Die in dünnen Leinenhüllen steckenden Stahlröhren befestigte er mit Stahldraht im Flansch, und den Draht lötete er überall dort fest, wo er das Chassis berührte.
Sein Overall war ölverschmiert, und seine Hände schmerzten vom Festzurren des Stahldrahts. Aber die Arbeit war getan. Die Stahlröhren waren so gut wie nicht zu entdecken und würden zudem bald von Staub und Schlamm überkrustet sein.
Er packte den Overall, den Lötkolben und den restlichen Draht in die Leinentasche und begrub sie in der hinteren Ecke der Garage unter einem Haufen alter Putzlappen. Die Drahtschere wanderte in das Handschuhfach des Armaturenbretts.
Der Abend dämmerte bereits, als der Schakal den Wagen aus der Garage lenkte. Er legte den Koffer in den Gepäckraum, schloß die Garagentür ab, steckte den Schlüssel ein und fuhr zum Hotel zurück.
Vierundzwanzig Stunden nach seiner Ankunft in Mailand war er wieder in seinem Hotelzimmer, erholte sich unter der Dusche von den Anstrengungen des Tages und badete seine schmerzenden Hände in kaltem Wasser, bevor er sich zum Abendessen anzog.
Auf dem Weg zur Bar, wo er seinen gewohnten Campari mit Soda trank, ging er zur Rezeption, bat um Ausstellung seiner Rechnung, um sie nach dem Abendessen begleichen zu können, und gab Weisung, am folgenden Morgen bereits um 5 Uhr 30 mit einer Tasse Tee geweckt zu werden.
Die Hände auf dem Rücken verschränkt, stand Sir Japser Quigley am Fenster seines Büros im Foreign Office und sah auf den Paradeplatz der Horse Guards hinunter. Eine Schwadron House Hold Cavalry trabte in makelloser Ordnung über den Kies auf The Mall zu und schwenkte dann in Richtung Buckingham Palace links ein.
Es war ein ungemein erfreuliches und erhebendes Bild. An zahllosen Vormittagen hatte Sir Jasper im Ministerium an seinem Fenster gestanden und auf dieses englischste aller englischen Spektakel hinabgestarrt. Oft wollte es ihm scheinen, daß die bloße Tatsache, hier an diesem Fenster stehen und die» Blauen «vorbeireiten, die Sonne scheinen und die Touristen ihre Hälse recken zu sehen, über den weiten Platz hinweg das metallische Klirren der Kürasse und Kandaren, das Wiehern eines Pferdes, das die Sporen bekam, und die» Ahas «und» Ooohs «der Menge zu hören, all die in anderen unbedeutenderen Ländern in den Botschaften Ihrer Majestät verbrachten Jahre mehr als reichlich aufwog. Es geschah nur selten, daß ihn dieser Anblick nicht unwillkürlich die Schultern straffen, den Bauch in der gestreiften Hose um ein weniges einziehen und in spontan aufwallendem Stolz das Kinn heben ließ. Zuweilen stand er, sobald das Knirschen der Hufe auf dem Kies hörbar wurde, nur deswegen von seinem Platz hinter dem Schreibtisch auf, um sich an das neugotische Fenster zu stellen und sie vorbeidefilieren zu sehen. Und manchmal, wenn er an alle diejenigen jenseits des Kanals dachte, die diese Szenerie zu verändern und das leise Klirren der Sporen durch das Stampfen von brodequins aus Paris oder von Schaftstiefeln aus Berlin zu ersetzen trachteten, fühlte er ein leichtes Brennen in den Augen und kehrte eiligst zu seinen Papieren zurück.
Nicht jedoch an diesem Morgen. An diesem Morgen waren seine ohnehin weder vollen noch rosigen Lippen so fest zusammengepreßt, daß sie gänzlich verschwanden. Sir Jasper Quigley hatte eine Mordswut, die sich in dem einen oder anderen winzigen Anzeichen äußerte. Selbstverständlich war er allein.
Er leitete das Frankreich-Referat im Foreign Office, das Büro also, dessen Aufgabe darin bestand, die Affären, Ambitionen und Aktionen dieses verflixten Landes jenseits des Kanals zu studieren und dem Staatssekretär des Äußeren und gelegentlich auch dem Außenminister Ihrer Majestät höchstselbst darüber Bericht zu erstatten.
Er besaß — sonst hätte er den Posten nie bekommen — hierzu alle erforderlichen Qualifikationen: eine lange und ehrenvolle Laufbahn im diplomatischen Dienst und den Ruf eines fundierten politischen Urteilsvermögens, das sich zwar oft genug als fehlbar erwiesen, jedoch stets im Einklang mit dem seiner Vorgesetzten befunden hatte. Er legte sich nie eindeutig fest und hatte daher auch nie nachweislich unrecht gehabt oder in unpassender Weise recht behalten. In seiner ganzen Laufbahn hatte er nicht ein einziges Mal eine unbequeme Ansicht vertreten, noch jemals eine Meinung geäußert, die sich nicht jeweils mit derjenigen gedeckt hätte, die auf höchster Ebene des Diplomatischen Corps gerade vorherrschte.
Seine Ehe mit der anderweitig nicht zu verheiratenden Tochter eines Botschaftsrats in Berlin, der später zur rechten Hand desstellvertretenden Staatssekretärs des Äußeren avancierte, hatte; seiner Karriere nicht geschadet. Sie bewirkte im Gegenteil, daß man sein in Berlin formuliertes unglückseliges Memorandum aus dem Jahre 1937, das die Möglichkeit nachteiliger Auswirkungen der deutschen Wiederbewaffnung auf die Zukunft Westeuropas; entschieden verneinte, höheren Orts gnädig übersah.
Wieder in London, hatte er während des Krieges eine Zeitlang im Balkan-Referat gearbeitet und sich nachdrücklich für die Unterstützung des jugoslawischen Partisanen Mihailovic und seiner Cetniks eingesetzt. Als es der damalige Premierminister unbegreiflicherweise vorzog, auf die Ratschläge eines obskuren jungen Captains namens Fitzroy MacLean zu hören, der mit dem Fallschirm über dem Partisanengebiet abgesprungen war und auf einen dubiosen Kommunisten setzte, der sich Tito nannte, war der junge Quigley in das Frankreich-Referat versetzt worden.
Dort tat er sich als profilierter Fürsprecher der britischen Unterstützung General Girauds in Algerien hervor. Das war oder wäre die einzig richtige Politik gewesen, wenn nicht jener andere, weit weniger bedeutende französische General, der von London aus eine autonome Streitmacht aufzustellen versuchte, die sich» France Libre «nannte, Giraud ausmanövriert hätte. Warum sich Winston jemals mit diesem Mann abgegeben hatte, war allen professionellen außenpolitischen Sachverständigen immer unverständlich geblieben. Nicht, daß auch nur einer von diesen Franzosen jemals zu irgend etwas nütze gewesen wäre.
Niemand konnte behaupten, Sir Jasper, der 1951 für seine Verdienste um die britische Diplomatie geadelt worden war, mangele es an den entscheidenden Voraussetzungen, um einen kompetenten Leiter des Frankreich-Referats abzugeben. Er hatte eine angeborene Abneigung gegen Frankreich und alles, was irgendwie mit dem Land zusammenhing. Diese Gefühle waren jedoch noch milde zu nennen, verglichen mit denjenigen, die er der Person
Präsident de Gaulles selbst gegenüber empfand, seit dieser auf seiner Pressekonferenz vom 23. Januar England den Beitritt zur EWG starrsinnig verwehrt hatte — was Sir Jasper eine höchst unangenehme zwanzigminütige Audienz beim Außenminister einbrachte.
Es hatte geklopft. Sir Jasper wandte sich rasch vom Fenster ab, nahm ein auf seinem Schreibtisch liegendes Schriftstück zur Hand und hielt es so, als sei er im Lesen unterbrochen worden.
«Herein.«
Der junge Mann trat ein, schloß die Tür hinter sich und ging auf den Arbeitstisch zu.
Sir Jasper musterte ihn über den Rand seiner Brille hinweg.
«Ah, Lloyd. Lese da gerade den Bericht, den Sie heute nacht erstattet haben. Interessant, interessant. Ein inoffizielles Ersuchen, das ein höherer französischer Polizeibeamter an einen höheren englischen Polizeibeamten richtet. Weitergereicht an einen Superintendenten von Scotland Yards Special Branch, der es seinerseits für richtig hält, einen jungen Beamten des Secret Service — selbstverständlich inoffiziell — zu konsultieren. Hmm?«
«Ja, Sir Jasper.«
Lloyd sah abwartend zu dem spindeldürren Diplomaten hinüber, der am Fenster stand und seinen Bericht studierte, als läse er ihn zum erstenmal. Er kam zu dem Schluß, daß Sir Jasper längst mit dem Inhalt vertraut und seine bemühte Indifferenz wahrscheinlich nichts als Pose war.