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«Herein.«

Mit verlegenem Gesicht erschien einer der Portiers des Ministeriums im Türrahmen.

«Mes excuses, Monsieur le Ministre. Telephon für Kommissar Lebel. Aus London. «Er spürte den schweigenden Unwillen der Sitzungsteilnehmer und versuchte sich zu rechtfertigen.»Es ist dringend, wurde gesagt. «Lebel stand auf.

«Wollen Sie mich bitte entschuldigen, meine Herren?«Nach einer Viertelstunde kam er zurück. Die Atmosphäre in dem Konferenzzimmer war noch so feindselig wie zuvor und die Auseinandersetzung darüber, was als nächstes zu tun sei, in seiner Abwesenheit offenbar fortgesetzt worden. Oberst Saint Clair hatte sich in bitteren Anklagen ergangen und war durch Lebels Rückkehr unterbrochen worden. Als der Kommissar seinen Platz wieder einnahm, schwieg auch er.

Der kleine Kommissar hielt einen Umschlag in der Hand, auf dessen Rückseite er sich etwas notiert hatte.

«Meine Herren, ich glaube, wir haben den Namen des gesuchten Mannes«, sagte er.

Eine halbe Stunde später verließen die Teilnehmer das Konferenzzimmer in geradezu euphorischer Stimmung. Als Lebel ihnen berichtet hatte, was ihm aus London gemeldet worden war, hatten sie einen kollektiven Seufzer der Erleichterung ausgestoßen, der sich wie eine Lokomotive anhörte, die nach langer Fahrt ihre Endstation erreicht hat. Jeder der Männer wußte, daß er von jetzt ab zumindest etwas würde tun können. Innerhalb einer halben Stunde hatte man sich darüber geeinigt, wie man, ohne der Presse gegenüber auch nur ein Wort verlauten zu lassen, ganz Frankreich nach einem Mann namens Calthrop durchkämmen, ihn aufspüren und, wenn nötig, unschädlich machen konnte. Daß mit einer genauen Personenbeschreibung Calthrops erst anderntags in der Frühe zu rechnen war, wenn sie aus London per Fernschreiber übermittelt wurde, wußten sie. Aber bis dahin konnten die Renseignements Generaux ihre kilometerlangen Archivregale nach einer auf den Namen dieses Mannes ausgestellten Landekarte oder einem Meldeformular durchforschen, das ihn als Gast eines Hotels irgendwo in Frankreich registrierte. Die Polizeipräfektur konnte ihre eigenen Akten überprüfen und feststellen, ob er sich in einem Hotel im Bereich von Paris aufhielt. Die Direction de la Surveillance du Territoire konnte seinen Namen allen Grenzposten, Hafen- und Flughafenverwaltungen Frankreichs mit der Maßgabe übermitteln, den Mann beim Betreten französischen Bodens umgehend festzunehmen.Falls er noch nicht in Frankreich eingetroffen war, so spielte das keine Rolle. Bis zu seiner Ankunft würde absolutes Stillschweigen gewahrt werden: Um so sicherer konnte man ihn, wenn er kam, sofort fassen.

«Diese erbärmliche Kreatur, der Bursche, der sich Calthrop nennt, ist praktisch schon ein toter Mann«, berichtete Oberst Raoul Saint Clair de Villauban seiner Geliebten, die mit ihm im Bett lag, in der gleichen Nacht.

Als es Jacqueline endlich gelungen war, ihm zu einem verspäteten Höhepunkt zu verhelfen, damit er einschlief, schlug die Uhr unter dem Glassturz Mitternacht, und der 14. August war angebrochen.

Superintendent Thomas lehnte sich in seinem Schreibtischsessel zurück und musterte die sechs Kriminalinspektoren, die er nach Beendigung seines Gesprächs mit Paris von ihren bisherigen Aufgaben entbunden und auf neue angesetzt hatte. Die Turmuhr vom nahen Big Ben schlug Mitternacht.

Die Ausgabe der Orders dauerte eine Stunde. Ein Mann wurde angewiesen, Calthrops Jugend zu recherchieren und festzustellen, wo seine Eltern — sofern sie noch lebten — wohnhaft waren; welche Schulen er besucht hatte und ob er bereits als Schüler ein guter Schütze gewesen war; ob und durch welche sonstigen Leistungen er sich ausgezeichnet hatte usw. Einem zweiten Mann oblag es, Calthrops nächsten Lebensabschnitt von der Schulentlassung über die Ableistung des Militärdienstes (Ausbildung zum Scharfschützen? Charakterliche Beurteilung?) und alle nach der Entlassung in das Zivilleben eingegangenen Arbeitsverhältnisse bis zu dem Zeitpunkt zu durchleuchten, wo er von dem Waffenhändler wegen mangelnder Loyalität gefeuert worden war.

Der dritte und der vierte Kriminalinspektor waren beauftragt, Calthrops Tätigkeit seit der im Oktober 1961 erfolgten Trennung von seinem letzten der Polizei inzwischen bekannten Arbeitgeber zu ermitteln und in Erfahrung zu bringen, wo er sich seither aufgehalten, wen er getroffen, welche Einkünfte er gehabt hatte und aus welchen Quellen sie stammten; da es keine Kriminalakte über ihn gab und man folglich auch nie Fingerabdrücke von ihm genommen hatte, brauchte Thomas unbedingt Photos des Mannes, vorzugsweise solche, die in jüngster Zeit aufgenommen worden waren. Die letzten beiden Inspektoren sollten feststellen, wo sich Calthrop gegenwärtig aufhielt. Sie waren angewiesen, die Möbel und Gebrauchsgegenstände in seiner Wohnung eingehend auf Fingerabdrücke zu untersuchen und darüber hinaus zu eruieren, wo er den Wagen gekauft hatte. Zu diesem Zweck sollten sie sich bei der Londoner County Hall erkundigen, ob dort Unterlagen über die Ausstellung eines Führerscheins vorhanden waren, und sich, wenn das nicht der Fall sein sollte, an die entsprechenden Ämter in den Landkreisen und Grafschaften wenden. Es war ihnen aufgetragen, Fabrikat und Baujahr, Farbe und polizeiliche Kennzeichen des Wagens festzustellen, seine Garage in Augenschein zu nehmen und die von ihm frequentierte Werkstatt aufzusuchen, um herauszufinden, ob er eine längere Autoreise geplant hatte; falls dies zutraf, bei der Reederei der Kanalfähren nachzufragen; und schließlich der Reihe nach alle Luftverkehrsgesellschaften abzuklappern, um zu erfahren, ob er bei einer von ihnen — mit welchem Reiseziel auch immer — einen Flug gebucht hatte.

Alle sechs Männer machten sich ausführliche Notizen. Als Thomas geendet hatte, standen sie auf und verließen das Büro. Auf dem Korridor sahen die beiden letzten einander von der Seite an.»Ist doch merkwürdig«, meinte der eine,»daß der Alte uns nicht sagen will, was der Bursche angestellt haben soll oder womöglich noch vorhat.«

«Eines ist sicher«, entgegnete der andere,»eine Aktion von diesem Ausmaß kann nur auf Anweisung von ganz oben gestartet werden. Man möchte fast glauben, der Kerl hätte die Absicht, den König von Siam umzulegen.«

Es dauerte eine Weile, bis ein Richter geweckt und der Haussuchungsbefehl unterschrieben war. In den ersten Morgenstunden, als Thomas in seinem Schreibtischsessel eingenickt war und Claude Lebel in seinem Büro starken schwarzen Kaffee schlürfte, durchsuchten zwei Agenten von Scotland Yards Special Branch Calthrops Wohnung.

Beide waren Experten. Sie begannen mit den Schubladen, deren Inhalt sie auf ein Bettuch leerten und eingehend untersuchten. Als alle Schubladen ausgeräumt waren, nahmen sie sich den Schreibtisch vor, um festzustellen, ob er Geheimfächer enthielt. Anschließend kamen die gepolsterten Möbelstücke an die Reihe, und sehr bald sah die Wohnung aus wie eine Geflügelfarm nach dem Weihnachtsgeschäft. Der eine Agent durchsuchte das Wohnzimmer, der andere das Schlafzimmer. Danach setzten sie ihre Tätigkeit in der Küche und im Bad fort. Als sie sämtliche Möbel, Kissen, Polster und Matratzen sowie die Mäntel und Anzüge in den Schränken Stück für Stück untersucht hatten, konzentrierten sie sich auf die Fußböden,

Wände und Zimmerdecken. Um 6 Uhr morgens war die Wohnung wieder tadellos aufgeräumt. Die Nachbarn standen im Hausflur, beratschlagten flüsternd und blickten argwöhnisch auf die geschlossene Tür der Calthropschen Wohnung. Als sie sich öffnete und die beiden Kriminalinspektoren erschienen, verstummten sie.

Einer der beiden Beamten trug einen Koffer, in dem sich Calthrops Privatkorrespondenz sowie seine persönlichen Dokumente und Papiere befanden. Er verließ das Haus, setzte sich in den vor der Tür wartenden Polizeiwagen und ließ sich zu Thomas in den Yard fahren. Der andere begann umgehend mit der Befragung der Nachbarn, die innerhalb der nächsten beiden Stunden zur Arbeit fahren mußten. Sobald die umliegenden Geschäfte öffneten, würde er die Ladeninhaber interviewen.