CIA die Schweinebucht-Invasionstruppe bewaffnet hatte. Man nimmt an, daß der Amerikaner für zwei ungeklärte Unfälle verantwortlich ist, denen unliebsame Konkurrenten seines Arbeitgebers zum Opfer fielen. Der Mann heißt Charles >Chuck< Arnold. Das FBI ist jetzt dabei, seinen Aufenthaltsort zu ermitteln.
Bei Marco Vitellino, dem zweiten Mann, den das FBI nannte, handelt es sich um einen ehemaligen persönlichen Leibwächter von Albert Anastasia, dem New Yorker Gangsterboß. Dieser Capo wurde 1957 in einem Friseurstuhl erschossen, und Vitellino flüchtete außer Landes, weil er um sein eigenes Leben fürchten mußte. Er ließ sich in Caracas, Venezuela, nieder und versuchte dort auf eigene Faust, wieder ins Geschäft zu kommen, jedoch ohne Erfolg. Die Unterwelt boykottierte ihn. Das FBI hält es für möglich, daß er sich, sofern er völlig mittellos sein sollte, bereit erklären könnte, einen ihm von einer ausländischen Organisation angetragenen Mordauftrag auszuführen, vorausgesetzt, das Honorarangebot ist hoch genug.«
Im Konferenzraum des Innenministeriums herrschte Totenstille. Die vierzehn anwesenden Männer waren Lebels Ausführungen gebannt gefolgt.
«Belgien: Eine Möglichkeit. Psychopathischer Mörder, früher im Stab Tschombes in Katanga. 1962 von den Truppen der Vereinten Nationen gefangengenommen und außer Landes verwiesen. Konnte wegen Mordanklage in zwei Fällen nicht nach Belgien zurückkehren. Ein gedungener Mordschütze, aber ein gerissener Kopf. Heißt Jules Beranger. Vermutlich ebenfalls nach Zentralamerika emigriert. Die belgische Polizei hat seinen gegenwärtigen Aufenthaltsort jedoch noch immer nicht zweifelsfrei ermitteln können.
Deutschland: Eine Möglichkeit. Hans-Dieter Kassel, ehemaliger SS-Führer, in zwei Ländern wegen Kriegsverbrechen verurteilt. Lebte nach dem Krieg unter angenommenem Namen in Westdeutschland und war für ODESSA, die Untergrundorganisation ehemaliger SS-Mitglieder, als Kontraktkiller tätig. Der Mittäterschaft an der Ermordung zweier sozialistischer Nachkriegspolitiker verdächtig, die auf eine Intensivierung der Ermittlungen gegen Kriegsverbrecher gedrängt hatten. Später als Kassel identifiziert, aber dank eines Hinweises, der ihm von einem höheren Polizeibeamten, der daraufhin seinen Posten verlor, gegeben worden war. nach Spanien entkommen. Lebt jetzt vermutlich in Madrid.«'i Lebel sah von seinen Papieren auf.» Übrigens scheint mir der]
Mann für diese Art von Job doch ein wenig zu alt zu sein. Er ist| jetzt siebenundfünfzig.«
Dann fuhr er fort.»Und schließlich Südafrika: Ein möglicher Täter. Professioneller Söldner. Name: Piet Schuyper. Ebenfalls einer von Tschombes Leuten. In Südafrika j liegt offiziell nichts gegen ihn vor, aber er wird als unerwünscht er-] achtet. Ein Meisterschütze und ein ausgesprochener Spezialist für individuellen Mord. Wurde Anfang dieses Jahres nach dem Zusammenbruch der katangesischen Sezession aus dem Kongo abgeschoben. Hält sich vermutlich irgendwo in Westafrika auf. Die Südafrikaner ermitteln weiter. «Er hielt inne und blickte auf. Die vierzehn Männer, die um den Tisch herumsaßen, sahen ihn ihrerseits unverwandt an.
«Alles das«, meinte Lebel unzufrieden,»ist natürlich noch sehr vage. Einmal, weil ich es zunächst nur bei den sieben Ländern versucht habe, in denen der Schakal möglicherweise bereits aktenkundig geworden sein könnte. Aber selbstverständlich kann er auch Schweizer, Österreicher oder sonst irgend etwas sein. Drei von sieben Ländern meldeten, daß sie keine in Frage kommenden Täter zu nennen wüßten. Das mag eine Fehleinschätzung sein. Der Schakal könnte auch die italienische, die holländische oder die englische Staatsbürgerschaft besitzen. Ebensogut kann er ein Südafrikaner, Belgier, Deutscher oder Amerikaner sein, dessen kriminelle Tätigkeit den Polizeibehörden seines Landes bis dato nicht zur Kenntnis gelangt ist. Man weiß es nicht. Man tastet im dunkeln und kann nur hoffen, daß wir möglichst bald auf einen entscheidenden Hinweis stoßen.«
«Mit der bloßen Hoffnung ist uns nicht gedient«, bemerkte Saint Clair sarkastisch.
«Vielleicht hat der Oberst andere Vorschläge zu machen?«erkundigte sich Lebel höflich.
«Ich persönlich glaube ganz sicher, daß der Mann zurückgepfiffen worden ist«, erklärte Saint Clair eisig.»Es ist völlig ausgeschlossen, daß es ihm jetzt, nachdem seine Absicht bekannt ist, überhaupt noch gelingt, jemals nahe genug an den Präsidenten; heranzukommen. Was auch immer Rodin und seine Gesinnungsgenossen diesem Schakal geboten haben mögen, sie werden ihr; Geld zurückfordern und die Aktion abblasen.«»Sie glauben, daß der Mann zurückgepfiffen wurde«, wandte j Lebel ein,»aber Glauben ist vom Hoffen nicht so weit entfernt.
Ich würde es vorziehen, die Ermittlungen zunächst fortzusetzen.«»Wie steht es mit diesen Ermittlungen, Kommissar?«fragte der Minister.
«Die Polizeibehörden, die uns die erwähnten Namen nannten, haben mit der fernschriftlichen Übermittlung der vollständigen Dossiers bereits begonnen. Bis morgen mittag erwarte ich den letzten Bericht. Funkbilder der Betreffenden erhalten wir ebenfalls. Einige Polizeibehörden setzen ihre Nachforschungen zur Ermittlung der Verdächtigen mit Hochdruck fort, damit wir dann den Fall übernehmen können.«
«Meinen Sie, daß sie den Mund halten werden?«fragte Sangui-netti.
«Ich sehe keinen Grund, warum sie das nicht tun sollten«, entgegnete ihm Lebel.»Hunderte von vertraulichen Anfragen werden alljährlich an höhere Polizeibeamte der Interpol-Länder gerichtet, darunter nicht wenige über persönliche Kontakte und inoffizielle Drähte. Glücklicherweise sind sich ausnahmslos alle Länder ungeachtet ihrer politischen Orientierung in der Bekämpfung des Verbrechens einig. Mit Rivalitäten, wie sie die mit den internationalen Beziehungen befaßten diplomatischen und politischen Organe kennen, haben wir es daher nicht zu tun. Die Zusammenarbeit zwischen den Polizeibehörden ist ausgezeichnet.«
«Auch in der Bekämpfung politischer Verbrechen?«fragte Roger Frey.
«Für Polizisten, Herr Minister, bleibt ein Verbrechen ein Verbrechen. Das ist der Grund, weshalb ich lieber meine ausländischen Kollegen zu Rate ziehen wollte, statt meine Anfrage an die verschiedenen Auswärtigen Ämter zu richten. Zweifellos werden die Vorgesetzten meiner Kollegen darüber unterrichtet werden müssen, daß Nachforschungen angestellt wurden, aber sie haben keinerlei Veranlassung, das Vorgehen ihrer Untergebenen zu mißbilligen oder auch nur irgendein Aufhebens davon zu machen. In der ganzen Welt ist der politische Mörder ein Geächteter.«
«Aber wenn sie schon wissen, daß Ermittlungen angestellt wurden, werden sie sich auch ausrechnen können, worum es sich dreht, und die Gelegenheit wahrnehmen, sich insgeheim über unseren Präsidenten lustig zu machen«, rügte Saint Clair.
«Ich sehe nicht, warum sie das tun sollten«, erwiderte Lebel.»Eines Tages könnten sie selbst an der Reihe sein.«»Sie wissen nichts von der Politik, wenn Ihnen nicht klar ist, daß manche
Leute nur zu glücklich wären, wenn sie erführen, daß ein Killer es auf den Präsidenten der Republik abgesehen hat«, ereiferte sich Saint Clair.»Die öffentliche Kenntnis der Angelegenheit ist genau das, was der Präsident um jeden Preis vermieden wissen wollte.«»Von öffentlicher Kenntnis kann gar keine Rede sein«, erwiderte Lebel.»Es ist im Gegenteil eine Kenntnis, die auf eine knappe Handvoll Männer beschränkt bleibt. Diese Männer sind in Geheimnisse eingeweiht, deren Preisgabe fünfzig Prozent aller Politiker ihres Landes ruinieren würde. Einige von ihnen kennen die geheimsten Einzelheiten der militärischen Einrichtungen, die Europas Sicherheit garantieren. Sie müssen sie kennen, um sie schützen zu können. Wenn sie nicht verschwiegen wären, würden sie nicht das Amt haben, das sie zum Teil seit Jahren bekleiden.«