil der Kater zu oft seine Krallen daran geschärft hatte.»So!«schnarrte er verbittert.»Jetzt sitzen wir da, wir zwei Superspione, und schauen recht treuherzig.«
Maurizio war als erstes auf sein luxuriöses Himmelbettchen zugelaufen, hatte dann aber, obwohl er sich so müde und krank fühlte wie nie zuvor, den heldenhaften Entschluß gefaßt, nicht hineinzugehen. Die Situation war zu ernst, um an ein Nickerchen zu denken.»Was machen wir denn jetzt?«fragte er ratlos.»Was wir jetzt machen?«krächzte Jakob.»Einen rührenden Eindruck machen wir, sonst nix! Aus und vorbei is' es mit dem Verhindern. Ich sag's ja, es wird alles nur immer noch schlimmer und schlimmer. Und das is' wahr, weil sich's nämlich reimt. Das wird ein böses Ende nehmen!«»Warum sagst du das denn dauernd?«beschwerte sich Maurizio.»Das is' meine Füllosofie«, erklärte Jakob.»Man muß grundsätzlich immer das Allerärgste annehmen, und dann muß man dagegen tun, was man kann.«»Und was können wir tun?«fragte Maurizio.»Nix«, gab Jakob zu. Maurizio stand vor dem niedrigen Tischchen, auf dem die süße Sahne und die verschiedenen leckeren Häppchen lockten. Es kostete ihn enorme Überwindung, aber er blieb auch dieser Versuchung gegenüber standhaft, weil er ja nun wußte, welche verhängnisvolle Wirkung dieses Futter auf ihn haben würde. Eine Weile war es still, nur der Schneesturm pfiff ums Haus.»Ich sag' dir was, Käterchen«, ließ sich der Rabe schließlich wieder vernehmen,»ich hab' endgültig genug vom Geheimagentenberuf. Das kann niemand von mir verlangen. Das geht über meine Rabenkraft. Ich bleib' nicht mehr dabei. Ich steig' aus.«»Gerade jetzt?«fragte Maurizio.»Aber das kannst du doch nicht machen!«»Das kann ich schon«, antwortete Jakob.»Ich mag nicht mehr. Ich möcht' wieder ein ganz normales Landstreicherleben führen wie früher. Ich wollt, ich war'jetzt bei meiner Ramona im warmen Nest.«Maurizio setzte sich und schaute zu ihm hinauf.»Ramona? Warum auf einmal Ramona?«»Weil sie am weitesten weg is'«, sagte Jakob vergrämt,»und das war' mir jetzt am liebsten.«»Weißt du«, fuhr Maurizio nach einer kleinen Weile fort,»ich würde ja auch viel lieber durch ferne Lande ziehen und mit meinen Liedern alle Herzen erweichen. Aber wenn die beiden Schurken heute nacht die Welt zugrunde richten mit ihrer Zauberei, was für ein Minnesängerleben gäbe es da noch? Falls es überhaupt noch Leben gibt.«»Ja und?«krächzte Jakob zornig.»Was können wir dran ändern? Ausgerechnet wir zwei lausigen armseligen Viecher? Warum kümmert sich sonst niemand drum - da droben im Himmel zum Beispiel? - Eins möcht' ich wirklich mal wissen: Warum haben die Bösen auf der Welt immer so viel Macht, und die Guten haben immer nix -höchstens Reißmatissimus? Das is' nicht gerecht, Käterchen. Nein, das is' nicht gerecht! Ich hab's satt. Ich tret' jetzt einfach in Streik.«Und er steckte den Kopf unter den Flügel, um nichts mehr zu hören und zu sehen. Diesmal blieb es so lange still, daß er schließlich vorsichtig unter dem Flügel hervorlugte und sagte:»Du könntest mir wenigstens widersprechen.«»Ich muß nachdenken«, antwortete Maurizio,»über das, was du vorher gesagt hast. Bei mir ist das nämlich ganz anders. Meine Urgroßmutter Mia, die eine sehr weise alte Katze war, hat immer gesagt: Wenn du dich für etwas begeistern kannst, dann tu's - und wenn du's nicht kannst, dann schlaf. - Ich muß mich begeistern können, deswegen versuche ich immer, mir die beste von allen Möglichkeiten auszumalen, und dann dafür zu tun, was möglich ist. Aber ich habe leider nicht so viel Lebenserfahrung und praktischen Verstand wie du, sonst würde mir jetzt bestimmt doch noch etwas einfallen, was wir tun könnten.«Der Rabe zog den Kopf unter dem Flügel hervor, öffnete den Schnabel und machte ihn wieder zu. Diese unerwartete Anerkennung von Seiten eines berühmten Künstlers aus uraltem Rittergeschlecht machte ihn sprachlos. So etwas war ihm in seinem ganzen windigen Rabenleben noch nicht widerfahren. Er räusperte sich.»Hm - also -«, gakelte er,»eins steht jedenfalls fest, solang'wir hier drin sitzen, geht gar nichts. Wir müssen hier 'raus. Fragt sich bloß, wie. Die Tür is' zu. Fällt dir was ein?«»Vielleicht kann ich das Fenster aufkriegen«, schlug Maurizio eifrig vor.»Versuch's!«»Wozu denn?«»Wir müssen uns auf den Weg machen - einen weiten Weg wahrscheinlich.«»Wohin denn?«»Hilfe suchen.«»Hilfe? Meinst du beim Hohen Rat?«»Nein, dazu is'