Выбрать главу

Richard merkte, daß er verlieren würde. Das kleine drahtige Wesen war trotz seiner geringen Größe stärker als er. Entweder er ließ sich etwas einfallen, oder er wäre das Schwert in Kürze los.

»Gib her«, zischte es, drehte sich blitzartig mit seinem blassen Kopf zu ihm hin und versuchte, ihm ins Gesicht zu beißen. Die Ritzen zwischen seinen Hauern waren mit einer schwammiggrauen Masse verklebt. Sein übler Atem stank nach Kot. Der haarlose, wächserne Schädel hatte schmutzigschwarze Flecken.

Bei der nächsten Rolle griff Richard verzweifelt an seinen Gürtel und zückte sein Messer. Blitzartig drückte er es dem Monster in die Falten an seinem Hals.

»Bitte!« jaulte es. »Nicht töten! Nicht töten!«

»Dann laß das Schwert los. Sofort!«

Langsam und widerwillig löste das Vieh seinen Griff. Richard lag auf dem Rücken, das faulig stinkende Wesen auf seiner Brust. Es sackte schlaff über ihm zusammen.

»Bitte, töte mich nicht!« winselte es.

Richard befreite sich von dem ekelhaften Geschöpf und legte es auf den Rücken.

Endlich durchflutete ihn der Zorn des Schwertes, der verlorengegangen war.

Er nahm Maß. »Ich brauche bloß zu glauben, daß du etwas tust, was mir nicht paßt, dann stoße ich zu. Kapiert?« Heftiges Nicken. Richard beugte sich vor. »Wohin ist dein Freund verschwunden?«

»Freund?«

»Dieses große Ungetüm, das mich fast noch vor dir erwischt hätte.«

»Der Calthrop. Das ist kein Freund«, winselte es. »Du hast Glück. Calthrops töten nachts. Er hat auf die Nacht gewartet. Um dich zu töten. Nachts verfügt er über große Kräfte. Du hast Glück gehabt.«

»Ich glaube dir kein Wort! Du gehörst zu ihm.«

»Nein«, winselte es. »Ich bin euch nur gefolgt. Bis er dich tötet.«

»Warum?«

Die hervortretenden Augen suchten das Schwert. »Das ist mein Schwert. Gib es mir. Bitte.«

»Nein!«

Richard sah sich nach Kahlan um. Ihr Rucksack lag ein Stück hinter ihm auf dem Boden. Sie selbst konnte er nirgends sehen. Plötzlich erstarrte Richard vor Sorge. Sein Blick schweifte hektisch suchend über das Gelände. Der Calthrop hatte sie nicht, der war allein im Wald verschwunden. Er hielt dem Ungetüm am Boden die Schwertspitze unters Kinn und rief ihren Namen. Vielleicht erwiderte sie seine verzweifelten Rufe. Keine Antwort.

»Die Herrin. Sie hat die hübsche Lady geholt.«

Richard fuhr herum. Er blickte in die gelben Augen. »Was soll das heißen?«

Richard stieß fester zu. Er wollte mehr erfahren, und zwar sofort. »Wir haben euch verfolgt. Haben zugesehen, wie der Calthrop mit euch gespielt hat. Um zu sehen, was passiert.« Die gelben Froschaugen hingen wieder an dem Schwert.

»Um das Schwert zu stehlen«, fauchte Richard ihn an.

»Nicht stehlen! Es gehört mir! Gib her!« Er wollte wieder danach greifen. Richard stieß etwas fester zu, und das Ungetüm erstarrte.

»Wer ist deine Herrin?«

»Meine Herrin!« Er schüttelte sich, bettelte, freigelassen zu werden. »Meine Herrin ist Shota.«

Richard war verdutzt. »Deine Herrin ist Shota, die Hexe?«

Das Wesen nickte eifrig.

Er packte das Heft fester. »Warum hat sie die hübsche Lady entführt?«

»Weiß nicht. Vielleicht, um mit ihr zu spielen. Vielleicht, um sie zu töten.« Das Biest zwinkerte ihm zu. »Vielleicht, um dich zu fangen.«

»Bleib ruhig liegen«, sagte Richard, »oder ich spieße dich auf!«

Richard stellte ihm den Stiefel auf die Brust. Er griff in seinen Rucksack und holte ein Seil hervor. Dann fesselte er ihm die Hände und legte ihm das andere Ende als Schlinge um den Hals.

»Hast du einen Namen?«

»Gefährte. Ich bin der Gefährte meiner Herrin. Samuel.«

Richard zerrte den Gefährten auf die Beine. Blätter klebten auf der grauen Haut seiner Brust. »Du gehst vor. Eine falsche Bewegung, und ich breche dir mit diesem Seil das Genick. Kapiert?«

Samuel nickte eifrig und dann noch einmal langsam nach einem Seitenblick auf das Seil. »Nach Agaden. Der Gefährte bringt dich hin. Du wirst mich nicht töten?«

»Nicht, wenn du mich zu deiner Herrin bringst und es der hübschen, jungen Frau gutgeht.«

Richard spannte das Seil, damit Samuel wußte, wer das Sagen hatte. Dann steckte er das Schwert in die Scheide.

»Hier, du trägst das Gepäck der hübschen jungen Frau.«

Samuel riß Richard den Rucksack aus der Hand. »Meiner! Gib her!« Er fing an, mit seinen gefesselten Pranken darin herumzukramen.

Richard riß scharf an dem Tau. »Das gehört dir nicht. Finger weg!«

Die Froschaugen füllten sich mit Haß. Sie starrten ihn an. »Wenn die Herrin dich tötet, wird Samuel dich fressen.«

»Wenn ich dich nicht zuerst verspeise«, spottete Richard. »Ich habe ziemlichen Hunger. Vielleicht mache ich mir unterwegs einen kleinen Eintopf aus dir.«

Der Haß wich gelbäugigem Entsetzen. »Bitte! Nicht töten. Samuel bringt dich zur Herrin und zur hübschen, jungen Frau. Versprochen.« Er machte ein paar Schritte, bis das Seil sich spannte. »Folge Samuel. Beeil dich«, sagte er, um seine Wichtigkeit unter Beweis zu stellen. »Samuel bitte nicht kochen«, murmelte er, als sie den Pfad zurückgingen.

Richard hatte keine blasse Ahnung, was für eine Art Wesen Samuel war. Irgend etwas an ihm war beunruhigend vertraut. Er war nicht sehr groß, aber kräftig. Richards Kiefer pochte noch, dort, wo Samuel ihn getroffen hatte, und Hals und Kopf taten von den beiden Aufprallen auf den Boden weh. Samuels Arme berührten fast den Boden, als er in seinem seltsamen Watschelgang dahintrottete und immer wieder murmelte, er wolle nicht gekocht werden. Dunkle, kurze Hosen, die mit Trägern gehalten wurden, waren seine einzige Bekleidung. Seine Füße waren unverhältnismäßig groß wie auch seine Hände und Arme. Sein Bauch war rund und dick. Wovon bloß, fragte sich Richard. Er hatte nirgendwo Haare, und seine Haut sah aus, als hätte sie seit Jahren keine Sonne mehr gesehen. Von Zeit zu Zeit hob Samuel einen Stock oder einen Stein vom Boden auf und sagte: »Meins! Gib her!«, ohne jemanden Bestimmtes zu meinen. Kurz darauf verlor er das Interesse und warf seinen neuesten Fund wieder fort.

Richard behielt sowohl den Wald als auch Samuel im Auge. Er folgte dem Gefährten, trieb ihn immer wieder an, schneller zu gehen. Er hatte Angst um Kahlan, außerdem war er wütend über sich selbst. Old John, oder der Calthrop, wer auch immer, hatte ihn völlig übertölpelt. Unfaßbar, wie dumm er gewesen war. Er war auf die Geschichte reingefallen, weil er sie glauben und Zedd unbedingt wiedersehen wollte. Genau davor hatte er andere immer gewarnt. Er hatte dem Monster genau das gesagt, was es brauchte, um sich vor ihm auszuweisen. Er schämte sich.

Die Menschen glaubten etwas, weil sie daran glauben wollten, hatte er Kahlan erzählt. Und genau das hatte er getan, und Kahlan war deswegen in die Gewalt der Hexe geraten. Genau das, wovor sie solche Angst gehabt hatte. Und nur, weil er so dumm und nicht wachsam genug gewesen war. Wann immer er so nachlässig war, schien sie dafür bezahlen zu müssen. Wenn Kahlan etwas zustieß, würde die Hexe zu spüren bekommen, was es mit dem Zorn eines Suchers auf sich hatte, das schwor er sich.

Schon wieder, ärgerte er sich. Er ließ seine Phantasie mit sich durchgehen. Wenn Shota sie umbringen wollte, hätte sie das auf der Stelle getan. Sie hätte sie nicht nach Agaden verschleppt. Aber warum hatte sie das getan? Es sei denn, sie wollte mit ihr spielen, wie Samuel sich ausgedrückt hatte. Richard versuchte diesen Gedanken zu verdrängen. Bestimmt war sie hinter ihm her, nicht hinter Kahlan. Aus diesem Grund war wohl auch der Calthrop so schnell verschwunden. Die Hexe hatte ihn verscheucht.

Als sie die Gabelung erreichten, die sie vorhin passiert hatten, wählte Samuel den Weg, der zur Hexe führte. Obwohl es dunkel wurde, behielt der Gefährte das Tempo bei. Der Pfad stieg jetzt in steilen Serpentinen an, und schon bald hatten sie die Baumgrenze hinter sich gelassen und befanden sich auf einem offenen Pfad über nackten Fels, der stetig zu den schroffen, schneebedeckten Gipfeln hinaufführte.