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Irrwitzer malmte nur noch stumm mit den Kinnbacken.»Das Fenster!«rief Maurizio.»Ich glaube, Maestro, es ist am Fenster.«Er sprang auf das Sims, öffnete einen Flügel und lugte durch einen Spalt des Fensterladens hinaus.»Da sitzt jemand«, raunte er,»es scheint ein Vogel zu sein, so eine Art Rabe, glaube ich.«Irrwitzer sagte noch immer nichts. Er hob nur abwehrend die Hände.»Vielleicht geht es um einen Notfall«, meinte der kleine Kater. Und ohne auf die Anweisung des Zauberers

zu warten, stieß er den Fensterladen auf. Zusammen mit einer Schneewolke flatterte ein Vogel ins Labor, der so zerrupft aussah, daß er eher einer gro- ßen, unförmigen

Kartoffel glich, in die jemand kreuz und quer ein paar schwarze Federn gesteckt hat. Er landete mit. ten auf dem Boden, rutschte auf seinen dünnen Beinen noch ein Stück. weiter, ehe er zum Halten kam, plusterte sein kümmerliches Gefieder und sperrte seinen ansehnlichen Schnabel auf.»Aber! Aber! Aber!«kreischte er mit eindrucksvoller Lautstärke.»Ihr laßt euch aber vielleicht Zeit, bis ihr aufmacht. Da kann sich eins ja den Tod holen. Und geschossen wird auch noch auf einen. Da, bitte schön -meine letzte Schwanzfeder ist jetzt auch hin, durchlöchert. Is' das vielleicht eine Art? Wo sind wir denn?«Dann wurde er sich plötzlich bewußt, daß da ein Kater war, der ihn mit großen glühenden Augen ansah. Er zog den Kopf zwischen die Flügel, wodurch er irgendwie bucklig wirkte, und krächzte nur noch kleinlaut:»Uijeh, ein Vogelfresser! Das auch noch! Na, ich dank' schön, das wird böse enden.«Maurizio, der in seinem kurzen Leben bisher noch keinen einzigen Vogel gefangen hatte -schon gar nicht einen so großen und unheimlichen - begriff zunächst überhaupt nicht, daß er gemeint war.»Hallo!«maunzte er würdevoll.»Willkommen, Fremdling!«Der Zauberer starrte das seltsame Federvieh noch immer wortlos und voller Mißtrauen an. Der Rabe fühlte sich zunehmend unbehaglicher. Er blickte mit schiefem Kopf zwischen Kater und Zauberer hin und her und schnarrte endlich:»Wenn's euch nix ausmacht, Herrschaften, dann war' ich dafür, daß einer das Fenster wieder zumacht, weil es kommt nämlich keiner mehr hinter mir nach, aber es zieht saumäßig und ich hab' im linken Flügel sowieso schon den Reißmatissimus oder wie das heißt.«Der Kater schloß das Fenster, sprang vom Sims und begann, in einem großen Kreis um den Eindringling herumzuschleichen. Er wollte nur sehen, ob dem Raben etwas fehlte, doch der schien Maurizios Interesse anders aufzufassen. Irrwitzer hatte inzwischen die Sprache wiedergefunden.»Maurizio«, befahl er,»frage diesen Galgenvogel, wer er ist und was er hier zu suchen hat.«»Mein guter Maestro will wissen«, sagte der Kater in möglichst vornehmem Ton,»welchen Namen du trägst und was dein Begehr ist.«Dabei wurden seine Kreise immer enger. Der Vogel drehte den Kopf mit und ließ Maurizio nicht aus den Augen.»Sag deinem Maestro einen schönen Gruß von mir«dabei zwinkerte er dem Kater verzweifelt mit einem Auge zu -»und mein werter Name is' Jakob Krakel, wenn's recht war', und ich bin sozusagen der luftige Laufbursch von Madam Tyrannja Vamperl, seiner hochverehrten Tante«-dabei zwinkerte er mit dem anderen Auge -»und außerdem bin ich durchaus kein Galgenvogel nicht, wenn's beliebt, sondern ein alter, vom Leben hart geprüfter Rabe, man kann schon direkt sagen, ein Unglücksrabe, kann man sagen.«»Sieh an, ein Rabe!«sagte Irrwitzer höhnisch.»Das mußt du allerdings dazusagen, sonst erkennt man's nicht.«»Ha ha, sehr witzig«, schnarrte Jakob Krakel halblaut in sich hinein.»Unglück?«erkundigte sich Maurizio teilnahmsvoll.»Von welchem Unglück redest du? Sprich ohne Scheu, mein guter Maestro wird dir helfen.«»Ich red' vom Pech, wo ich immer hab'«, erklärte Jakob düster,»zum Beispiel, daß ich hier jetzt ausgerechnet einen mordsmäßigen Vogelfresser treffen muß; und die Federn sind mir ausgegangen, wie ich seinerzeit in eine Giftwolke hineingeraten bin. Die gibt's ja in letzter Zeit immer öfter, warum weiß keiner nicht.«Wieder zwinkerte er dem Kater zu.»Und deinem guten Maestro kannst du von mir ausrichten, er braucht mich ja nicht anzuschauen, wenn ihm meine lumpige Garderobe was ausmacht. Ich hab' halt keine bessere nicht mehr.«

Maurizio blickte zu Irrwitzer empor.»Sehen Sie, Maestro, also doch ein Notfall.«»Frage diesen Raben einmal«, sagte der Zauberer,»warum er dir mehrmals heimlich zugezwinkert hat.«Jakob Krakel kam dem Kater zuvor.»Das is' unabsichtlich, Herr Zauberrat, das bedeutet gar nix. Es sind bloß die Nerven.«»So so«, meinte Irrwitzer gedehnt,»und warum sind wir denn so nervös?«»Weil ich was gegen solche aufgeblasenen Typen hab', die wo so geschwollen daherreden und so scharfe Krallen haben und zwei so Schlußlichter im Gesicht wie der da.«Maurizio dämmerte es nun doch, daß er da eben beleidigt worden war. Das konnte er natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Er gab sich ein möglichst imponierendes Aussehen, sträubte sein Fell, legte die Ohren zurück und fauchte:»Maestro, erlauben Sie mir, daß ich diesen unverschämten Schandschnabel rupfe?«Der Zauberer nahm den Kater auf den Schoß und streichelte ihn.»Noch nicht, mein kleiner Held. Beruhige dich. Er sagt doch, daß er von meiner hochverehrten Tante kommt. Wir wollen hören, was er zu sagen hat. Ich frage mich nur, ob man ihm überhaupt irgend etwas glauben kann. Was meinst du?«»Manieren hat er jedenfalls nicht«, schnurrte Maurizio. Der Rabe ließ die Flügel hängen und krächzte wütend:»Ach pickt mich doch am Bürzel, alle beide!«»Man muß sich wundern«, sagte Irrwitzer und fuhr fort, den Kater zu kraulen,»man muß sich wirklich wundern, mit was für ordinärem Personal mein bisher so feines Tantchen sich neuerdings umgibt.«»Was?!«kreischte der Rabe.»Jetzt haut's mir aber doch gleich den Stöpsel hinaus! Wer is' hier ordinär? Das is' doch kein Spaß nicht, wenn einer in meinem Zustand durch Nacht und Sturm flattert, um seine Chefin anzumelden, und dann kommt er grad zum Abendessen recht, aber nicht, wo er was zum Schnäbeln kriegt, sondern wo er selber auf der Speisekarte steht. Da möcht' ich schon recht hörbar fragen, wer hier vielleicht ordinär is'.«»Was sagst du da, Rabe?«fragte Irrwitzer alarmiert.»Tante Tyrann] a will herkommen? Wann denn?«Jakob Krakel war immer noch wütend und hopste auf dem Boden herum.»Jetzt! Sofort! Sogleich! Augenblicklich! Jeden Moment! Sie is' schon fast da!«Irrwitzer sank in seinen Sessel zurück und stöhnte:»Ach, du dicke Warze! Auch das noch!«Der Rabe beobachtete ihn mit schiefem Kopf und schnarrte befriedigt vor sich hin:»Aha, eine Unglücksbotschaft, scheint's. Das is' typisch für mich.«»Ich habe Tante Tyti seit einem halben Jahrhundert nicht mehr persönlich zu Gesicht bekommen«, jammerte der Zauberer.»Was will sie denn so plötzlich hier? Gerade heute kommt sie mir sehr ungelegen.«Der Rabe zuckte die Flügel.»Sie sagt, sie muß unbedingt den heutigen Sylvesterabend mit ihrem heißgeliebten Neffen verbringen, sagt sie, weil der Neffe, sagt sie, irgendsoein besonderes Rezept hat, für einen Punsch oder sowas, sagt sie, das wo ihr selbst dringend fehlen tut, hat sie gesagt.«Irrwitzer schubste den Kater von seinem Schoß und sprang auf.»Sie weiß alles«, stieß er hervor,»bei allen teuflischen Tumoren, sie will nur meine Lage ausnützen. Unter der Maske verwandtschaftlicher Gefühle will sie sich bei mir einschleichen, urn geistigen Diebstahl zu verüben. Ich kenne sie, oh, ich kenne sie!«Danach stieß er einen ellenlangen babylonischen oder altägyptischen Fluch aus, woraufhin alle Glasgeräte im Raum zu klirren und zu tönen anfingen und ein Dutzend Kugelblitze im Zickzack über den Boden zischten. Maurizio, der seinen Maestro bisher von dieser Seite noch nicht erlebt hatte, erschrak so, daß er sich mit einem Riesensatz auf den Kopf eines ausgestopften Haifischs rettete, der unter anderen präparierten Trophäen an einer der Wände hing. Zu seinem neuerlichen Entsetzen mußte er dort feststellen, daß der Rabe das gleiche getan hatte und daß sie sich, ohne es zu bemerken, gegenseitig umklammert hielten. Peinlich berührt ließen sich beide sofort wieder los. Der Geheime Zauberrat suchte mit bebenden Händen zwischen den Bergen von Papier auf seinem Schreibtisch herum, warf alles durcheinander und brüllte:»Beim sauren Regen, sie soll keine Kommastelle von meinen kostbaren Berechnungen erfahren! Diese heimtückische Hyäne glaubt wohl, jetzt könne sie meine Forschungsergebnisse umsonst bekommen. Aber da hat sie sich geschnitten!