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«Signor, ist dies das gesamte Gepäck, das Sie bei sich haben?«»Äh, ja. Die drei Koffer und die kleine Reisetasche.«

«Haben Sie etwas zu deklarieren?«

«Nein, nichts.«

«Sie sind auf Geschäftsreise, signor?«

«Nein, ich wollte eigentlich Ferien machen. Aber es scheint, daß der Urlaub zum großen Teil für die Genesung drauf gehen wird. Ich möchte aber unbedingt an die Seen reisen.«

Der Zollbeamte blieb ungerührt.

«Kann ich bitte Ihren Paß sehen, signor?«

Der Schakal reichte ihn dem Italiener, der ihn aufmerksam durchblätterte und dann wortlos zurückgab.

«Bitte öffnen Sie diesen hier.«

Er deutete auf einen der beiden größeren Koffer. Der Schakal holte seinen Schlüsselring aus der Tasche und schloß ihn auf. Der Gepäckträger hatte den Koffer zuvor flach hingelegt, um dem gehbehinderten Fluggast behilflich zu sein. Glücklicherweise war es der Koffer, der die Kleidungsstücke für den fiktiven dänischen Geistlichen und den amerikanischen Studenten enthielt. Der Zollbeamte schenkte dem dunkelgrauen Anzug, weißen Hemd, Unterzeug und schwarzen Schuhwerk wie auch der Windjacke, den Blue jeans, Sneakers und Socken, die er lüpfte, keine Beachtung. Das dänische Buch interessierte ihn ebenfalls nicht. Den Umschlag zierte ein Farbphoto von Notre-Dame, und der dänische Titel unterschied sich von der entsprechenden englischen Schreibweise zuwenig, als daß es dem Zollbeamten aufgefallen wäre. Er entdeckte auch nicht den sorgfältig vernähten Schlitz im Kofferfutter, das die falschen Papiere enthielt. Eine eingehendere Überprüfung hätte sie mit Sicherheit zutage gefördert, aber es handelte sich nur um die übliche flüchtige Kontrolle, die erst dann verschärft worden wäre, wenn der Zollbeamte irgend etwas gefunden hätte, was sein Mißtrauen weckte. Die vollzähligen Einzelteile eines zusammensetzbaren Scharfschützengewehrs befanden sich einen knappen Meter von ihm entfernt, auf der anderen Seite des Tresens, aber er schöpfte keinen Verdacht. Er drückte den Kofferdeckel zu und bedeutete dem Schakal mit einer Geste, daß er ihn wieder schließen könne. Dann versah er alle vier Gepäckstücke mit einem raschen Kreidestrich und lächelte nach getaner Arbeit dem Engländer freundlich zu.

«Grazie, signor. Ich wünsche recht gute Erholung!«

Der Gepäckträger winkte ein Taxi herbei. Er wurde mit einem großzügigen Trinkgeld belohnt, und wenig später fuhr der Taxi-chauffeur den Schakal in raschem Tempo in die Mailänder Innenstadt. Um diese Stunde, zu der sich das Heer der Büroangestellten zur Heimfahrt rüstete, erreichte der Lärm des Straßenverkehrs seinen absoluten Höhepunkt. Der Schakal bat den Taxifahrer, ihn am Hauptbahnhof abzusetzen.

Dort nahm er sich wiederum einen Dienstmann und humpelte ihm zur Gepäckaufbewahrungsstelle nach. Im Taxi hatte er die Stahlschere aus der Reisetasche geholt und in seine Jackentasche gesteckt. Die Reisetasche und zwei Koffer gab er bei der Gepäckaufbewahrung ab, den dritten, den die Kleidungsstücke — darunter der für Andre Martin vorgesehene französische Militärmantel und die anderen Sachen — keineswegs gänzlich füllten, behielt er. Nachdem er den Gepäckträger entlohnt hatte, humpelte er zur Bedürfnisanstalt für Männer hinüber, wo er feststellen mußte, daß in der langen Reihe von Waschbecken nur eines in Betrieb war. Er stellte den Koffer ab und wusch sich umständlich die Hände, bis der einzige andere Benutzer die Bedürfnisanstalt verlassen hatte. Der Schakal schloß sich rasch auf einem der Klosetts ein, stellte den Fuß auf den Toilettensitz und säbelte zehn Minuten lang an dem Gipsverband herum, bis dieser aufbrach und die darunter befindlichen Wattelagen sichtbar wurden, die dem Fuß die verdickte Form eines in Gips gelegten Gelenkbruchs verliehen hatten. Als die letzten Gipsreste von seinem Fuß entfernt waren, zog er sich die seidene Socke und den leichten Mokassin an, den er mit Leukoplaststreifen an der Innenseite seiner Wade befestigt hatte, solange der Fuß in Gips gewesen war. Er sammelte die umherliegenden Wattelagen und Gipsreste auf und warf sie in das Klosettbecken. Nach zweimaligem Abziehen war alles weggespült.

Dann legte er den Koffer auf den Klosettsitz und bettete das Bündel leichter Stahlröhren, in denen sich das Gewehr befand, in die Falten des Militärmantels. Er zog die Innengurte fest, um zu verhindern, daß der Kofferinhalt durcheinandergeschüttelt wurde, und schloß den Deckel. Ein Blick durch die vorsichtig geöffnete Tür zeigte ihm, daß zwei Männer an den Waschbecken standen und zwei weitere an den anderen Becken. Der Schakal verließ das Klosett, wandte sich nach rechts zur Tür und war die Stufen zur Bahnhofshalle schon hinaufgeeilt, bevor noch einer der Männer ihn auch nur bemerkt hatte.

Da er sich der Gepäckaufbewahrungsstelle nicht als sportlichelastischer, gesunder Mann präsentieren konnte, nachdem er sie erst vor kurzem als Krüppel verlassen hatte, winkte er einen Dienstmann heran, erklärte ihm, er sei in großer Eile und müsse so rasch wie möglich Geld umwechseln, seine Koffer abholen und ein Taxi bestellen. Er drückte dem Mann seinen Gepäckschein nebst einer Tausendlirenote in die Hand und deutete zur Gepäckaufbewahrungsstelle hinüber. Er selbst, erklärte er, werde in der Wechselstube zu finden sein, wo er seine englischen Pfunde in Lire umzutauschen gedenke.

Der Italiener nickte glücklich und machte sich auf den Weg, um das Gepäck abzuholen. Der Schakal ließ sich den Gegenwert der letzten 20 Pfund, die ihm verblieben waren, in italienischer Währung auszahlen und hatte das Bündel knisternder großer Scheine gerade eingesteckt, als der Träger mit den restlichen drei Gepäckstücken zurückkehrte. Zwei Minuten später saß er bereits in einem Taxi, das die Piazza Duca d'Aosta in lebensgefährlichem Tempo überquerte, um ihn zum Hotel Continentale zu befördern.

In der pompösen Hotelhalle wandte er sich an den Empfangschef.

«Haben Sie das Zimmer für Duggan reservieren lassen, das vor zwei Tagen telephonisch von London aus bestellt wurde?«

Gegen 20 Uhr duschte und rasierte sich der Schakal in dem zu seinem Zimmer gehörenden Bad. Zwei seiner Koffer standen sorgsam verschlossen im Kleiderschrank, der dritte, der seine eigenen Kleidungsstücke enthielt, lag geöffnet auf dem Bett, und der leichte navyblaue Sommeranzug, den er an diesem Abend tragen würde, hing an der Schranktür. Den taubengrauen Anzug hatte er dem Zimmerkellner zum Aufbügeln mitgegeben. Da der morgige Tag- der 13.August- anstrengend sein würde, nahm sich der Schakal vor, nach dem Dinner schon frühzeitig sein Zimmer aufzusuchen.

DREIZEHNTES KAPITEL

«Nichts.«

Der zweite der beiden jungen Kriminalinspektoren, die in Bryn Thomas' Büro arbeiteten, schloß den Aktendeckel des letzten Dossiers, dessen Durchsicht ihm aufgetragen war, und blickte zu seinem Vorgesetzten hinüber.

Sein Kollege war mit seiner Arbeit ebenfalls fertiggeworden,und sein Resümee hatte genauso gelautet. Thomas selbst war fünf Minuten zuvor nach beendeter Durchsicht der Akten, die er sich seinerseits vorgenommen hatte, ans Fenster getreten und hatte seitdem auf den in der sinkenden Dämmerung vorbeiflutenden Verkehr hinuntergestarrt. Im Gegensatz zu Assistant Commissioner Mallinson hatte er kein Zimmer mit Ausblick auf den Fluß, sondern nur ein im ersten Stock gelegenes mit Blick auf den Automobilverkehr, der unaufhörlich die Horseferry Road hinabströmte.

Er fühlte sich halbtot. Seine Kehle war rauh und wund von den vielen Zigaretten, die er bei seiner Erkältung nicht hätte rauchen sollen, aber nicht aufgeben konnte, und schon gar nicht dann, wenn er unter Hochdruck arbeitete.

Den ganzen Nachmittag über hatte er ständig telephoniert, weil sich wieder und wieder die Notwendigkeit zu Rückfragen über die in den Berichten und Akten auftauchenden Namen ergab. Jedesmal war die Auskunft negativ gewesen. Entweder lag ein vollständiges Dossier über den Betreffenden vor, oder er hatte ganz einfach nicht das Kaliber, sich auf eine Unternehmung wie die Ermordung des französischen Präsidenten einzulassen.