Выбрать главу

»Ich sehe, Sie sind sehr entschlossen, Fermín. Dabei haben Sie sie doch eben erst kennengelernt…«

»In meinem Alter muß man allmählich klar sehen, wo’s langgeht, sonst ist man am Arsch. Ich habe schon viele Dummheiten begangen, und jetzt weiß ich, daß ich nichts anderes will, als die Bernarda glücklich zu machen und eines Tages in ihren Armen zu sterben. Ich will wieder ein achtbarer Mensch sein, wissen Sie. Nicht meinetwegen, sondern ihretwegen. Die Bernarda glaubt an diese Dinge — an die Radioserien, die Geistlichen, die Achtbarkeit und die heilige Jungfrau von Lourdes. Sie ist so, und ich will sie genau so, wie sie ist. Und darum will ich jemand sein, auf den sie stolz sein kann. Sie soll denken können: Mein Fermín, das ist vielleicht ein Mannsbild!«

»Haben Sie all das mit ihr besprochen? Zusammen Kinder zu haben?«

»Um Gottes willen, nein. Wofür halten Sie mich? Glauben Sie, ich gehe durch die Welt und sage zu den Frauen, ich habe Lust, Sie zu schwängern?«

»Haben Sie der Bernarda gesagt, daß Sie eine Familie gründen möchten?«

»So was braucht man nicht zu sagen, Daniel. Das sieht man einem an.« Ich nickte.

»Nun, in dem Fall bin ich sicher, daß Sie ein wunderbarer Vater und Ehemann sein werden.« Sein Gesicht zerfloß vor Freude.

»Meinen Sie das im Ernst?«

»Natürlich.«

»Sie nehmen mir aber wirklich einen Steinbrocken vom Herzen, Wenn ich mich nämlich an meinen Vater nur erinnere und denke, ich könnte für jemanden werden, was er für mich war, würde ich mich am liebsten gleich sterilisieren lassen.«

»Seien Sie unbesorgt. Außerdem gibt es wahrscheinlich keine Behandlung, die ihre Zeugungskraft zu brechen vermag.«

»Stimmt auch wieder. Na, gehen Sie schlafen, ich will Sie nicht länger aufhalten.«

»Sie halten mich nicht auf. Ich habe das Gefühl, ich werde kein Auge zutun.«

»Des einen Leid… Übrigens, erinnern Sie sich noch an das Postfach, von dem Sie mir erzählt haben?«

»Haben Sie schon etwas rausgefunden?«

»Ich habe Ihnen ja gesagt, Sie können das ruhig mir überlassen. Heute mittag zur Essensstunde bin ich zur Post gegangen und habe mit einem alten Bekannten, der dort arbeitet, ein paar Worte gewechselt. Das Postfach 2321 ist auf den Namen eines gewissen José María Requejo eingetragen, Anwalt mit Büro in der Calle León XIII. Ich habe mir erlaubt, die Adresse der besagten Person zu überprüfen, und ohne Erstaunen festgestellt, daß es sie nicht gibt, aber ich denke, das wissen Sie schon. Die Korrespondenz für dieses Postfach wird seit Jahren von jemandem abgeholt. Das weiß ich, weil einige der Sendungen einer Immobilienmaklerfirma eingeschrieben kommen und man beim Abholen eine kleine Quittung unterschreiben und die Papiere vorlegen muß.«

»Wer ist es? Ein Angestellter von Anwalt Requejo?«

»Soweit bin ich noch nicht, aber ich bezweifle es. Entweder irre ich mich sehr, oder diesen Requejo gibt’s etwa so wie die heilige Jungfrau von Fatima. Ich kann Ihnen nur den Namen der Person nennen, die die Korrespondenz abholt: Nuria Monfort.« Ich fuhr hoch.

»Nuria Monfort? Sind Sie da ganz sicher, Fermín?«

»Ich habe einige der Quittungen mit eigenen Augen gesehen. Auf allen standen der Name und die Nummer des Personalausweises. Aus dem Speiübelgesicht, das Sie bekommen haben, schließe ich, daß Sie diese Enthüllung überrascht.«

»Ziemlich.«

»Darf ich fragen, wer diese Nuria Monfort ist? Der Angestellte, mit dem ich sprach, hat mir gesagt, daß er sich ganz genau an sie erinnern kann, weil sie vor zwei Wochen gekommen ist, um die Post abzuholen, und seiner unparteiischen Meinung nach hat sie attraktiver ausgesehen und eine straffere Brust gehabt als die Venus von Milo. Und ich verlasse mich auf seine Einschätzung, denn vor dem Krieg war er Ästhetikprofessor, aber natürlich, als entfernter Vetter eines entmachteten Regierungschefs muß er jetzt Ein-Peseten-Marken lecken…«

»Eben heute war ich bei dieser Frau, bei ihr zu Hause«, murmelte ich.Fermín schaute mich perplex an.

»Bei Nuria Monfort? Langsam denke ich, ich habe mich in Ihnen geirrt, Daniel. Sie sind ja ein echter Verführer.«

»Nicht, was Sie denken.«

»Selber schuld. In Ihrem Alter habe ich es gehalten wie El Molino — je eine Vorstellung am Vormittag, am Nachmittag und am Abend.« Ich schaute dieses dürre Knochenmännchen an, ganz Nase und gelblicher Teint, und merkte, daß er dabei war, mein bester Freund zu werden.

»Darf ich Ihnen etwas erzählen, Fermín? Etwas, was mir schon seit langem im Kopf rumgeht.«

»Klar doch. Alles. Besonders wenn es schlüpfrig ist und dieses Mägdlein betrifft.« Zum zweiten Mal an diesem Abend erzählte ich die Geschichte von Julián Carax und seinem rätselhaften Tod. Fermín hörte mit größter Aufmerksamkeit zu, machte sich Notizen in ein Heft und unterbrach mich gelegentlich, um nach irgendeinem Detail zu fragen, dessen Bedeutung mir entgangen war. Als ich mir so selber zuhörte, wurden mir die Lücken in dieser Geschichte immer deutlicher. Mehr als einmal wußte ich nicht mehr weiter, verirrten sich meine Gedanken beim Versuch, herauszufinden, warum mich Nuria Monfort belogen hatte. Was bedeutete der Umstand, daß sie jahrelang die Korrespondenz für ein nicht existierendes Anwaltsbüro abgeholt hatte, das sich angeblich um die Familie Fortuny-Carax in der Ronda de San Antonio kümmerte? Ich merkte nicht, daß ich meine Zweifel laut formuliert hatte.

»Wir können noch nicht wissen, warum diese Frau Sie belogen hat«, sagte Fermín, »aber wir können die Vermutung wagen, daß sie, wenn sie es in dieser Hinsicht getan hat, es auch in anderer Hinsicht tun konnte und wahrscheinlich getan hat.« Ich seufzte verwirrt.

»Was schlagen Sie vor?« Fermín Romero de Torres machte eine hochphilosophische Gebärde.

»Ich werde Ihnen sagen, was wir tun können. Wenn Sie einverstanden sind, schauen wir diesen Sonntag mal so ganz zufällig bei der San-Gabriel-Schule vorbei und versuchen etwas rauszufinden über die Anfänge der Freundschaft zwischen diesem Carax und dem andern Jungen, dem Geldsack…«

»Aldaya.«

»Im Umgang mit Geistlichen bin ich sehr gewandt, Sie werden schon sehen, und sei es nur, weil ich wie ein schlitzohriger Kartäuser aussehe. Ein paar Schmeicheleien, und ich stecke sie allesamt in die Tasche.«

»Und das heißt?«

»Mann! Ich garantiere Ihnen, die werden singen wie der Knabenchor von Montserrat.«

9

Den Samstag verbrachte ich wie in Trance, fest verankert hinter dem Ladentisch und in der Hoffnung, Bea komme unversehens zur Tür herein. Jedesmal wenn das Telefon klingelte, stürzte ich mich darauf und riß meinem Vater oder Fermín den Hörer aus den Händen. Gegen Abend, nach zwanzig Kundenanrufen und ohne Nachricht von Bea, fand ich mich allmählich damit ab, daß die Welt und mein gerade so hoffnungsvoll begonnenes Leben an ihr Ende gelangten. Mein Vater war nach San Gervasio gefahren, um eine Sammlung zu schätzen, und Fermín nutzte die Gelegenheit, um mir eine weitere seiner erfahrungsgesättigten Lektionen über die Geheimnisse der Liebesverstrickungen zu geben.

»Beruhigen Sie sich, oder Sie kriegen Nierensteine«, riet er.

»Mit dem Liebeswerben ist es wie mit dem Tango: absurd und nichts als Fiorituren. Aber Sie sind der Mann, und als solcher müssen Sie die Initiative ergreifen.« Das begann ja schon unheilvoll.

»Die Initiative? Ich?«

»Was wollen Sie — im Stehen pissen zu können hat eben seinen Preis.«

»Aber Bea hat doch durchblicken lassen, daß sie sich melden wird.«

»Wie wenig Sie von Frauen verstehen, Daniel. Ich wette mein Weihnachtsgeld drauf, daß dieses niedliche Mädchen jetzt zu Hause sitzt und wie die Kameliendame zum Fenster hinausschmachtet, daß Sie kommen und sie vor dem Grobian von Herrn Vater erretten und in einer unaufhaltsamen Spirale von Geilheit und Sünde mitreißen.«