«Ich hatte gedacht, daß wir uns über dieses Papierchen noch ein wenig unterhalten könnten, Monsieur.«
«Ja?«Der fragende Tonfall des Schakals war so unbeteiligt wie sein Gesicht, das keinerlei Gefühlsregung verriet, sein Blick kalt und ausdruckslos.
«Tatsächlich, Monsieur, befindet sich die erste Seite Ihres Führerscheins, auf der Ihr — wie ich annehme — richtiger Name steht, nicht hier im Studio. Oh, bitte, bitte — «er gestikulierte, als ginge es darum, jemanden, der von plötzlicher Angst gepackt war — wovon beim Engländer wahrlich keine Rede sein konnte —, beruhigen zu müssen.»Sie wird an einem absolut sicheren Ort verwahrt, in einer nur mir zugänglichen Kassette im Tresor einer Bank. Sie verstehen, Monsieur, daß ein Mann, der wie ich in einer etwas riskanten Branche tätig ist, gewisse Vorkehrungen treffen und sich absichern muß.«
«Was wollen Sie?«
«Nun, eher monsieur, ich hatte auf Ihre Bereitschaft gehofft, mit mir aufgrund der Tatsache, daß sich besagtes Papierchen in meinem Besitz befindet, einen zusätzlichen Handel auf Basis einer Summe abzuschließen, die allerdings um einiges über der zuletzt hier in diesem Raum erwähnten von hundertfünfzig Pfund liegen würde.«
Der Engländer seufzte leise, als sei ihm die Fähigkeit des Menschen, sich seine eigene Existenz auf dieser Erde durch unnötige Komplikationen zu erschweren, schlechthin unbegreiflich. Ob er den Vorschlag des Belgiers erwog, war ihm nicht anzumerken.
«Sind Sie interessiert?«erkundigte sich der Fälscher artig. Er spielte seine Rolle, als habe er sie sorgfältig einstudiert. Das schlechtkaschierte Angebot, die vermeintlich subtilen Anspielungen erinnerten Schakal an einen zweitklassigen Gangsterfilm.
«Ich habe schon öfter mit Erpressern zu tun gehabt«, sagte er, und es war keine Beschuldigung, sondern eine in sachlichem Tonfall getroffene nüchterne Feststellung.
«Aber Monsieur, ich bitte Sie. Ich bin doch kein Erpresser! Was ich Ihnen vorschlage, ist lediglich ein kleines Zusatzabkommen. Sie erhalten das gesamte Paket für eine bestimmte Summe. Schließlich habe ich nicht nur das Original Ihres Führerscheins, die entwickelten Abzüge und sämtliche Negative Ihrer Photos in meiner Kassette, sondern leider«- er hob bedauernd die Hände —»auch eine weitere Aufnahme von Ihnen, die Sie ohne Ihr Make-up hier in diesem Studio im Scheinwerferlicht zeigt. Ich bin sicher, daß Ihnen diese Dinge, sofern sie in die Hände der britischen oder französischen Behörden gelangten, beträchtliche Schwierigkeiten verursachen dürften. Sie sind offenkundig ein Mann, der sich in der Welt auskennt und zahlt. Aber um die Unannehmlichkeiten des Lebens zu vermeiden…«»Wieviel?«
«Eintausend Pfund, Monsieur.«
Der Engländer erwog den Vorschlag und nickte leichthin, als sei die Angelegenheit für ihn von rein akademischem Interesse.
«Diese Summe wäre es mir schon wert, das Material zurückzubekommen.«
Der Belgier lächelte triumphierend.»Ich bin sehr froh, das zu hören, Monsieur.«
«Aber die Antwort ist nein«, fuhr der Engländer fort, als dächte er noch immer angestrengt nach. Die Augen des Belgiers verengten sich.
«Aber wieso? Ich verstehe nicht. Sie sagten doch, es sei Ihnen tausend Pfund wert, die Sachen zurückzubekommen. Dann ist doch alles klar. Wir beide sind es gewohnt, mit gesuchten Dingen zu handeln und dafür bezahlt zu werden.«
«Aus zwei Gründen«, sagte der Schakal.»Zum einen habe ich keinerlei Beweis dafür, daß von den Negativen der Photos keine Kopien existieren und auf die erste Geldforderung nicht weitere folgen werden. Und zweitens — wer sagt mir, ob Sie das Material nicht einem Freund gegeben haben, der, aufgefordert, es herauszugeben, plötzlich erklärt, er habe es nicht mehr, es sei denn, ich machte weitere eintausend Pfund locker.«
Der Belgier sah erleichtert aus.»Wenn das alles ist, was Sie beunruhigt, dann sind Ihre Befürchtungen grundlos. Zunächst einmal läge es schon deswegen nicht in meinem Interesse, das Material einem Partner anzuvertrauen, weil ich damit rechnen müßte, daß er es nicht wieder herausrückt. Ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie sich von tausend Pfund trennen, ohne das Material bekommen zu haben. Es gibt also keinen Grund für mich, warum ich es hätte weggeben sollen.
Und was die Möglichkeit weiterer Geldforderungen betrifft, von der Sie sprachen, so besteht sie nicht. Eine Photokopie des Führerscheins würde die britischen Behörden nicht beeindrucken, und selbst wenn man Sie mit einem gefälschten Führerschein erwischte, so würde Ihnen das zwar Unannehmlichkeiten bereiten, aber doch nicht so schwerwiegende, daß es sich, um sie abzuwenden, verlohnte, mir weitere Zahlungen zu leisten. Wenn dagegen die französischen Behörden erführen, daß ein gewisser Engländer sich als der nichtexistente Franzose Andre Martin verkleidet hat, würden sie Sie sicherlich festnehmen, falls Sie unter diesem Namen einreisten. Aber wenn ich tatsächlich mit weiteren Forderungen an Sie herantreten wollte, wäre es für Sie viel sinnvoller, die Ausweise wegzuwerfen und einen anderen Fälscher zu finden, der Ihnen neue anfertigt. Dann brauchten Sie nicht mehr zu befürchten, als Andre Martin in Frankreich verhaftet zu werden, weil Andre Martin zu existieren aufgehört hätte.«»Und warum sollte mir genau das nicht jetzt möglich sein«, fragte der Engländer,»wo es mich doch vermutlich kaum mehr als nochmals hundertfünfzig Pfund kosten dürfte, die Papiere ein zweites Mal anfertigen zu lassen?«
Der Belgier gestikulierte mit beschwörend erhobenen Händen.
«Ich baue darauf, daß Ihnen die Bequemlichkeit und der Zeitfaktor das Geld wert sind. Ich glaube, daß Sie diese Andre-Martin-Papiere und mein Schweigen sehr bald brauchen. So rasch sind neue Papiere nicht zu bekommen und so gute überhaupt nicht. Die, die Sie jetzt haben, sind perfekt. Also brauchen Sie die Papiere und brauchen Sie mein Schweigen, und beides jetzt. Die Papiere haben Sie. Mein Schweigen kostet eintausend Pfund.«
«Also gut, wenn Sie es so darstellen. Aber was veranlaßt Sie zu glauben, ich hätte tausend Pfund hier in Belgien bei mir?«
Der Fälscher lächelte nachsichtig.
«Monsieur, Sie sind ein englischer Gentleman. Das sieht jeder. Und doch wollen Sie sich als französischer Arbeiter mittleren Alters maskieren. Ihr Französisch ist fließend und fast akzentlos. Deswegen habe ich als Geburtsort von Andre Martin Colmar angegeben. Sie wissen, daß Elsässer französisch ähnlich wie Sie mit einem ganz leichten Akzent sprechen. Sie geben sich in Frankreich als Andre Martin aus. Perfekt, eine absolut geniale Idee, kein Zweifel. Wer käme jemals darauf, einen alten Mann wie Martin zu durchsuchen? Also sind Sie, was immer Sie auch vorhaben mögen, ein wichtiger Mann. Vielleicht Rauschgift? Soll in gewissen englischen Kreisen ja heutzutage sehr beliebt sein. Und Marseille ist eine der wichtigsten Umschlagplätze. Oder Diamanten? Was weiß ich? Aber das Geschäft, in dem Sie sind, ist einträglich. Englische Mylords verschwenden nicht mit Taschendiebstählen auf Rennbahnen ihre Zeit. Bitte, Monsieur, hören wir doch auf, uns gegenseitig etwas vorzumachen, hein? Sie rufen Ihre Freunde in London an und bitten sie, Ihnen telegraphisch tausend Pfund auf Ihre hiesige Bank zu überweisen. Dann tauschen wir morgenabend unsere Päckchen aus, und — hopp! — kann es losgehen mit der Reise, was meinen Sie?«
Der Engländer nickte mehrmals wie in schmerzlicher Rückschau auf ein Leben voller Irrtümer. Plötzlich hob er den Kopf und lächelte den Belgier freundlich an. Es war das erste Mal, daß der Fälscher ihn lächeln sah, und er fühlte sich ungemein erleichtert, daß dieser ruhige Engländer die Sache so gelassen nahm. Das übliche sich Drehen und Wenden, die Suche nach einem Ausweg, nun ja. Aber kein wirklich schwieriger Fall. Der Mann hatte schließlich doch noch gespurt.