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Jakob Krakel und Moritz saßen zu Füßen des Münsterturms, der sich wie eine riesenhafte, vielfach gezackte Gebirgswand in den Nachthimmel erhob. Beide hatten den Kopf weit in den Nacken gelegt und blickten schweigend empor. Nach einer Weile räusperte sich der Rabe.»Da oben«, sagte er,»hat früher einmal eine Schleiereule gewohnt, mit der ich bekannt gewesen bin. Nonne Bubu hat sie geheißen. Nette alte Dame. Bißchen verrückte Ansichten hat sie gehabt über Gott und die Welt, deswegen hat sie lieber ganz allein gehaust und is' nur nachts ausgegangen. Sie wußte aber eine Menge Sachen. Wenn sie noch da war', könnte man sie jetzt um Rat fragen.«»Wo ist sie denn jetzt?«fragte der Kater.»Keine Ahnung. Sie is' ausgewandert, weil sie den Smog nicht mehr vertragen hat. Sie war schon immer ein bißchen zimperlich. Vielleicht lebt sie auch schon längst nicht mehr.«»Schade«, sagte Moritz. Und nach einer Weile fügte er hinzu:»Vielleicht hat sie auch das Glockenläuten gestört. Da oben, so aus der Nähe, muß es ja unerhört laut sein.«»Glaub' ich kaum«, meinte Jakob,»das hat noch nie keine Eule gestört, das Glockenläuten.«Und dann wiederholte er noch einmal nachdenklich:»Das Glockenläuten. warte mal. das Glockenläuten.«Plötzlich hopste er in die Höhe und kreischte aus vollem Hals:»Das is' es! Ich haaaab's!«»Was denn?«fragte Moritz ganz erschrocken.»Nix«, antwortete Jakob, schon wieder kleinlaut, und zog den Kopf zwischen die Flügel,»es geht nicht. Hat keinen Zweck. War Quatsch. Vergiß es.«»Was denn? Sag's doch!«»Ach, mir is' da bloß grad' so eine Idee gekommen.«»Was denn für eine?«»Naja, ich hab' mir gedacht, daß man die Sylvesterglocken einfach schon vorher läuten könnte, jetzt gleich, verstehst du. Das würde doch dann die Umkehrwirkung von dem Zauberpunsch aufheben. Die haben doch selber gesagt, daß schon der erste kleine Ton vom Neujahrsläuten dafür genügt. Erinnerst du dich? Dann würde bei denen ihrer verlogenen Wünscherei lauter Gutes herauskommen, hab' ich mir gedacht.«Der kleine Kater starrte den Raben an. Es dauerte ein Weilchen, bis er begriffen hatte, aber dann begannen seine Augen zu glühen.»Jakob«, sagte er ehrfürchtig,»Jakob Krakel, alter Freund, ich glaube, du bist wahrhaftig ein Genie. Das ist die Rettung! Ja, dafür kann ich mich ehrlich begeistern.«»Schön war's«, schnarrte Jakob grämlich.»Bloß gehen tut's nicht.«»Aber warum denn nicht?«»Na, wer bitte schön soll die Glocken denn läuten?«»Wer? Du natürlich! Du fliegst jetzt einfach zur Turm• spitze hinauf und läutest. Das ist doch ein Kinderspiel.«»Ja, Husten!«krächzte der Rabe.»Ein Kinderspiel, meint der! Vielleicht für Riesenkinder. Hast du schon mal solche Kirchenglocken gesehen, mein lieber Schieber?«»Nein.«

»Eben! Die sind nämlich so groß und schwer wie ein Lastwagen. Glaubst du vielleicht, ein Rabe kann einen Lastwagen schaukeln, noch dazu wenn er Reißmatissimus hat?«»Gibt's denn nicht auch kleinere Glocken? Es ist doch gleich welche.«»Hör zu, Moritz, sogar die kleinste is' immer noch so schwer wie ein Weinfaß.«»Dann müssen wir's eben zu zweit versuchen, Jakob. Zu zweit schaffen wir's bestimmt. Komm doch! Worauf wartest du?«»Wo willst du denn hin, du verrückter Kater?«»Wir müssen in den Turm hinein, dorthin, wo die Glockenseile hängen. Wenn wir zu zweit mit aller Kraft dran ziehen, wird's bestimmt gehen.«Moritz, entflammt von seiner Begeisterung für große Taten, rannte los und suchte nach einer Eingangstür ins Innere des Münsterturmes. Jakob flatterte fluchend und schimpfend hinterdrein und versuchte ihm begreiflich zu machen, daß heutzutage nirgends mehr die Glocken mit Seilen und per Hand geläutet würden, sondern durch Elektromotoren und per Knopfdruck. Um so besser«, antwortete Moritz,»dann brauchen wir ja nur den Knopf zu finden.«Doch diese Hoffnung erwies sich als vergeblich. Die einzige Eingangstür in den Münsterturm war verschlossen. Der kleine Kater hängte sich an die große Eisenklinke - umsonst!»Na bitte, was hab' ich gesagt!«meinte der Rabe.»Gib's auf, Käterchen. Was nicht geht, geht halt nicht.«»Es geht!«sagte Moritz wild entschlossen. Er blickte am Turm hinauf.»Wenn nicht von innen, dann eben von außen.«»Was heißt das?«kreischte Jakob entsetzt.»Willst du vielleicht außen an diesem Turm hochkraxeln? Und bei dem Wind? Bei dir piept's wohl!«»Weißt du was Besseres?«fragte Moritz.»Ich weiß jedenfalls eins«, antwortete der Rabe,»nämlich daß das ganz schlicht und einfach der gerupfte Wahnsinn is'. Und glaub' bloß nicht, daß ich bei sowas auch noch mitmach'.«»Dann muß ich's allein schaffen«, sagte Moritz. 

Das riesige Glas aus Kaltem Feuer war inzwischen bis zum Rand gefüllt. Die Flüssigkeit in seinem Inneren zeigte jetzt eine violette Färbung. Sie war zwar aus den absonderlichsten Ingredienzien zusammengemischt, aber noch weit davon entfernt, ein Wunschpunsch zu sein. Dazu mußte sie nun magisiert werden, das heißt, sie

mußte einer ganzen Serie von Prozeduren unterworfen werden, die sie instand setzten, die eigentlichen dunklen Zauberkräfte in sich aufzunehmen. Das war der vorwiegend wissenschaftliche Teil der Arbeit und fiel in Beelzebub Irrwitzers Kompetenz. Die Geldhexentante konnte ihm dabei nur mehr oder weniger als Handlangerin dienen. Der Text, um den es hier ging, war in der Fachsprache der Laborzauberer abgefaßt und selbst für Tyrannja nahezu unverständlich. Er lautete: Man nehme kathotyme Phleben und katafalkes Polyglom, «und lasse beides zyklisch schweben in dramoliertem An-Atom. Durch schlemihlierte Ektoplasen purgiert sich schismothymes Myrth, das wiederum mit Antigasen zum Prosten alkoholisiert. Basierend auf humanem Morchel aus ungeflaxtem Proklamat tingiert der aziphere Schnorchel gratinisch mit dem Thermostat. Konjekturiert die Unglykose sodann auf Säureparität, baiionisiert sich die Sklerose zur Hoch-Promille-Qualität; doch ist die Dosis nicht halunkisch durch ganoviertes Krimminol, bleibt die komplexe Drexe flunkisch als unstabiler Ulkohol. Drum achte man aufs Hirngebläse beim diabolischen Kontarkt, denn scheuert die Schimären-Fräse, dann schnibbelt leicht der Sadofarkt. Ist dies erfyllt, so byllt sich thymisch Galaxenparalaxenwachs in pyromanem Salz alchymisch als asdrubales Minimax. In dieser Art ging es noch lange weiter. Irrwitzer hatte alle seine magischen Computer, die an den höllischen Zentralgroßrechner angeschlossen wa- ren, in Gang gesetzt und fütterte sie mit den nötigen Informationen. Sie arbeiteten - wenn man das von elektronischen Apparaten so sagen darf - unter Volldampf, zirpten, piepsten, rasselten, blinkten und spuckten Formeln und Diagramme aus, die dem Zauberer sagten, was er mit der Flüssigkeit im Punschglas als nächstes zu tun hatte. Einmal zum Beispiel mußte er ein Antigravitationsfeld aufbauen, um völlige Schwerelosigkeit zu erzielen. Dadurch konnte er das ganze Gebräu aus dem Gefäß herausheben. Die Flüssigkeit schwebte als ein großer, leicht wabbelnder Ball mitten im Raum, und Irrwitzer konnte sie so mit einer geballten Ladung von Perversionsteilchen beschießen, die das Glas aus Kaltem Feuer nicht durchgelassen hätte. Allerdings wurden er selbst und auch die Tante während dieser Phase von der Schwerelosigkeit ergriffen, was die Arbeit bedeutend erschwerte. Er schwebte nämlich mit dem Kopf nach unten an der Decke des Labors, während Tyrannja waagrecht in der Luft um ihre eigene Achse rotierte. Doch schaffte er es, nach gelungenem Beschüß, den An tigravitation s-Generator wieder abzustellen, wodurch der Flüssigkeitsball in sein Gefäß zurückplatschte, Tante Tyti und er selbst aber ziemlich schmerzhaft auf den Boden knallten. Doch solche Vorkommnisse sind bei derartig riskanten Experimenten fast unvermeidlich und beeinträchtigten den Feuereifer der beiden kaum. Ein wenig später ereignete sich jedoch ein unvorher-