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«Wenn Sie die Güte hätten, sich den photokopierten Bericht einmal anzuschauen, der vor Ihnen liegt, dann würden Sie, verehrter Herr Oberst, sich davon überzeugen können, daß wir ihn zu keinem Zeitpunkt schon >so gut wie gefaßt< hatten«, bemerkte er gelassen.»Die Meldung aus Lyon, daß sich am Abend zuvor ein Mann unter dem Namen Duggan in einem Hotel in Gap eingeschrieben habe, hat die PJ erst heute mittag um 12 Uhr 15 erreicht. Wir wissen inzwischen, daß der Schakal das Hotel um 11 Uhr 05 überraschend verließ. Welche Maßnahmen wir auch immer getroffen hätten, er würde in jedem Fall einen Vorsprung von einer Stunde gehabt haben. Auch Ihre die Tüchtigkeit der Polizeibehörden dieses Landes generell in Frage stellenden Bemerkungen muß ich entschieden zurückweisen. Ich darf Sie daran erinnern, daß die Order des Präsidenten dahingeht, diese Angelegenheit unter strengster Geheimhaltung zu handhaben. Es war daher nicht möglich, an jeden Gendarmerieposten der Provinz eine Fahndungsmeldung nach einem Mann namens Duggan ergehen zu lassen, denn das würde Aufsehen erregt und die Presse auf den Plan gerufen haben. Das von Duggan ausgefüllte Meldeformular ist pünktlich abgeholt und noch am gleichen Tag nach Lyon weitergeleitet worden. Dort erst stellte sich heraus, daß Duggan gesucht wird. Diese Verzögerung war unvermeidlich, es sei denn, wir hätten eine auf das gesamte Staatsgebiet ausgedehnte Großfahndung gestartet, und das würde meinen Anweisungen widersprochen haben.

Und schließlich und endlich war Duggan für zwei Tage in dem Hotel angemeldet. Was ihn heute vormittag um 11 Uhr veranlaßt hat, es sich anders zu überlegen und wegzufahren, wissen wir nicht.«

«Vermutlich doch Ihr Polizeiaufgebot, das sich in der Gegend herumgetrieben hat«, bemerkte Saint Clair gehässig.

«Ich habe bereits klargestellt, daß die Polizeiaktion erst um 12 Uhr 15 anlief, und zu dem Zeitpunkt befand sich der Mann schon seit siebzig Minuten nicht mehr im Hotel«, entgegnete Lebel.

«Nun gut, wir haben eben Pech gehabt, schreckliches Pech«, schaltete sich der Minister ein.»Aber ich begreife noch immer nicht, warum die Fahndung nach dem Wagen nicht sofort veranlaßt wurde. Kommissar?«

«Ich gebe zu, daß das ein Fehler war. Aber ich hatte Grund zu der Annahme, daß der Mann im Hotel war und die Nacht dort verbringen würde. Wenn er in der Umgebung herumgefahren und von einem motorisierten Streifenpolizisten, der es mit einem Autodieb zu tun zu haben glaubt, gestoppt worden wäre, würde er den nichtsahnenden Polizisten mit großer Wahrscheinlichkeit niedergeschossen haben und uns, auf diese Weise gewarnt, entkommen sein.«

«Und genau das ist ihm ja wohl gelungen«, versetzte Saint Clair.

«Stimmt, aber es gibt keine Anzeichen dafür, daß er gewarnt worden ist, was fraglos der Fall gewesen wäre, wenn ein einzelner Streifenpolizist ihn angehalten hätte. Es kann durchaus sein, daß er aus einer Laune des Augenblicks heraus beschlossen hat, woanders hinzufahren. Wenn das zutreffen und er heute nacht ein anderes Hotel aufsuchen sollte, wird uns das gemeldet werden. Und wenn sein Wagen gesichtet wird, erhalten wir ebenfalls Meldung.«»Wann ist die Suchmeldung nach dem weißen Alfa hinausgegangen?«fragte Max Fernet, der Direktor des PJ.

«Ich habe die Anweisungen um 17 Uhr 15 vom Hotel aus gegeben«, antwortete Lebel.»Sie müßten bis 19 Uhr alle auf den Überlandstraßen patrouillierenden motorisierten Streifeneinheiten erreicht haben, und die Polizeibeamten in den Städten finden sie bei Antritt des Nachtdienstes vor. In Anbetracht der Gefährlichkeit dieses Mannes habe ich den Wagen als gestohlen eingestuft und die Beamten instruiert, bei seinem Auftauchen sofort die regionale Zentrale zu unterrichten, jedoch ausdrücklich untersagt, daß ein einzelner Polizeibeamter den Mann stellt. Wenn auf dieser Besprechung eine Änderung meiner diesbezüglichen Anweisungen beschlossen werden sollte, muß ich die Anwesenden bitten, die Verantwortung für alle sich daraus ergebenden Folgen zu übernehmen.«

Längere Zeit herrschte Schweigen.

«Die Sorge um das Leben eines Polizeibeamten darf die zum Schutz des Präsidenten der Republik erforderlichen Maßnahmen nicht beeinträchtigen«, ließ sich Oberst Rolland vernehmen. Seine Bemerkung erntete rund um den Tisch herum beifälliges Nicken.

«Das ist schön und gut und zweifellos sehr richtig«, stimmte ihm Lebel zu,»vorausgesetzt, der Polizeibeamte ist in der Lage, diesen Mann unschädlich zu machen. Aber die wenigsten Polizisten und Gendarmen, die in ihrem Revier Streife gehen oder auf den Überlandstraßen patrouillieren, sind hochtrainierte Scharfschützen wie der Schakal. Wenn er gestellt wird, einen oder zwei Beamte niederschießt und entkommt, haben wir es nicht mehr mit einem Killer zu tun, der nicht weiß, daß wir ihm auf der Spur sind, sondern mit einem, der gewarnt und möglicherweise in der Lage ist, sich mit einer weiteren Identität zu tarnen, die wir noch nicht kennen. Hinzu kommt, daß ein solcher Vorfall in allen Zeitungen Schlagzeilen machen würde und wir das nicht herunterspielen könnten. Wenn der eigentliche Zweck seines Aufenthalts in Frankreich achtundvierzig Stunden lang geheim bleibt, sollte mich das außerordentlich wundern. Die Presse wird innerhalb weniger Tage wissen, daß er es auf den Präsidenten abgesehen hat. Wenn irgendeiner der Anwesenden es auf sich nehmen möchte, das dem General gegenüber zu vertreten, bin ich nur zu gern bereit, die Leitung dieser Aktion niederzulegen, damit er sie übernehmen kann.«

Niemand meldete sich. Die Sitzung wurde wie üblich um Mitternacht beendet. Ein neuer Tag war angebrochen — Freitag, der 16. August.

SIEBZEHNTES KAPITEL

Als der blaue Alfa in die Place de la Gare von Ussel einbog, war es fast l Uhr morgens. Gegenüber dem Bahnhof hatte ein Cafe noch geöffnet, und ein paar Reisende, die auf einen Nachtzug warteten, schlürften heißen Kaffee. Der Schakal fuhr sich rasch mit dem Kamm durchs Haar und ging an den bereits aufeinandergestellten Tischen und Stühlen vorbei zur Theke. Er fröstelte, denn die nächtliche Bergluft war kühl, wenn man mit einer Geschwindigkeit von mehr als hundert Stundenkilometer im offenen Wagen fuhr. Er fühlte sich wie gerädert, und seine Arm- und Beinmuskel schmerzten, nachdem er den Alfa durch ungezählte enge Kurven gezogen hatte. Zudem war er hungrig, denn seit dem Abendessen vor mehr als achtundvierzig Stunden hatte er außer einem Croissant zum Frühstück nichts mehr zu sich genommen.

Er bestellte sich zwei tartines beurrees — der Länge nach von einem schmalen, langgestreckten Brotlaib abgeschnittene und mit Butter bestrichene Scheiben eines kräftigen Landbrotes —, dazu vier hartgekochte Eier und eine große Schale Milchkaffee.

Während das Butterbrot gestrichen und der Kaffee gefiltert wurde, hielt er nach der Telephonzelle Ausschau. Es gab keine, aber am anderen Ende der Theke stand ein Apparat.»Haben Sie ein örtliches Fernsprechverzeichnis?«fragte er den Wirt, der, noch immer mit dem Bestreichen der tartines beschäftigt, stumm auf den Stapel der Telephonbücher wies, der auf dem Regal hinter der Theke lag.

Der Baron war unter» Chalonniere, M le Baron de la… «aufgeführt und als Wohnsitz das Schloß in La Haute Chalonniere angegeben. Der Schakal hatte sich die Adresse gemerkt, aber das Dorf war auf seiner Karte nicht eingezeichnet. Die Telephonnummer wurde jedoch unter dem Amt Egletons geführt, und dieser Ort fand sich rasch auf seiner Karte. Er lag dreißig

Kilometer hinter Ussel an der RN89. Der Schakal machte es sich an einem Tisch bequem, um seine tartines mit den hartgekochten Eiern zu verzehren und den Milchkaffee zu trinken.

Kurz vor zwei passierte er ein Schild mit der Aufschrift» Egletons, 6km «und beschloß, den Wagen in einer der dichten Waldungen, die an die Straßen grenzten, stehenzulassen. Die Wälder gehörten vermutlich irgendeinem alteingesessenen Adeligen, dessen Vorfahren, von einer Hundemeute begleitet, hier auf Wildschweinjagd geritten waren. Aber vielleicht war das auch heute noch Brauch, denn weite Teile des Departement Correze sahen aus, als schriebe man noch die Zeit des Sonnenkönigs.