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»Maestro«, ließ sich schließlich wieder der kleine Kater fast flüsternd vernehmen,»Maestro, ich hab etwas auf dem Herzen.«Da Irrwitzer nicht antwortete, sondern nur mit einer erschöpften Gebärde den Kopf in die Hand stützte, fuhr er etwas lauter fort:»Ich muß Ihnen etwas gestehen, das schon seit langem mein Gewissen bedrückt.«»Gewissen.«, Irrwitzer verzog den Mund,»sieh mal einer an, sogar Kater haben sowas.«»Oh, sogar sehr«, versicherte Maurizio ernsthaft,»nicht alle vielleicht, aber ich schon. Schließlich bin ich aus altem Ritteradel.«Der Zauberer lehnte sich zurück und schloß mit leidendem Gesichtsausdruck die Augen.»Es ist nämlich so«, erklärte Maurizio stockend,»ich bin nicht der, als der ich erscheine.«»Wer ist das schon«, sagte Irrwitzer zweideutig. Der Kater fuhr fort, umzurühren. Er starrte in die schwarze

Brühe.»Ich habe Ihnen all die Zeit, die ich hier bin, etwas verschwiegen, Maestro. Und dafür schäme ich mich jetzt schrecklich. Deshalb habe ich beschlossen, Ihnen an diesem heutigen, besonderen Abend alles zu gestehen.«Der Zauberer schlug die Augen auf und musterte Maurizio durch seine dicken Brillengläser. Um seine Lippen zuckte es spöttisch, aber das bemerkte der kleine Kater nicht.»Sie wissen ja besser als jeder andere, Maestro, daß überall auf der Welt etwas Schlimmes vorgeht. Immer mehr Geschöpfe werden krank, immer mehr Bäume sterben, immer mehr Gewässer sind vergiftet. Deshalb haben wir Tiere vor längerer Zeit eine große Versammlung einberufen, geheim natürlich, und dabei wurde beschlossen, herauszufinden, von wem oder was all dieses Elend verursacht wird. Dazu hat unser Hoher Rat überallhin Geheimagenten ausgeschickt, die beobachten sollten, was eigendich geschieht. Und so bin ich zu Ihnen gekommen, lieber Maestro - um Sie auszuspionieren.«Er machte eine Pause und blickte den Zauberer aus großen, glühenden Augen an.»Glauben Sie mir«, fuhr er dann fort,»es ist mir sehr schwer gefallen, Maestro, denn diese Tätigkeit entspricht nicht meiner vornehmen Gesinnung. Ich habe es getan, weil ich es tun mußte. Es war meine Pflicht gegenüber den anderen Tieren.«Wieder machte er eine Pause und fügte dann etwas kleinlaut hinzu:»Sind Sie mir jetzt sehr böse?«»Vergiß nicht umzurühren!«sagte der Zauberer, der trotz seiner finsteren Stimmung Mühe hatte, ein Kichern zu unterdrücken.»Können Sie mir verzeihen, Maestro?«»Schon gut, Maurizio, ich verzeihe dir. Schwamm drüber!«»Oh«, hauchte der kleine Kater ergriffen,»was für ein edles Herz! Sowie ich wieder gesund und nicht mehr so müde bin, werde ich mich zum Hohen Rat der Tiere schleppen und dort berichten, was Sie für eine Seele von einem Menschen sind. Das verspreche ich Ihnen feierlich zum neuen Jahr.«Diese letzte Erwähnung ließ den Zauberer schlagartig wieder in üble Laune versinken.»Laß den rührseligen Quatsch!«stieß er heiser hervor.»Du gehst mir auf die Nerven damit.«Maurizio schwieg verdattert. Er konnte sich seines Maestros plötzliche Unfreundlichkeit absolut nicht erklären. In diesem Augenblick klopfte es.

Der Zauberer richtete sich kerzengerade auf. Es klopfte zum zweiten Mal, laut und deutlich. Maurizio hatte zu rühren aufgehört und bemerkte einfältig:»Ich glaube, Maestro, es hat geklopft.«»Pst!«zischte der.»Still!«Der Wind rüttelte an den Fensterläden.»Nicht jetzt schon!«knirschte Irrwitzer.»Bei allen chemischen Keulen, das ist unfair!«Es klopfte zum dritten Mal, nun schon ziemlich ungeduldig. Der Zauberer hielt sich mit beiden Händen die Ohren zu.»Man soll mich in Ruhe lassen. Ic h bin nicht da.«Das Pochen wurde zu einem Hämmern, und man hörte durch das Sturmsausen draußen undeutlich eine krächzende Stimme, die ziemlich erbost klang.»Maurizio«, raunte der Zauberer,»liebes Käterchen, wärst du wohl so freundlich aufzumachen und zu sagen, ich sei ganz plötzlich verreist. Sag einfach, ich sei zu meiner alten Tante Tyrannja Vamperl gefahren, um mit ihr Sylvester zu feiern.«»Aber Maestro«, sagte der Kater verwundert,»das wäre doch eine glatte Lüge. Verlangen Sie das wirklich von mir?«Der Zauberer drehte die Augen gen Himmel und stöhnte.»Ich kann es ja schließlich nicht gut selber sagen.«»Schon gut, Maestro, schon gut. Für Sie mache ich alles.«Maurizio hoppelte zur Haustür, schob unter Aufbietung all seiner schwachen Kräfte einen Hocker unter die Klinke, kletterte hinauf, drehte den riesigen Schlüssel herum, bis das Schloß aufsprang, und hängte

sich an die Klinke. Ein Windstoß riß die Tür auf und fauchte durch die Räume, daß die Papiere im Labor herumwirbelten und die grünen Flammen im Kamin sich waagrecht legten. Aber da war niemand. 

Der Kater machte ein paar vorsichtige Schritte vor die Tür, spähte nach allen Seiten in die Dunkelheit, kam wieder herein und schüttelte sich den Schnee aus dem Pelz.»Nichts«, sagte er,»es muß ein Irrtum gewesen sein. Wo sind Sie denn, Maestro?«Irrwitzer tauchte hinter dem Ohrenbackensessel auf.»Wirklich niemand?«fragte er.»Bestimmt nicht«, versicherte Maurizio. Der Zauberer rannte auf den Flur hinaus, schlug die Haustür krachend zu und sperrte mehrfach ab. Dann kam er wieder herein, warf sich in seinen Sessel und jammerte:»Sie können's nicht erwarten. Sie wollen mich jetzt schon in den Wahnsinn treiben.«»Wer?«fragte Maurizio verwundert. Da klopfte es wieder und diesmal klang es geradezu rabiat. Irrwitzers Gesicht verzerrte sich zu einer Fratze, die Angst und Wut gleichzeitig ausdrückte. Es war kein schöner Anblick.»Mit mir nicht!«stieß er hervor.»Nein, nicht mit mir! Das wollen wir doch mal sehen.«Er schlich auf den Flur hinaus, der kleine Kater schlich eifrig mit. Der Zauberer trug an seiner linken Hand einen Ring, den ein großer Rubin zierte. Selbstverständlich handelte es sich um einen magischen Stein; er konnte Licht in ungeheurer Menge aufschlucken und speichern. Wenn er richtig aufgeladen war, stellte er eine vernichtende Waffe dar. Irrwitzer hob langsam die Hand, kniff ein Auge zu, zielte - und ein fadendünner, roter Laserstrahl zischte durch den Korridor und hinterließ in der dicken Haustür einen nadelfeinen, rauchenden Einschlag. Der Zauberer schoß ein zweites Mal und ein drittes und immer wieder und wieder, bis die massiven Holzbohlen völlig durchsiebt waren und die Energie des Rubins sicher schöpft hatte.»So, das war's dann wohl«, sagte er und atmete tief durch,»jetzt ist es still.«Er ging ins Labor zurück und setzte sich wieder an den Tisch, um weiterzuschreiben.»Aber Maestro«, stammelte der kleine Kater ganz entsetzt, »wenn Sie nun da draußen jemanden getroffen haben.?«»Dann geschieht es ihm recht«, knurrte Irrwitzer.»Was treibt er sich vor meinem Haus herum.«»Aber Sie wissen doch überhaupt nicht, wer es war! Vielleicht war es ja ein Freund von Ihnen.« »Ich habe keine Freunde.«»Oder jemand, der Ihre Hilfe braucht.«Der Zauberer stieß ein kurzes, freudloses Lachen aus.»Du kennst die Welt nicht, mein Kleiner. Wer zuerst schießt, schießt am besten. Merk dir das.«Da klopfte es abermals.